Chinesisch-Sprachunterricht in chinawissenschaftlichen Studiengängen im deutschsprachigen Raum 2020
Zita Fuxjäger, Vincent Burckhardt
Fachverband Chinesisch, Deutsche Gesellschaft für Asienkunde (Small Grants Program)
Das öffentliche und politische Interesse am Ausbau der Chinakompetenz in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 2015 veröffentlichte das BMBF die China-Strategie des BMBF 2015–2020 und erklärte: „Grundlegend für die zukünftige Zusammenarbeit Deutschlands mit China in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation ist der quantitative und qualitative Ausbau von China-Kompetenz in Deutschland“ (BMBF 2015, S. 40). In der im November 2016 erschienenen Bekanntmachung der Richtlinie zur Förderung von „Innovativen Konzepten zum Ausbau der China-Kompetenz an deutschen Hochschulen“ bekräftigte das BMBF wiederum, dass neben auf China bezogenen Fachkenntnissen und einem Basiswissen zu Wirtschaft, Politik, moderner Geschichte und Gesellschaft auch die fremdsprachliche Kompetenz ein wichtiger Bestandteil davon sei (vgl. BMBF 2016). In diesem Zuge entstanden nicht nur zahlreiche Förderprogramme, auch Studien zur Feststellung der Chinakompetenz in Deutschland wurden in Auftrag gegeben. Besondere Aufmerksamkeit erlangte dabei die 2018 herausgegebene MERICS-Analyse CHINA KENNEN, CHINA KÖNNEN, welche auch über ein Fachpublikum hinaus wahrgenommen wurde und deren Aussagen breit in den Medien (z.B. Spiegel, FAZ) diskutiert wurden. Ein zentrales Ergebnis der Analyse war die Feststellung, dass Deutschland in Hinblick auf den Chinesisch-Sprachunterricht an Schulen hinter Ländern wie Frankreich und England weit zurückliegt. Auch hinsichtlich des Chinesisch-Sprachunterrichts an Hochschulen konnten größere Probleme und Herausforderungen festgestellt werden, da nur wenige deutsche Studierende ein Sprachniveau erreichten, mit dem sie sich in China fließend verständigen und auch komplizierte Texte verstehen können (vgl. Stepan et. al. 2018, S. 41 ff. und 53). Vor diesem Hintergrund steht Chinesisch-Sprachunterricht auch an chinawissenschaftlichen Instituten, die nach wie vor die einzigen Orte darstellen, an denen Chinesisch auch auf Mittelstufenniveau fundiert vermittelt wird, mehr denn je auch im öffentlichen wie politischen Interesse.
Im Zeitraum März bis Juli 2020 wurde am Lehrstuhl für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Literatur Chinas der Freien Universität Berlin mit Unterstützung des Fachverbands Chinesisch e.V. eine Erhebung zum Chinesisch-Sprachunterricht in BA- und MA-Studiengängen an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz konzipiert und bereits durchgeführt. Diese Datensammlung hat mit über 100 Frage-Items zum Ziel, Informationen u.a. über den Umfang des Unterrichts, die Art der angebotenen Studiengänge, die Anzahl der Studierenden, die Anzahl und den Hintergrund der Lehrkräfte sowie vor allem auch Informationen über die Schwerpunktsetzung hinsichtlich der sprachlichen Kompetenzen, den erwarteten Zielkompetenzen und Workload-Umfängen in Relation zum Umfang des Sprachlehrangebots an den erfassten Standorten in allen chinaspezifischen BA- und MA-Studiengängen im deutschsprachigen Raum zu sammeln.
Die Studie gibt dabei nicht nur Aufschluss über die aktuelle Situation des Chinesisch-Sprachunterrichts an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern bildet auch die Entwicklung im Chinesisch-Sprachunterricht an Hochschulen in den letzten Jahren ab, denn die Erhebung schließt an eine Reihe von Untersuchungen aus der Vergangenheit an (Kupfer 2004, Bermann / Guder 2010, Klöter 2016). Ein Ergebnis dieser Erhebungen war, dass hinsichtlich Anforderungen, Workload und Lernzielen von akademischem Chinesisch-Sprachunterricht an den einzelnen Instituten sehr unterschiedliche Standards bestehen. Einen einheitlichen Standard der Bedingungen des Chinesisch-Sprachunterrichts an Hochschulen kann und will die hier vorgestellte Untersuchung zwar weder initiieren noch definieren, sie stellt als Referenz jedoch eine Basis dar, auf welcher sich über die zukünftige Gestaltung von Chinesisch-Sprachunterricht an deutschsprachigen Hochschulen überregional diskutieren lässt.
