Silla
Der Legende aus dem Samguk yusa zufolge wurde im Jahr 57 v. Chr. ein Mann namens Pak Hŏkkŏse durch die Führer von sechs Stammeseinheiten des Staates Chinhan zum Herrscher ernannt. Die neue Herrschaftseinheit wurde Saro genannt und die drei Familien Pak, Sŏk und Kim übernahmen abwechselnd die Führung. Dies änderte sich in der Mitte des 4. Jahrhunderts, als eine einzige Familie, die Kims, den Thron bestieg und man den Herrscher nicht mehr ‚Weiser/Nachfolger‘ sondern ‚Großführer‘ nannte. Damit begann eine allmähliche Zentralisierung der Herrschaftsmacht, die aber erst zu Beginn des 6. Jahrhunderts vollendet war. Dass sich Silla im Vergleich zu den anderen beiden Reichen relativ spät zu einem Königsstaat entwickelte, lag wahrscheinlich an den geographischen Gegebenheiten. Durch die Berglandschaft im Südosten der Halbinsel konnte jede der dortigen föderativen Stammeseinheiten lange isoliert existieren, denn die Lage am östlichen Rande der Halbinsel verhinderte direkte Kontakte mit den entwickelten chinesischen Altstaaten.
Diese Situation änderte sich, als Koguryŏ im Jahr 400 Silla gegen einen japanischen Angriff beistand. Seitdem öffnete sich Silla der fortschrittlichen Kultur des nördlichen Nachbarn und begann, über diesen Kontakt mit China aufzunehmen. Dadurch stand Silla aber im 5. Jahrhundert unter dem Einfluss von Koguryŏ, gegen das es sich im darauffolgenden Jahrhundert zu behaupten versuchte.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung begann Silla im 6. Jahrhundert, seine Herrschaftsstruktur zu reformieren. Unter dem König Chijŭng (500-514) wurde das Reich von Saro in Silla umbenannt und dessen Führer als ‚König‘ statt als ‚Großführer‘ bezeichnet. Der König Pŏphŭng (514-540) erließ neue Gesetze und machte 528 den Buddhismus zur Staatsreligion. Durch diese politische und geistige Strukturierung verwandelte sich Silla in einen Königstaat, wie es die beiden anderen koreanischen Reiche bereits 200 Jahre zuvor getan hatten. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich auch die Landwirtschaft, indem u. a. eine neue Reisanbautechnik mit Hilfe von Ochsen eingeführt wurde.
Ermöglicht durch den Fortschritt des Reiches holte Silla unter König Chinhŭng (540-576) seine Expansion in den Norden und Westen der koreanischen Halbinsel nach. Zunächst eroberte es 551 zusammen mit Paekche das Gebiet des Han-Flusses von Koguryŏ, das hinsichtlich der Entwicklung der Gegend und der Kontakte zu China von großer Bedeutung war. Wahrscheinlich begünstigte dieser direkte Kontakt zu China über den Seeweg später ein Bündnis zwischen Silla und der chinesischen Tang-Dynastie, was schließlich zur Vereinigung der koreanischen Königreiche durch Silla beitrug. Danach bewegte sich Silla in die nordöstliche Richtung, wobei es ein großes Gebiet von Koguryŏ annektierte.
Nachdem Silla auch das verbündete Paekche aus der Gegend des Flusses Han vertrieben hatte, führte nun Paekche im Verbund mit dem Erzfeind Koguryŏ Kriege gegen Silla, in denen sie Teile des Königreiches eroberten. Dies hatte zur Folge, dass Silla sich der chinesischen Tang-Dynastie noch stärker annäherte und ein militärisches Bündnis mit ihr einging. Durch diese Allianz gestärkt trieb es die Vereinigung der Königreiche auf der koreanischen Halbinsel voran. Im Jahr 660 eroberten Silla und China Paekche. Sieben Jahre später marschierten sie gemeinsam gegen Koguryŏ, das wegen innerer Unruhen und Thronkämpfe geschwächt war. Im darauffolgenden Jahr 668 fiel das nördliche koreanische Reich Koguryŏ, das sich bis dahin durch seine militärische Stärke ausgezeichnet hatte, in ihre Hände. Rund 700 Jahre nach der Entstehung der drei Königreiche war nun die erste Vereinigung der koreanischen Staaten erreicht.
Laut der historischen Überlieferung spielte eine militärisch ausgebildete Gruppe von jungen Männern, die Hwarangdo genannt wurde, bei den Kriegen eine wichtige Rolle. Sie war Mitte des 6. Jahrhunderts unter König Chinhŭng, der eine Expansionspolitik betrieb, gegründet worden und verwandelte sich nach der Vereinigung der Reiche in eine intellektuelle, spirituelle Gruppe.
Hee Seok Park