Emmy-Noether-Nachwuchsgruppen
Der Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften ist in besonderem Maße Stolz auf seine erfolgreichen Nachwuchswissenschaftler, u.a. auch im Bereich der Emmy-Noether-Nachwuchsgruppen. Das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft möchte jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbständigkeit eröffnen. Promovierte Forscherinnen und Forscher erwerben durch eine in der Regel fünfjährige Förderung die Befähigung zum Hochschullehrer durch die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe.
Bislang haben sich am Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften die folgenden Nachwuchsgruppen angesiedelt:
Die Muster der Wissensverbreitung: Überlieferung und Rezeption jüdischer Esoterik in Handschrift und Druck im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa
Während die Wissenschaft in jüngster Zeit dem Einfluss jüdischer Magie auf das westeuropäische Denken im Mittelalter und in der Renaissance große Aufmerksamkeit schenkt, bleibt das Spektrum jüdischen Magieglaubens und jüdischer Magiepraxis in Bezug auf Ost- und Ostmitteleuropa weitgehend ununtersucht.
Das aktuelle Projekt zielt darauf ab, die bisher in der Forschung vorherrschenden Vorstellungen in Frage zu stellen und den Schwerpunkt auf den Austausch esoterischen Wissens und damit verbundener Praktiken unter Juden in der Frühneuzeit zu legen, und zwar speziell mit Bezug auf magische Traditionen, die besonders häufig Gegenstand gegenseitiger kultureller Befruchtung waren. Dieses Phänomen wird von einem großen Korpus an handschriftlichen und gedruckten Dokumenten in Hebräisch, Jiddisch, Polnisch, Ruthenisch und Latein belegt. Das Forschungsprojekt erforscht diesen literarischen Korpus und ordnet ihn in den größeren Kontext der frühneuzeitlichen Geistesgeschichte ein.Das Projekt wird in die erste umfassende Studie der Verbreitung mystischer und magischer Traditionen des Judentums im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa münden.
Kontakt: Agata Paluch, Institut für Judaistik, Freie Universität Berlin
Kosmos/Ornatus. Ornamente als Erkenntnisformen - Persien und Frankreich um 1400 im Vergleich
Projekt abgeschlossen
Die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe hat das Ziel, im Vergleich einer islamischen und einer christlichen Bildkultur - der persischen und französischen - zu untersuchen, welche Funktion Ornamente haben können. Dabei verfolgt sie die These, dass in beiden Fällen ein einfacher Schmuck-Begriff zu kurz greift, sondern Ornamente vielmehr entsprechend dem griechischen Begriff des "Kosmos" zugleich als Darstellung von Ordnung anzusehen sind. Als solche können sie in diesen Kontexten als ein Modus fungieren, eine göttliche Ordnungsinstanz zu erkennen geben, ohne sie abzubilden.
Der Vergleich zweier Rezeptionslinien dieses Konzepts in den beiden größten monotheistischen Religionen erlaubt es, Gemeinsamkeiten sowie religions- und kulturspezifische Differenzen in der Funktion von Ornamenten als Formen der Welt- und Gotteserkenntnis zu bestimmen.
Kontakt: Vera Beyer, Kunsthistorisches Institut, Freie Universität Berlin
Die Zukunft in den Sternen: Europäischer Astrofuturismus und außerirdisches Leben im 20. Jahrhundert
Projekt abgeschlossen
Wie haben sich europäische Vorstellungen von Kosmos und außerirdischem Leben parallel zu der voranschreitenden Erschließung des Weltraums verändert? Dieses Forschungsprojekt fragt, wie sich der so genannte Astrofuturismus seit der Etablierung der internationalen Weltraumbewegung Ende der 1920er Jahre zu einem Kernbestandteil westlicher Modernität entwickelt hat. Lassen sich dezidiert ‚europäische’ Weltraumimaginationen auch nach dem Zweiten Weltkrieg nachweisen? Wie ist das europäische Paradoxon von umfassender Weltraumbegeisterung bei jahrzehntelanger Raumfahrtabstinenz zu erklären? Und warum verlor die Vorstellung einer unmittelbar bevorstehenden Zukunft in den Sternen ab Mitte der 1970er Jahre an Bedeutung?