In ihrer Methodik ist die Datensammlung der aktuellen Erhebung an diese vorangegangen Studien angelehnt. Sie ist in erster Linie quantitativ und dient nicht dazu, Qualitätsurteile über einzelne Standorte zu fällen. Die Zahlen sollen hingegen als Referenzwerte gelten und einerseits eine Vergleichsbasis schaffen, die zum einen bei der Konzeption von Chinesisch-Sprachunterricht an Hochschulen und insbesondere bei der Formulierung von realistischen Lernzielen vor dem Hintergrund vorhandener Ressourcen von Nutzen ist, aber auch die Problematiken einer Sprachausbildung Chinesisch im Korsett dreijähriger Studiengänge unterstreichen wird. Im Vergleich zu den vergangenen Erhebungen, die vor allem die Situation in BA-Studiengängen in den Blick nahmen, wurden diesmal zudem auch verstärkt Angaben aus Masterstudiengängen berücksichtigt, um so die Gesamtsituation an deutschsprachigen Hochschulen widerspiegeln zu können. Ebenso wurden in diesem Jahr auch offene Fragen zu Problemen und Herausforderungen an den verschiedenen Standorten gestellt, sodass sich über eine rein quantitative Betrachtung der Situation hinaus auch die Möglichkeit bietet, weitere Problemstellungen einzelner Hochschulen zu berücksichtigen und gegebenenfalls miteinander in Bezug zu setzen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie spielten dabei in zahlreichen Rückmeldungen auch digitale Formate des Unterrichts eine zentrale Rolle, und es wird erwartet, mit der Auswertung der Daten auch Erkenntnisse über die Herausforderungen, die die Digitalisierung an den Sprachunterricht stellt, zu gewinnen. Nicht zuletzt steht und fällt der Erfolg einer chinawissenschaftlichen Ausbildung mit Umfang und Ausgestaltung der jeweiligen Sprachausbildung Chinesisch (modern und vormodern), deren Professionalität daher im zentralen Interesse der Chinaforschung liegt.
Themen der Studie:
- Art und Anzahl der Studiengänge mit Anteilen von Chinesisch-Sprachunterricht im BA- und MA-Bereich
- Anzahl der Studierenden in Studiengängen mit Anteilen von Chinesisch-Sprachunterricht im BA- und MA-Bereich
- Regelstudienzeit der Studiengänge / Anzahl der ECTS Punkte
- Umfang der Sprachausbildung (ECTS und Kontaktstunden)
- Kursgrößen
- Anzahl, Hintergrund, Anstellungsart und -umfang der Lehrkräfte für den Chinesisch-Sprachunterreicht
- Kompetenzanforderungen bzgl. mündlicher Kommunikation, Lesekompetenz, Übersetzungskompetenz sowie Hand- und Digitalschrift
- Angebot an themenspezifischen Sprachkursen (z.B. Zeitungslektüre, Konversation, Hörverstehen oder ähnliches)
- Art und Anforderungen von Prüfungen sowie Erfordernis / ggf. Kompetenzstufen von standardisierten Sprachprüfungen (HSK, TOCFL etc.) im Rahmen der Studiengänge
- Lehrwerke für den Unterricht im Bereich Modernes Chinesisch
- Umgang mit Kurz- und Langzeichen
- Angebote im Bereich Klassisches/Vormodernes Chinesisch und Angaben zu Form, Umfang und Lehrwerken
- Digitale Angebote in den Bereichen Unterricht, Hausaufgaben, Prüfungen und e-Learning-Plattformen
- Erfordernis, Verankerung und Umfang von Auslandsaufenthalten
- Veränderungen in der Sprachausbildung in den letzten Jahren
- Probleme und Herausforderungen des Chinesisch-Sprachunterrichts
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie ist 2021 in der Zeitschrift „CHUN / Chinesischunterricht“ sowie im Journal ASIEN der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde erschienen.
Publikationen:
Guder, Andreas (2021) Chinesisch studieren: Ergebnisse einer Erhebung zu Ausstattung, Lehrzielen und Umfang von Sprachunterricht in chinawissenschaftlichen Bachelor- und Master-Studiengängen. In: ASIEN 158/159, 177–201.
https://hasp.ub.uni-heidelberg.de/journals/asien/issue/view/983
Guder, Andreas / Burckhardt, Vincent (2021) Chinesisch sprechen, schreiben, forschen? Ergebnisse einer Erhebung zum Chinesischunterricht in chinawissenschaftlichen Bachelor- und Masterstudiengängen. In: CHUN / Chinesischunterricht 36/2021, 7-39.