Koguryŏ
Das Königreich Koguryŏ entstand laut der historischen Chronik Koreas im Jahr 37 v. Chr. aus fünf Stammeseinheiten, die in der Gegend der heutigen Mandschurei siedelten. Koguryŏ entwickelte sich bereits am Ende des 1. Jh. n. Chr. zu einem stabilen Reich, das sein Territorium zu erweitern suchte. Es annektierte die zwei kleineren Stammesstaaten im Nordosten der koreanischen Halbinsel Okchŏ und Tongye und eroberte 313 das Gebiet von Nangnang, in dem sich die chinesische Han-Dynastie nach ihrer Eroberung von Wiman-Chosŏn im Jahr 108 v. Chr. niedergelassen hatte. Damit reichte das Territorium Koguryŏs im 4. Jahrhundert von der Mandschurei bis zur Mitte der koreanischen Halbinsel.
Nach der Gründung des Reiches Koguryŏ wurde in den folgenden zwei Jahrhunderten die Zentralisierung der königlichen Macht durch Reformen und Hierarchisierung des Verwaltungssystems vorangetrieben. Die fünf bisher föderativ organisierten Gebiete wurden in Verwaltungsprovinzen umgewandelt, die in die zentralistische Struktur des Königreiches eingegliedert wurden. Zudem wurde das System der Thronfolge dahingehend geändert, dass nun die direkten Nachkommen der königlichen Familie bevorzugt wurden. Die Einführung des Buddhismus als Staatsreligion im Jahr 372 ermöglichte einerseits eine religiöse, geistige Einheit des Landes, das bis dahin von vielfältigen Naturglauben geprägt war. Andererseits trug sie zur Stärkung der Position des Königs bei, da in der Religion die Ebenbürtigkeit der höchsten Geistlichkeit und des allmächtigen Königs widergespiegelt wurde. Nach chinesischem Vorbild wurde außerdem eine konfuzianische Schule errichtet, die T‘aehak, die zur Erneuerung der gesellschaftlichen Werte beitragen sollte. Durch die verschiedenen Maßnahmen etablierte sich Koguryŏ im ausgehenden 4. Jahrhundert als Königsstaat, der auf einem fundierten politischen und gesellschaftlichen System basierte und dessen Stabilität die Grundlage für die Expansionspolitik im folgenden 5. Jahrhunderts bildete.
Im 5. Jahrhundert begann Koguryŏ unter den zwei starken Königen, Kwanggaet’o (391-413) und Changsu (413-491), mit einer Expansionspolitik. Zunächst sicherte es sich in der südlichen Mandschurei die Herrschaft. Es ist anzunehmen, dass Koguryŏ als das am nördlichsten gelegene koreanische Reich eigentlich eine territoriale Erweiterung nach Süden hin, also auf die koreanische Halbinsel, anstrebte. Deshalb kann es notwendig gewesen sein, zuvor die nördliche Grenze zu sichern, die sich wegen häufiger Konflikte unter den verschiedenen Völkergruppen als instabil erwies. Als dann das im Südosten der koreanischen Halbinsel gelegene Königreich Silla angesichts eines japanischen Angriffes bei Koguryŏ Hilfe erbat, sendete König Kwanggaet’o im Jahr 400 seine Truppen nach Süden. Seitdem nahm Koguryŏ Einfluss auf Silla, das bis dahin noch kein stabiles Herrschaftssystem hatte errichten können.
Die Expansion nach Süden wurde unter König Changsu fortgesetzt. Dieser verlegte die Hauptstadt aus der Mandschurei auf die koreanische Halbinsel in das heutige P‘yŏngyang. Die Verlegung des Königshauses verbesserte die Position Koguryŏs, um in das furchtbare Gebiet im Südwesten der Halbinsel, nämlich in das Königreich Paekche, einzudringen. Paekche hatte bereits im 4. Jahrhundert gegen Koguryŏ gekämpft und im Verlauf der Kampfhandlungen war ein König aus Koguryŏ getötet worden. Dieses Ereignis lieferte nun den Vorwand. Paekche musste sich schließlich dem Angriff Koguryŏs durch Flucht nach Süden entziehen.
Das Königreich Koguryŏ, das Anfang des 6. Jahrhunderts die größte Ausdehnung seines Territoriums erreicht hatte, wurde gegen Mitte des 6. Jahrhunderts durch Kämpfe um die Thronfolge im Innern geschwächt. Dennoch blieb seine militärische Stärke stabil, sodass es sich weiterhin gegenüber den beiden südlichen koreanischen Reichen Paekche und Silla sowie gegenüber den mandschurischen Volksstämmen behaupten konnte. Es war vor allem der eiserne Herrscher Yŏn’gaesomun, der das ausgedehnte Königreich zusammenhielt und darüber hinaus auch gegen Angriffe der chinesischen Sui- (598, 612) und Tang-Dynastie (645) verteidigen konnte.
Als sich China und Silla, das sich inzwischen zu einem stabilen Königstaat entwickelte hatte, im Jahr 667 zum Angriff verbündeten, war Koguryŏ nach dem Tod des eisernen Herrschers in Kämpfe um dessen Nachfolge verwickelt. Das Königreich, das einst der stärkste Staat unter den drei koreanischen Reichen gewesen war, fiel im Jahr 668 in die Hände des kriegerischen Bündnisses. Nach der Niederlage besetzte die Tang-Dynastie das Gebiet von Koguryŏ, u. a. auch die wichtige Gegend um P‘yŏngyang im Norden der koreanischen Halbinsel. Der Fall Koguryŏs hatte zur Folge, dass das Territorium der koreanischen Königreiche von nun an auf das Gebiet der Halbinsel reduziert war.
Hee Seok Park