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Chosŏn-Dynastie (Teil 1)

Hunmin chŏngŭm (1446) - Text, in dem die koreanische Schrift vorgestellt wird

Hunmin chŏngŭm (1446) - Text, in dem die koreanische Schrift vorgestellt wird
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

(1392-1650): Entstehung einer konfuzianischen Dynastie

Die Gründung der Chosŏn-Dynastie im ausgehenden 14. Jahrhundert unterschied sich sowohl politisch wie auch kulturell von den Gründungen der vorangegangenen Königreiche. Erstens zeichnete sie sich durch einen internen Wechsel aus. Anders als bei der Koryŏ-Dynastie, die aus drei Königreichen hervorgegangen war, war Chosŏn die Folge einer friedlichen Erneuerung der alten geschwächten Koryŏ-Dynastie. Dabei nahm, zweitens, der Einfluss des Militärs zu, zu dem auch der Dynastie-Gründer Yi Sŏng-gye gehörte. Das hatte zur Folge, dass das politische System der neuen Dynastie auf zwei Säulen, Yangban, ruhte: den Bildungs- und den Militärbeamten. Drittens besann sich die neue Dynastie mit der Bezeichnung Chosŏn auf den ersten koreanischen Staat Alt-Chosŏn, während sich das vorherige Koryŏ als Nachfolger des alten Königreichs Koguryŏ verstanden hatte. Kulturell strebte die neue Dynastie eine gesellschaftliche Umformung ausschließlich nach der konfuzianischen Lehre an, bis sie schließlich als konfuzianische Gesellschaft bezeichnet werden konnte.

Im ersten Jahrhundert nach der Gründung der Dynastie (1391-1494) wurden verschiedene politische, soziale und kulturelle Maßnahmen ergriffen. Zunächst verlegte der Gründer der Dynastie Yi Sŏng-gye 1395 die Hauptstadt mit dem Königshaus nach Hanyang, in das heutige Seoul, weil dieses nach geomantischen Prinzipien, P’ungsu chiri, als der geeignetste Ort dafür erschien. Der erste König der Dynastie beauftragte seinen Vertrauten Chŏng To-jŏn mit der Ausarbeitung verschiedener die Reformen, die u. a. ein neues Bodengesetz, den Ausbau des Militärs (im Hinblick auf die von der neuen Regierung verfolgte Nordpolitik) und die Förderung des Konfuzianismus beinhalteten. Der Buddhismus wurde hingegen konsequent unterdrückt und schließlich forderte der dritte König T’aejong (1400-1418) sogar den Grundbesitz der buddhistischen Klöster ein.

In seiner Regierungszeit wurde außerdem mit Bevölkerungsumsiedlungen begonnen, um den Einfluss der neuen Dynastie auf die mandschurische Region auszuweiten. Unter König Sejong (1418-1450) wurden diese Maßnahmen abgeschlossen, indem zehn Posten in Grenzgebieten, in denen es Konflikte mit den Jurchen gab, errichtet wurden. Seit dieser Zeit bildet die damalige Grenze zu den Gebieten der chinesischen Ming-Dynastie und denen der nördlichen Völker die koreanische Landesgrenze. Sie ist heute die Staatsgrenze zwischen Nordkorea, China und Russland.

Unter den folgenden Königen wurde die Festigung der neuen Dynastie (u. a. durch ein weiteres Bodengesetz und die Veröffentlichung einer Gesetzesverfassung) weiter vorangetrieben. Wichtig ist vor allem ein kultureller Höhepunkt: Die Schaffung der koreanischen Schrift. Im Jahr 1446 gab König Sejong das koreanische Alphabet Hunmin chŏngŭm bekannt, das seine Gelehrten unter Berücksichtigung der Formung der Sprechorgane und der Klangfarben der Laute des Koreanischen geschaffen hatten. Bis dahin hatten die Gelehrten entweder in der Fremdsprache Chinesisch geschrieben oder sie hatten vom Chinesischen abgeleitete Schreibsysteme verwendet, um die koreanische Sprache niederzuschreiben. Die neue  koreanische Schrift Han’gŭl benutzte man nun für das Abfassung literarischer Texte, für die Übersetzung konfuzianischer und buddhistischer Texte aus dem Chinesischen und für offizielle Bekanntmachungen.

