The Recitation of Holy Texts: Processes of Exchange in the Iranian-Mesopotamian Region. A Jewish, Christian, Mandaean and Muslim Legacy under Threat
Project Lead: Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Dr. Ulrike-Rebekka Nieten
DFG https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/449715975
Projektleitung: Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Dr. Ulrike-Rebekka Nieten
1) „Das Erbe der jüdischen Tradition im iranisch-mesopotamischen Bereich: Vorgänge eines Rezeptionsprozesses anhand ostsyrischer und mandäischer Rezitationen und Hymnen“ (Dr. Ulrike-Rebekka Nieten)
2) „Die iranische und irakische Koranrezitation: Wechselwirkungen mit ostsyrischen und mandäischen Gesangstraditionen“ (Dr. Stephanie Schewe)
Dem Projekt liegt das Ziel zugrunde, die enge Verknüpfung zwischen jüdischen, ostsyrischen und mandäischen Rezitationen mit der Koranrezitation im iranisch-mesopotamischen Bereich aufzuzeigen.
Das Konzept der Erfassung der Rezitation aufgrund von Melodie, Grammatik und Rhetorik, das auch dem vorhergehenden DFG-Projekt „Die Rezitation heiliger Texte – Formgebende Austauschprozesse zwischen syrisch-aramäischen Gesangstraditionen und der Koranrezitation“ zugrunde lag, soll nun auf die verschiedenen Formen der jüdischen, christlichen, gnostischen und islamischen Rezitation im Gebiet des Iran und Irak erweitert werden, die bislang von der Musikwissenschaft noch nicht erschlossen sind.
In dem vorhergehenden Projekt wurden die Rezitationen nach philologischen und musikwissenschaftlichen Methoden untersucht. Es wurden Bezüge zwischen der musikalischen Aufführungspraxis und den Akzentbeschreibungen der syrischen Grammatiker und den Vortragsregeln nach dem tağwīd hergestellt. Es hat sich gezeigt, dass sowohl in der syrisch-aramäischen Rezitation als auch in der Koranrezitation, insbesondere in der schlichten Vortragsweise, Akzente und Betonungen regelhaft erscheinen.
Ähnlich der Toralesung, welche ohne Berücksichtigung der Akzente nicht hätte erforscht werden können, kann auch die ostsyrische Rezitation nicht ohne das Akzentsystem, das die grammatikalische Struktur sowie die Rhetorik in allen Details abbildet, untersucht werden. Es stellt sich die Frage, inwieweit die von den Grammatikern beschriebenen Gesangsmanieren bei syntaktischen Einschnitten und rhetorischen Herausstellungen noch Anwendung finden. Die Texte des Alten Testaments, die in der ostsyrischen Liturgie rezitiert werden, sollen auch mit denen der jüdischen Tradition verglichen werden, da alle Texte aus der letzteren mit Akzenten versehen wurden.
Der gleiche Ansatz liegt der Untersuchung der Koranrezitation zugrunde; auch hier geben die tağwīd -Regeln die genaue Aussprache an, wobei die Rhetorik eine elementare Rolle spielt, weil der Vortrag an ein hörendes Publikum gerichtet ist. In dem abgeschlossenen DFG-Projekt wurde festgestellt, dass die Regeln der syrisch-aramäischen Rezitationen und der Koranrezitationen ähnlichen Mustern folgen im Hinblick auf die Performanz, z. B. die Markierung von Versanfang und Versende.
Da die Rezitationen in den östlichen Gebieten - Iran und Irak - unterschiedlich sind, ist davon auszugehen, dass kein griechischer, sondern jüdischer Einfluss in den christlichen Traditionen nachweisbar ist. Dies zeigt sich darin, dass die Melodien, wie im jüdischen Ritus, keine nachträgliche Systematisierung erhalten haben, wie das im Westen durch den Oktōēchos der Fall ist, sondern nach Art der Psalmodie den Text untermalen. Das steht sicher in Zusammenhang mit der Tatsache, dass die meisten poetischen Gattungen eine Hemistichera-Anlage (Halbversanlage) aufweisen, die den Psalmen sehr ähnlich ist. Einige der Gedichtformen wurden von den Mandäern übernommen wie: syr. bāˁūṯa (Bittgebet, Hymnus) mand. buta; syr. maḏrāšā (Disputation, Hymnus, Preis-, Lehr- und Streitgedicht) mand. draša; syr. ˁenjānā (Lied, Antwort) mand. eniana und syr. tešboḥtā (Lobgesang) mand. tušbihta.
