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Nord-Süd-Staaten

Nachdem Silla und die chinesische Tang-Dynastie gemeinsam die beiden Königreiche Paekche (660) und Koguryŏ (668) erobert hatten, errichtete China in den besetzten Gebieten Kontrollposten. Damit hatte das verbündete koreanische Königreich Silla offensichtlich nicht gerechnet, denn es versuchte daraufhin, koreanische Widerstandsgruppen in den chinesisch kontrollierten Gebieten zu unterstützen. Zwischen Tang und Silla kam es daraufhin zu kriegerischen Auseinandersetzungen um ein Teilgebiet von Koguryŏ, die 676 mit dem Rückzug der Tang-Dynastie in die Gegend der Mandschurei endeten. Silla beherrschte nun die koreanische Halbinsel bis hinauf zum Taedong-Fluss in der Gegend des heutigen Pyŏngyang. Der größte Teil des nördlichen Gebiets des Königreiches Koguryŏ blieb jedoch außerhalb des Territoriums des vereinigten Silla.

Pulguksa - Tempel des “Buddha-Landes” in Kyŏngju (528-751)

Pulguksa - Tempel des “Buddha-Landes” in Kyŏngju (528-751)
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Trotz der Tatsache, dass Silla die Vereinigung nicht aus eigenen Kräften erreicht hatte und auf große Teile des Territoriums Koguryŏs verzichten musste, hat sie in der koreanischen Geschichte eine große Bedeutung: Zum einen wurde hier bereits im 7. Jahrhundert der Grundstein gelegt, auf dem die darauffolgenden Dynastien und die Republiken entstehen konnten. Zum anderen gelang es Silla, die chinesischen Truppen von seinem Territorium zu vertreiben.

Kaum waren die gemeinsamen Eroberungskriege zu Ende gewesen, war offensichtlich geworden, dass der China die Absicht hatte, sowohl die eroberten Gebiete als auch Silla seinem Einflussbereich zu unterstellen bzw. es sogar zu annektieren: Auch in der Hauptstadt Sillas waren chinesische Kontrollposten errichtet worden. Für Silla ging es hierbei um seine Souveränität als Machthaber auf der koreanischen Halbinsel, im Grunde ging es aber um die Existenz eines koreanischen Staates auf der Halbinsel überhaupt. Es ist nicht auszuschließen, dass die koreanische Halbinsel im Lauf der folgenden Jahrhunderte ins chinesische Reich hätte eingegliedert werden können. Schließlich reduzierte sich durch die Vereinigung das koreanische Lebensumfeld auf die Halbinsel. Die mandschurische Region, aus der Kojosŏn und die koreanischen Stammesstaaten entstanden waren, und in der das Königreich Koguryŏ existiert hatte, hatte ab diesem Zeitpunkt kaum noch Bedeutung für die Entwicklung der koreanischen Geschichte.

Landkarte von Parhae

Landkarte von Parhae
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Im „verlorenen“ mandschurischen Gebiet, in dem noch die Menschen des untergegangenen Königreiches Koguryŏ lebten, wurde 698, dreißig Jahre nach der Eroberung durch Silla, ein neues Reich unter dem Namen Parhae gegründet. Es lässt sich vermuten, dass mehrheitlich Flüchtlinge und Nachfahren von Koguryŏ die Herrschaftsschicht dieses nördlichen Reiches bildeten und die dort ansässigen Völker ins Reich integrierten. Aufgrund dieser Entwicklung wird der Zeitraum nach der Vereinigung der drei Königreiche durch Silla bis zur Koryŏ-Dynastie als Zeit der Nord-Süd-Staaten bezeichnet. Im 8. Jahrhundert entwickelte sich Parhae im Gebiet der östlichen Mandschurei, das an Völker wie die Kithan angrenzte, prächtig, da es politische und kulturelle Kontakte mit China wie mit Japan pflegte.

Seit Silla das alleinige Königreich auf der koreanischen Halbinsel geworden war, reformierte es seine politischen und sozialen Strukturen: die Oberschichten aus den ehemaligen Königreichen wurden standesgemäß behandelt und das gewonnene Gebiet wurde unter ein neues Verwaltungssystem gestellt. Es war eine relativ ruhige Zeit im ostasiatischen Raum und Silla entwickelte sich durch rege Kontakte und florierenden Handel mit der chinesischen Tang-Dynastie. Ab dem 8. Jahrhundert nahm es auch mit Japan Kontakte auf. Zudem verkehrten Händler aus arabischen Ländern in Sillas Hauptstadt Kyŏngju. Gelehrte aus Silla besuchten die Tang-Dynastie, lernten chinesische Klassiker und den Konfuzianismus kennen und brachten diese ins Land. Die Hauptstadt Kyŏngju mit seiner auf eine Million geschätzten Einwohnerzahl wurde zum Zentrum einer ökonomischen und kulturellen Entwicklung, wie sie noch nie da gewesen war und deren Spuren man auch heute noch erkennen kann.

Tosolga (760) - Hyanga-Gedicht von Wŏlmyŏngsa aus Silla

Tosolga (760) - Hyanga-Gedicht von Wŏlmyŏngsa aus Silla
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Am Ende des 8. Jahrhunderts war die Blütezeit des großen Silla jedoch vorbei. Der Grund dafür waren vor allem Kämpfe der Herrschaftsschicht um den Thron. Das Kolp’um-System, durch das seit der Mitte des 6. Jahrhunderts die Trennung der politischen Ränge nach familiärer Herkunft strikt geregelt worden war, begann durch die Kämpfe innerhalb der königlichen Familie zu bröckeln. Zudem stiegen die Gelehrten, die meist in China studiert hatten, innerhalb der Machtstruktur auf und versuchten, sich über die politische Begrenzung des Kolp’um-Systems hinwegzusetzen. Die Unruhen im Zentrum hatten zur Folge, dass in den Provinzen immer mehr lokale Machthaber, Hojok, entstanden, die sich allmählich vom Einfluss des königlichen Zentrums entfernten. Sie beherrschten ihre Regionen mit Arbeits- und Steuersystemen für „ihre“ Bauern und verfügten über eigene Armeen. Die Entwicklung in den Provinzen führte schließlich dazu, dass Silla am Beginn des 10. Jahrhunderts wieder in drei Reiche zerfiel: Späteres Paekche (900) im Südwesten der koreanischen Halbinsel, Späteres Koguryŏ (901) im Norden und Silla, das nun im Südosten nur noch als ein kleines Restreich existierte. Diese Entwicklung wird in der koreanischen Geschichte als die Zeit der ‚Späteren Drei-Königreiche‘ bezeichnet. Aus dem Späteren Koguryŏ wurde 918 unter Wang Kŏn das Königreich Koryŏ, das sich nach seiner Vereinigung der Königreiche im Jahr 936 zu der ersten koreanischen Dynastie Koryŏ entwickelte. Zehn Jahre zuvor, 926, war bereits das Königreich Parhae im Norden durch die Kithan erobert worden. Die historische Periode der ‚Nord-Süd-Staaten‘ war zu Ende.

 

Hee Seok Park