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I. 5. Sant'Apollinare in Classe (A. K.)

 

Sant’Apollinare in Classe verdankt seine Errichtung der wachsenden Bedeutung der ravennatischen Kirche nach der Rückeroberung durch den oströmischen Feldherrn Belisar. Die Basilika wurde vermutlich kurz nach 540, also nach der byzantinischen Eroberung, begonnen, unter Erzbischof Maximianus fertig gestellt und am 9. Mai 549 dem hl. Apollinaris geweiht, welcher der erste Bischof Ravennas gewesen war. Der Leichnam des Heiligen, bis dahin im angrenzenden Friedhof bestattet, wurde zunächst in die Kirche überführt, im 9. Jahrhundert allerdings aus Sicherheitsgründen in die Stadt Ravenna nach Sant’Apollinare Nuovo gebracht.

Sant’Apollinare ist eine klassische Basilika mit drei von Bögen auf Säulen geteilten Schiffen und Giebelbedachung. Außerdem gehörte zu der Anlage ein Narthex mit weiten Triforien an der Fassade, flankiert von zwei Nebenbauten in Form von zweigeschossigen Türmen, von denen nur noch der linke erhalten ist. Die Rückseite der Basilika bilden eine großen, in sieben Seiten gegliederte Apsis und zwei kleine quadratische Nebenbauten am Ende der Seitenschiffe, welche jeweils eine kleine fünfseitige Apsis besitzen. Der Campanile wurde wohl erst am Ende des 10. Jahrhunderts hinzugefügt; er gilt als einer der schönsten in Ravenna.

Die Mosaikdekoration im Inneren, in verschiedenen Phasen zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert angefertigt, konzentriert sich auf den presbyterialen Bereich und wird beherrscht von einem zentralen Kreuz und der Figur des hl. Apollinaris (→ Bild: Triumphbogen und Mosaik der Apsiskalotte). Vor allem das Bild des Heiligen im Zentrum der Apsisdekoration hat wahrscheinlich nicht nur religiöse, sondern auch politisch-propagandistische Bedeutung. Die Apollinaris-Darstellung geht wohl auf den Wunsch des Erzbischofs Maximianus und somit auch Kaiser Justinians zurück und ist vor dem Hintergrund des Streites von Maximianus mit Rom zu sehen. Einerseits bezeugte die Figur des hl. Apollinaris die Überführung seiner Reliquien in die Basilika, andererseits sollte sie das Ansehen des Erzbischofs von Ravenna hervorheben und ihn einem Patriarchen oder dem Papst gleichstellen. Erhärtet wird diese Interpretation durch die Entdeckung, dass anstelle des provokativ platzierten Apollinaris zuvor ein von Vögeln flankiertes Kreuz gezeigt worden sein dürfte, das auf Geheiß von Maximianus ersetzt wurde. Außerdem war die Basilika, wie in Rom St. Peter, als Begräbniskirche gedacht und wurde mindestens bis zum 8. Jahrhundert auch als solche genutzt.

Ein anderes Mosaik im linken Bildfeld des unteren seitlichen Teiles der Apsis stellt ein weiteres Zeugnis für die wachsende Bedeutung der ravennatischen Kirche und einen ihrer wichtigsten historischen Momente dar. Gezeigt wird die Übergabe des kaiserlichen Privilegs des Jahres 666, welches durch Erzbischof Maurus von Kaiser Konstans II. erwirkt und von dessen Söhnen Konstantin IV. Pogonatos, Heraklios und Tiberios an den von Maurus nach Syrakus geschickten Archidiakon Reparatus, Nachfolger des Maurus, überreicht wurde (→ Bild: Darstellung der Übergabe des Privilegs). Dieses Ereignis bedeutete zwar die (vorübergehende) Befreiung der ravennatischen Kirche von der Oberhoheit des römischen Bischofs, wie auch Agnellus in seiner Geschichte hervorhob, brachte sie allerdings auch in stärkere byzantinische Abhängigkeit.

 

S. Apollinare in Classe: Triumphbogen und Mosaik der Apsiskalotte - Bild: André Fischer

 

Darstellung der Übergabe des kaiserlichen Privilegs des Jahres 666 an den Archidiakon Reparatus (im Chor von Sant'Apollinare in Classe)

 

I. Ravenna (Übersicht):

I. 1. Überblick

I. 2. Das römische Ravenna

I. 3. Sant'Apollinare Nuovo

I. 4. Das Theoderich-Mausoleum

I. 5. Die Basilika Sant'Apollinare in Classe

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