Woher die Mandäer ihre Rezitationsschemata übernommen haben, muss noch untersucht werden, sie zeigen jedenfalls eine enge Verwandtschaft sowohl zu denen der ostsyrischen als auch der islamischen Tradition. Es fanden hier, wie im Westen, Austauschbewegungen - verbunden mit Transformationen - statt.
Bedingt durch die Nähe der Kulturen zueinander sind gemeinsame Ausdrucksformen in den ostsyrischen, mandäischen und islamischen Rezitationen zu erwarten. Das abgeschlossene DFG-Projekt „Die Rezitation heiliger Texte“ hat zu der Erkenntnis geführt, dass es Parallelerscheinungen zwischen der Vortragsweise der biblischen Texte und derjenigen des Korans gibt: es hat ein Transfer zwischen den Konfessionen und Kulturen stattgefunden.
In der syrisch-aramäischen Rezitation erfolgt die Akzentuierung nach einem Akzentsystem, welches rhetorische und grammatikalische Maßstäbe berücksichtigt. Die Performation des Textes war wichtiger Bestandteil des Gottesdienstes. Im iranisch-mesopotamischen Bereich scheinen diese Verknüpfungen noch enger zu sein als im griechisch geprägten Westen.
Die Tradition der Rezitation heiliger Texte ist bei den Christen im Vorderen Orient außerordentlich bedroht. Das Wissen um die Aufführungspraxis geht immer mehr verloren. Weil die meisten syrischen Christen im Exil leben, entsteht das Problem, dass die Sprache der Liturgie nicht mehr beherrscht wird. Dies ist aber die Voraussetzung für die nach grammatikalischen und rhetorischen Regeln verlaufende Rezitation. Im islamischen Bereich tragen die Medien zu der sich langsam entwickelnden Standardisierung bei. Die Vortragsart guter Rezitatoren aus dem Internet wird adaptiert, die regional bedingte Vielfalt gerät in Vergessenheit. Daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem die Rezitationen heiliger Texte dokumentiert und wissenschaftlich untersucht werden müssen.
Divergenzen und Parallelerscheinungen in melodischer und in formaler Hinsicht bilden den Ausgangspunkt der Forschung. Allen Traditionen ist gemeinsam, dass sprachliche Strukturierungen melodisch deutlich gemacht werden. Da die mandäischen Rezitationen sowohl ostsyrische Gesangsmanieren als auch Elemente der Vortragsart des Korans im Iran und Irak rezipiert zu haben scheinen, stellen sie eine Brücke dar zwischen Christentum und Islam.
Artikel über das Projekt im Tagesspiegel
The Recitation of Holy Texts: Processes of Exchange in the Iranian-Mesopotamian Region. A Jewish, Christian, Mandaean and Muslim Legacy under Threat
DFG https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/449715975
Project Lead: Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Dr. Ulrike-Rebekka Nieten
1) The Heritage of Jewish Tradition in the Iranian-Mesopotamian Area: Processes of Reception Observed in East-Syriac and Mandaean Recitations and Hymns. (Dr. Ulrike-Rebekka Nieten)
2) Iranian and Iraqi Qurʾān Recitation: Interaction with East-Syriac and Mandaean Vocal Traditions. (Dr. Stephanie Schewe)
The project shows the close connection between Jewish, East-Syriac and Mandaean recitation traditions on one hand and Qurʾān recitation in the Iranian-Mesopotamian region on the other.
The concept in which recitation is studied with respect to melody, grammar and rhetoric which already was employed in the project “Recitation of Holy Texts - Formative Processes of Exchange between Syriac-Aramaic Vocal Traditions and Qurʾān-Recitation” is being applied to various forms of Jewish, Christian, Gnostic and Islamic recitation styles in the region of Iran and Iraq, which have not yet received a detailed musicological analysis.