Tosan sŏwŏn (1576) - Konfuzianische Schule in Andong

Tosan sŏwŏn (1576) - Konfuzianische Schule in Andong
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Die Phase der Stabilität ging im ausgehenden 15. Jahrhundert zu Ende. Dazu trugen politische und soziale Faktoren bei. Im Laufe des ersten Jahrhunderts hatte der Bodenbesitz in den Händen von Beamten stark zugenommen, denen er als zusätzliche Einkommensquelle diente. Sie erlegten den Bauern auf ihren Ländereien neben den drei regulären Abgaben und Pflichten, der Ackerbodensteuer, der Abgabe von Sonderprodukten und dem Militärdienst, immer mehr Sondersteuern auf. Diese Belastung führte schließlich im 16. Jahrhundert zu großen Unruhen und Rebellionen der verarmten Bauern im ganzen Land.

Der zweite, politische Grund für die Instabilität des Landes betraf zum einen Auseinandersetzungen zwischen älteren und neuen Hofbeamten und zum anderen die Parteienbildung innerhalb der hohen Beamtenschaft. Die neuen Hofbeamten, Sarim, die Ende des 15. Jahrhunderts zur Stärkung der konfuzianischen politischen Ordnung aus den Provinzen an den Königshof geholt wurden, begannen sogleich, Reformen durchzuführen, von denen insbesondere die älteren hohen Beamten betroffen waren. Daraus entstanden Spannungen, die sich Anfang des 16. Jahrhunderts in mehreren blutigen Zusammenstößen, Sahwa, entluden. Die Sarim zogen sich daraufhin von der Politik zurückzogen und widmeten sich fortan in ihrer Heimat der Bildung und Ausbildung. Aus diesen Aktivitäten entstanden immer mehr private konfuzianische Schulen, Sowŏn, die zu wichtigen Bildungs- und Aufklärungsstätten wurden.

Pusanjin sunjŏldo - Bild des japanischen Angriffs auf Pusan im April 1592

Pusanjin sunjŏldo - Bild des japanischen Angriffs auf Pusan im April 1592
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Ein halbes Jahrhundert später, in der Mitte des 16. Jahrhunderts, bildete sich am Königshof unter den konfuzianischen Hofbeamten eine Art Parteisystem, Pungdang. Bei dieser Fraktionsbildung standen die beiden Faktoren der regionalen Herkunft und der konfuzianischen Weltanschauung im Mittelpunkt. Das Pungdang-System prägte noch bis ins ausgehende 18. Jahrhundert die politische Entwicklung der Chosŏn-Dynastie. Eine negative Folge des Pungdang-Systems zeigte sich z. B. in der Vorbereitung auf den Angriff Japans im Jahr 1592 (Imjin waeran), der erst 1598 zu Ende ging und in Korea schwere Verwüstung anrichtete. Als sich erste Anzeichen eines bevorstehenden Überfalls mehrten, konnten die beiden einflussreichen Parteien zu keiner Einigung finden, wie die Dynastie reagieren bzw. sich vorbereiten sollte. Schließlich konnte der Krieg nur mit der militärischen Unterstützung der chinesischen Ming-Dynastie beendet werden und Chosŏn erlitt erhebliche menschliche, ökonomische und kulturelle Verluste.

Bald darauf war das Land wieder massiven Angriffen ausgesetzt, die diesmal von den Mandschus im Norden ausgingen. Die Mandschus hatten 1616 ihr Volk als Späteres Chin vereinigt, aus dem nach der Niederlage der Ming-Dynastie die chinesische Qing-Dynastie (1636-1911) hervorging. Bevor sie China endgültig vereinnahmten, hatte das Spätere Chin aus strategischen Gründen auch die Chosŏn-Dynastie angegriffen (Horan). Chosŏn versuchte sich zwar hartnäckig aber vergeblich zu verteidigen, sodass die Koreaner 1636 alle Forderungen der Mandschus akzeptieren mussten: Die Chosŏn-Dynastie musste in einem Vertrag die Stellung als Untertan gegenüber der Qing-Dynastie anerkennen und u. a. Tributzahlungen leisten. Diese Niederlage hatte für die Chosŏn-Dynastie aber auch positive Effekte: Ruhe und Frieden traten ein und ermöglichten eine politische, ökonomische und insbesondere auch geistige Entwicklung, die die Gesellschaft veränderte.

 

Hee Seok Park