Chosŏn-Dynastie (Teil 2)
(1650-1800): Neuzeitlicher Wandel der Dynastie
Nach den zwei Kriegen auf der koreanischen Halbinsel folgte eine Periode der relativen Ruhe: In China übernahm die Qing-Dynastie der Mandschus die Macht und Japan begann in der Edo-Zeit, sich zunehmend von der Außenwelt zu isolieren. In Korea versuchte die Regierung durch Steuerreformen, die Belastung des Volkes zu reduzieren, das durch die Kriege in völlige Armut geraten war. Die staatlichen Bemühungen zur Stabilisierung des Landes führten jedoch erst im 18. Jahrhundert zum Erfolg, als zwischen 1724 und 1800 zwei Könige das Land entschlossen regierten. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt dem Pungdang-System, der Parteienbildung der Beamten, gegen deren negative Folgen sie vorgingen. In der Folge kamen neue Gelehrte an den Königshof und König Chŏngjo (1776-1800) ließ am Hof ein wissenschaftliches Institut mit einer Bibliothek namens Kyujanggak errichten.
Neue landwirtschaftliche Techniken sowie ökonomische Reformen, die anders als früher gewinnbringende Produkte förderten, brachten an mehreren Orten eine Art von Manufakturwerkstätten hervor, deren Produkte zum Teil bis zur heutigen Zeit einen Namen haben, wie z. B. Keramik aus Ansŏng, koreanisches Papier aus Naju und Bambusprodukte aus Tamnyang. Durch diese wirtschaftliche Entwicklung veränderte sich die Struktur der Gesellschaft. Die Schicht der Händler wuchs schnell, und immer mehr wohlhabende Familien konnten ihren Kindern bessere Bildungsmöglichkeiten eröffnen. Daraus entwickelte sich eine neue soziale Schicht, die als Chungin bezeichnet wurde. Gut ausgebildet waren sie diejenigen, die neue Kulturen, darunter auch die europäische, in Korea bekannt machten.
Auch in der Wissenschaft der konfuzianischen Gelehrten kam es zu einem revolutionären Paradigmenwandel. Unter dem Einfluss neuer Techniken und Ideen aus Europa wurde die traditionelle konfuzianische Bildung einer radikalen Kritik unterzogen, aus der eine neue praktische, lebensnahe Wissenschaft, Sirhak, hervorging. Diese geistige Wende der Gelehrten ist vor allem darauf zurückzuführen, dass nach den zweimaligen Angriffen von Außen politische und gesellschaftliche Reformen der Dynastie gefordert wurden. Konfuzianische Gelehrte, die bei politischen Entscheidungen keine bedeutende Rolle spielten, übten an der herrschenden neokonfuzianischen Lehre, die ihrer Meinung nach verschlossen war und nur noch der Staatsprüfung diente, Kritik und versuchten, das Leben der Bauern zu verbessern, dem sie bis dahin keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Daraus entstand zunächst eine Vielzahl landwirtschaftlicher Reformvorschläge, wie z. B. eine Abschaffung des Pachthofes, eine gleiche Verteilung des Ackerbodens für alle Stände sowie eine Art Gemeinschaftsproduktion in der Landwirtschaft. Darüber hinaus entwickelte sich später auch eine Reform für den Handel, dem nun große Bedeutung zugeschrieben wurde.
Auch im geistigen Bereich trat eine Erweiterung des Horizonts ein. Durch den Einfluss des Katholizismus beschäftigten sich die Gelehrten mit dem Christentum, aber auch gleichzeitig mit den traditionellen Sitten und Glaubensinhalten. Bereits der erste Sirhak-Gelehrte Yi Su-kwang stellte in seinem Buch Chibong yusŏl (1614) neben der koreanischen und chinesischen Kultur auch Kulturen aus Europa und der islamischen Welt vor. Chŏng Ya-gyong (1762-1836) fasste die Ideen der Sirhak in drei Büchern zusammen, dem Kyŏngse yup’o, Mongmin simsŏ und Hŭmhŭm sinsŏ.
In dieser Zeit der politischen, ökonomischen und geistigen Erneuerung kam Korea mit einer neuen seelischen Welt in Berührung: Koreanische Gelehrte brachten den Katholizismus aus der Hauptstadt der Qing-Dynastie nach Korea. Im Jahr 1601 wurden zum ersten Mal Bücher über die fremde Religion eingeführt, die die Sirhak-Gelehrten nun im Vergleich zum Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus diskutierten. Der Katholizismus wurde zunächst als Wissenschaft betrachtet und daher Sŏhak, westliche Wissenschaft, genannt. Im 18. Jahrhundert nahm diese Wissenschaft allmählich religiöse Formen an, wobei der westliche ‚Gott‘ und der östliche ‚Himmel‘ in vergleichender Weise dargestellt wurden.
Nachdem sich 1784 der erste Koreaner, Yi Sŭng-hun, in Beijing hatte taufen lassen, wuchs die katholische Gemeinde rasant an. Da sie noch keinen Priester hatte, wurden sakrale Aufgaben von den Gläubigen selbst wahrgenommen. Auf diese nicht von Rom legitimierte Weise entstand im 18. Jahrhundert die koreanische katholische Kirche, die erst 1845 ihren ersten ordentlichen Priester bekommen sollte. Die Zunahme der Katholiken wurde bald als eine Gefahr für die Ordnung der Gesellschaft angesehen und führte dazu, dass ab 1791 das Bekenntnis zum christlichen Glauben mit der Todesstrafe geahndet wurde. Entscheidend hierfür war die Ablehnung der Ahnenverehrung, ein in der damaligen streng konfuzianischen Gesellschaft kaum vorstellbarer Akt. Im Zusammenhang mit dem Vordringen weiterer westlicher Einflüsse führte diese Weigerung am Beginn des 19. Jahrhunderts zur Verfolgung der Katholiken in Korea.
Hee Seok Park