In the previous project, recitations were studied by applying both philological as well as musicological methods. Correlations between the musical performance and the description of accents known from Syriac grammarians and the rules of recitation known as taǧwīd were demonstrated.
It became apparent that both in Syriac as well as in the Qurʾānic recitation, especially in ‘plain mode’, accents and stress are regular.
As in the case of the reading of the Torah, which could not have been studied without taking into account the accents, East-Syriac recitation cannot be investigated without taking into account the accent system which clarifies both the grammatical and rhetorical structure in all their detail. It is to be investigated if syntactical caesurae and rhetorical expositions, as indicated by the grammarians, are still being implemented in contemporary performance.
Texts of the Old Testament used in East-Syriac liturgy are to be compared with their Hebrew counterparts, as all texts of that latter tradition are fully accented.
A similar approach underlies the study of Qurʾān recitation; here too, the taǧwīd rules indicate the precise pronunciation. Rhetorical aspects play a major role, since the performance is intended literally for an audience, i. e. people listening.
We were able to conclude, in the previous DFG-project, that rules of Syriac and Qurʾānic recitation follow similar patterns, e. g. in marking beginning and end of a verse etc.
Since the recitation in the Eastern regions - Iran and Iraq - are different from the traditions studied in the first project, one may assume that it is Jewish influence, rather than Greek, that can be found in Christian traditions. This is seen in the fact that melodies, like the Jewish rite, have not been systematized secondarily, unlike in the West where the system of the Oktōēchos has been applied throughout. The Eastern Christian melodies underscore the text in the manner of the psalmody.
Accordingly, most poetical genres are based on hemistichs, very similar to the Psalms. Some of the (Christian) poetical genres were taken over by Mandaeans: Syr. bāˁūṯā (prayer, hymn) Mand. buta; Syr. maḏrāšā (disputation, hymn, eulogy, didactical or polemical poem) Mand. draša; Syr. ˁenyānā (song, answer) Mand. eniana and Syr. tešboḥtā (praise) Mand. tušbihta.
From where the Mandaeans got their recitation schemata is still to be researched; they certainly show a relatedness with Eastern Syriac and Islamic traditions. As in the West, we find movements of exchange with concomitant transformations.
Given the closeness of the cultures involved, common forms of expression in Eastern Syriac, Mandaean and Islamic recitations are to be expected. The completed project “The Recitation of Holy Texts” lead to a clear understanding that there are parallels between the modes of recitation of Biblical texts and that of the Qurʾān: A transfer between confessions and cultures has taken place.
In Syriac recitation, the accentuation follows an accent system which indicates rhetorical and grammatical features. The performance of the textual recitation was an important part of liturgy. In the Iranian-Mesopotamian East, the links between the traditions of recitation practice seem to be even closer than in the Greek influenced West.
The traditional recitation of holy texts among Christians of the Middle East is gravely endangered. Traditional knowledge is being lost. As many Syriac Christians live in exile, the language of liturgy is often unknown. A thorough knowledge, however, is a prerequisite for the correct application of grammatical and rhetorical rules in recitation. Regarding the Qurʾān recitation, modern media further a general standardization. The style of good reciters from the internet is being imitated, regional diversity is reduced. Therefore, the time for documentation and scholarly investigation of the recitation of holy texts is now.
DFG https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/281786037
Projektleitung: Prof. Dr. Angelika Neuwirth und Dr. Ulrike-Rebekka Nieten
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Stephanie Schewe
Rezitatoren: Priester und Malfono Murat Üzel (Syrisch Orthodoxe Kirche, Berlin), Imam Aḥmad al-Arabī (al-Azhar Universität, Kairo), Imam Muˁāḏ as-Saḥābī (Madrasa Ibn al-Qāḍī li l-qirāˀāt, Rabat, Salé)
1) Musik, Grammatik und Rhetorik in den syrisch-aramäischen Rezitationen (Dr. Ulrike-Rebekka Nieten)
2) Die Rolle der Rhetorik in der Koranrezitation: Sprach- und musikwissenschaftliche Untersuchungen (Dr. Stephanie Schewe)
In dem Projekt wurden in zwei Teilprojekten die Gesetzmäßigkeiten der syrisch-aramäischen Rezitation sowie der Koranrezitation erforscht und miteinander verglichen, da die musikalische Aufführungspraxis heiliger Texte in beiden Traditionen große Gemeinsamkeiten aufweist.