In einem kombiniert transdisziplinären und transnationalen Zugriff trägt die Arbeit dieser Emmy Noether-Gruppe dazu bei, ein in Europa bislang nur in bescheidenen Ansätzen existierendes historiographisches Feld zu entwickeln. Damit wird über die Analyse von Verwissenschaftlichungsprozessen an virulente Debatten um die Neubestimmung einer genuin europäischen Zeitgeschichte angeschlossen und ein origineller Beitrag zur Historisierung der Wissensgesellschaft geleistet.
Kontakt: Alexander C.T. Geppert, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
LiVES. Lebensbedingungen und biologischer Lebensstandard in der Vorgeschichte Südwestasiens und Europas
Nur bei optimaler Nettoernährung kann ein Individuum seine genetisch festgelegte Körperhöhe auch erreichen. Nettoernährung stellt den Teil der Ernährung dar, der dem Körper zum Aufbau und Erhalt von Körpermasse zur Verfügung steht, nachdem alle Faktoren, die die aufgenommene Energie wieder verbrauchen, abgezogen wurden. Hierzu gehören körperliche Aktivität, die Notwendigkeit, den Körper warm zu halten, oder die Bekämpfung von Krankheiten. Da das Wachstum beim Menschen spätestens mit dem Verschluß der letzten Epiphysenfugen mit ca. Anfang 20 endet, spiegelt die erreichte Körperhöhe die Ernährungssituation während der Kindheit und Jugend wider.
Dem Eiweißanteil der Nahrung kommt beim Aufbau von Geweben besondere Bedeutung zu. Die Ursachen der seit der Industrialisierung in den westlichen Industrienationen beobachteten steigenden Durchschnittsgröße dürften daher v. a. in der verbesserten Eiweiß(netto)versorgung zu suchen sein. Dies ist ein Beispiel dafür, wie ausreichend große Stichproben von Körperhöhendaten unter der Bezeichnung „bio-logischer Lebensstandard“ in den Wirtschaftswissenschaften seit den Arbeiten von John Komlos in den 1980er Jahren als Ergänzung oder Ersatz von Wirtschafts- und Wohlstandsindikatoren wie Bruttosozialprodukt etc. verwendet werden.
Ziel der ab September 2011 aus zunächst zwei Doktoranden, einem Statistiker, zwei studentischen Hilfskräften und der Leiterin bestehenden und von der DFG geförderten Nachwuchsgruppe ist die Übertragung dieses Ansatzes in die Prähistorische Archäologie.
Kontakt: Eva Rosenstock, Institut für Präshistorische Archäologie, Freie Universität Berlin
Mythische Literaturwerke der altbabylonischen Zeit als wissenspraktische Artefakte – sowie die Frage nach einer “Philosophy before the Greeks”
Mythische Literaturwerke aus dem antiken Babylonien gehören zu den ältesten Vertretern der Weltliteratur. Es handelt sich bei diesen Kompositionen jedoch nicht nur um spannende Göttergeschichten, sondern auch um komplexe Auseinandersetzungen mit der Welt der Erfahrungsgegenstände. Die Nachwuchsforschungsgruppe untersucht die Natur der Wissenspraktiken und -diskurse, die sich in den mythischen Epen und Hymnen des frühen 2. Jt. v. Chr. andeuten. Durch die digital unterstützte Analyse von Lexemen, Phrasen und Erzählstoffen werden intellektuelle Konzepte herausgearbeitet. Auf welche Fragen antworten diese und wie reagieren andere Autoren auf die entwickelten Ideen? – hierauf liegt ein besonderes Augenmerk. Durch den gewählten Forschungsfokus werden schließlich Wissenspraktiken greifbar, die sich sowohl mit den mythischen Literaturwerken beschäftigen als auch diese in Gestalt von Textkomposition und -redaktion hervorbringen.
Kontakt: Gösta Ingvar Gabriel, Institut für Altorientalistik, Freie Universität Berlin