Lebendige Wirklichkeiten Radikal performative Strategien der Partizipation und (Re-) Animation als Repräsentationskritik
Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin
Abteilung Ostasien
Gegenstand des Forschungsprojekts sind radikal performative künstlerische und kuratorische Praktiken in China, die seit Ende der 1990er Jahre auffallend dominant die körperliche Partizipation an „lebendigen Wirklichkeiten“ thematisieren. Im Mittelpunkt stehen installative und performative Arbeiten von Sun Yuan (geb. 1972), Peng Yu (geb.1974) und Qiu Zhijie (geb. 1969), die sich durch die Verwendung von lebenden, toten und (re-) animierten Materialen, Organismen und Objekten auszeichnen, sowie relational angelegte künstlerische und kuratorische Praktiken. Untersucht wird in historischer, machtpolitischer und transkultureller Perspektive, inwiefern auf diese Weise unterschiedliche, kulturell bedingte Repräsentationsregime- praktiken und Repräsentationsbeziehungen und deren Kosten (Mitchell 1994) kritisch reflektiert werden.
Im europäischen Kontext bedeutet Repräsentationskritik nach Jacques Derridas (Derrida 1972) Kritik am Logozentrismus und dessen metaphysische Genealogie. Nach diesem Verständnis ist Re-präsentation aufgrund der ihr immanenten Stellvertreterfunktion, nur auf Kosten eines Verlusts von unmittelbarer Präsenzerfahrung möglich. Nach Michel Foucault und Stuart Hall (Hall 1994) sind Repräsentationen Machtsysteme. Das bedeutet Repräsentationskritik ist Machtkritik, weil sie danach fragt wer die Bedingungen von Repräsentationsregimen trägt.
Können auch Sun Yuans, Peng Yus und Qiu Zhijies Arbeiten in diesem Sinne als repräsentationskritisch verstanden werden? Inwiefern kritisieren sie darüber hinaus Bedingungen und Verdrängungsmotive von anderen kulturellen und historischen Repräsentationsmodi und auf welche Weise tun sie das?
Historisch perspektiviert möchte ich u.a. untersuchen, inwiefern Sun Yuans, Peng Yus und Qiu Zhijies Kunst auch als Kritik an der non-repräsentationalen Tradition in China (Moeller 2007) verstanden werden können. Vormoderne Bildvorstellungen in China hatten nicht in erster Linie die Funktion inne Dinge stellvertretend zu repräsentieren, sondern waren vor allem einem Verlebendigkeitsdiskurs verpflichtet, der auf formaler Ähnlichkeit beruhende Repräsentation zugunsten der responsiven Vermittlung von lebendiger Präsenz ablehnten. Dass es sich um ein totes Bild handele, weil die Lebensenergie Qi nicht vermittelt und durch das Bild nicht wirksam werde, war ein vernichtendes Urteil für einen Künstler. (Wen 1966).
Im Unterschied zu einem Forschungsansatz, der chinesische Kunst als passives Untersuchungsobjekt in einer verspäteten Moderne verortet und aus eurozentrischer Perspektive untersucht, geht das Projekt von kunsthistorisch und kunstheoretisch informierten chinesischen Künstlern aus, die als Agenten ortsspezifisch perspektiviert an transkulturellen Übersetzungsprozessen partizipieren und in diesem Zusammenhang bislang geltende Deutungsmuster und Diskurse zu Repräsentation und Repräsentationskritik hinterfragen und erweitern.
Referenzen
Derrida, Jacques, Freud und der Schauplatz der Schrift, in: Ders., die Schrift und die Differenz, Frankfurt a. M. 1972, S. 302-350.
Mitchell, Thomas W.J., Repräsentation, in: Was heißt "Darstellen"? Hg. v. Nibbrig Christiaan L. Hart, Frankfurt a.M. 1994, S.32.
Moeller, Hans-Georg, Presence, Representation and Significance: An Analysis of Semiotic Structures and Corresponding Conceptions of Nature and Culture, in: The American Journal of Semiotics, Vol. 23 , Iss. 1-4, Kent 2007, S. 243.
Wen C. Fong, Ch’i –Yün-Sheng-Tung: Vitality, Harmonious Manner and Aliveness, in: Oriental Art , Autumn 1966, vol. XII no. 3 S.89-92.