Der Bearbeitung des Projektes lagen folgende Arbeitsschritte zugrunde: Die Rezitationen wurden bei verschiedenen Rezitatoren aufgenommen, transkribiert und notiert. Diese Arbeit bildete den Forschungsgegenstand. Die Rezitationen wurden nach philologischen und musikwissenschaftlichen Methoden untersucht, sodass Bezüge hergestellt werden konnten zwischen der Aufführungspraxis und den Akzentbeschreibungen der syrischen Grammatiker bzw. den taǧwīd-Regeln der arabischen Gelehrten. Die Forschungsergebnisse für die Rezitation heiliger Texte im syrisch-aramäischen Ritus (Ṭūr ˁAbdīn) und in der Koranrezitation (Kairo, Rabat) belegen die Zusammenhänge zwischen Musik, Grammatik, Metrik und Rhetorik. Die heiligen Texte sollten einem nicht lesenden Publikum vermittelt werden. Der Vortrag des Textes richtete sich an eine hörende Gemeinde, und damit er nicht falsch verstanden werden konnte, wurde er präzise geregelt und sogar inszeniert. Im Syrischen entstand ein nach grammatikalischen und rhetorischen Kriterien entwickeltes Notationssystem mit der Markierung von Versanfängen und -enden. Die musikalisch sehr vielschichtige Ausführung wird in der Art der Performance des Korans noch erweitert. Es konnten wesentliche Erkenntnisse über das Akzentsystem in der syrisch-aramäischen Rezitationspraxis gewonnen werden. Es hat sich hat sich gezeigt, dass sich grammatische und rhetorische Phänomene gestaltbildend auf die islamische Rezitationspraxis auswirken. Die Ergebnisse aus dem DFG-Projekt erscheinen in der Reihe Musica Sacra Orientalis, Bde. 1 u. 2, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden (Druck in Vorbereitung)
Recitation of Holy Texts - Formative Processes of Exchange between Syriac-Aramaic Vocal Traditions and Qurʾān Recitation
DFG https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/281786037
Project Lead: Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Dr. Ulrike-Rebekka Nieten
Research Fellow: Dr. Stephanie Schewe
Reciters: Priest and Malfono Murat Üzel (Syriac Orthodox Church, Berlin), Imam Aḥmad al-Arabī (al-Azhar University, Cairo), Imam Muˁāḏ as-Saḥābī (Madrasa Ibn al-Qāḍī li l-Qirāˀāt, Rabat, Salé)
1) Music, Grammar and Rhetoric in Syriac-Aramaic Recitation. (Dr. Ulrike-Rebekka Nieten)
2) The Role of Rhetoric in Qurʾān Recitation: Linguistic and Musicological Investigations. (Dr. Stephanie Schewe)
This project, in its two parts, investigated and compared regularities of Syriac and Quranic recitation, because the musical performance practice of holy texts is very similar in both traditions. The realization of the project consisted of the following steps:
The recitations of different reciters were recorded, transcribed and noted. This formed the subject matter. Recitations were studied using philological and musicological methods, so that links between performance practices and descriptions of accents of Syriac grammarians and taǧwīd-rules of Arabic scholars could be established.
Research results for recitation of holy texts in the Syriac rite (Ṭūr ʿAbdīn) and Qurʾān recitation (Kairo, Rabat) show the interrelation of music, grammar, metrics and rhetoric. Holy texts were to be conveyed to a non-reading audience. The presentation was for a listening community. In order to avoid misunderstandings, it was precisely regulated and even ‘enacted’.
In Syriac we find the emergence of notational system developed along grammatical and rhetorical criteria, including indication of verse beginning and verse end. The musically multifaceted execution is even amplified in the modes of performance of the Qurʾān. We were able to gain significant insights into the workings of the Syriac accent system with reference to the Syriac practice of recitation. It became also apparent, that grammatical and rhetorical phenomena had a formative impact on Islamic recitation practice.
The results of the DFG-project are being published in the series Musica Sacra Orientalis, vols. 1 and 2, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden (print in progress).
Artikel über das Projekt im Tagesspiegel