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Feste in der Frühen Neuzeit: Zur Visualität und Theatralität politisch-sozialer Ordnungen in der europäischen Festkultur

Institution:

Forschungsverbund 'Theater und Fest in Europa. Zur Inszenierung von Identität und Gemeinschaft'
Teilprojekt 3

Förderung:
BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Projektlaufzeit:
01.09.2006 — 31.12.2009

Kurzbeschreibung:

Theater und Fest sind essentielle Medien der Generierung, Festigung und Reflexion eines bestimmten kulturellen Selbstbewusstseins oder eines spezifischen Modells von Gemeinschaft: Diese inszeniert in der herausgehobenen Sphäre dezidierter Außeralltäglichkeit Konzeptionen und Bilder ihrer eigenen idealen Ordnung. Dies gilt insbesondere für die Frühe Neuzeit als einer Epoche, in der die politisch-soziale Ordnung noch nicht oder erst rudimentär in abstrakter, schriftlicher Form fixiert war. Feste und theatrale Inszenierungen boten einen genuinen, gesellschaftlich institutionalisierten 'Aktionsraum', in dem die Normen und Werte eines Gemeinwesens symbolisch ausgehandelt und zugleich in sinnlich erlebbarer Form von den Beteiligten erfahren werden konnten.

Feste und Theater präsentierten sich im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit als komplex konfigurierte, multimediale Gebilde, die mittels Sprache, Bildern und Musik, Zeremoniell, Mimik und Gestik, Kostüm, Dekoration und Akustik die zentralen Begriffe und Definitionen der politisch-sozialen Verfasstheit eines Gemeinwesens sowohl dem Individuum als auch überindividuellen Gruppen und Institutionen in konkreter, ja körperlicher Präsenz vermittelten. Die Verfahrensweisen dieser Vermittlung gründeten nicht unerheblich auf einer Ebene der Metakommunikation, in der die Übergänge zwischen Zuschauern und Akteuren oftmals noch fließend waren. So traten etwa im gelehrten Drama (commedia erudita) vielfach Laien und Amateure (dilettanti) als Schauspieler auf, während die commedia dell'arte bereits zum Feld der professionellen Darsteller mit einem hohem Anteil von Improvisation wurde.

Der allmähliche Aufstieg der Berufsschauspieler kennzeichnet den frühneuzeitlichen Prozess einer zunehmenden Ausdifferenzierung von Fest und Theater, der sich zugleich als eine vielschichtige Ausdifferenzierung von Handlungsmimesis, theatralem Zeichenbestand und performativen Visualisierungsstrategien darstellt. Schlug sich die anfänglich noch enge Verkoppelung von Fest und Theater auch in einer dicht gefügten Verschränkung von Realität und Fiktion, Präsenz und Repräsentation nieder (wenn etwa der in der Huldigung dargestellte Herrscher selbst in Realpräsenz seine Rolle spielte), so generierte die weitere Entwicklung zunehmend eine räumliche und semantische Trennung der verschiedenen Repräsentationsebenen und begründete damit eine kategoriale und geschichtlich folgewirksame Dissoziation von Theater und Fest. Gleichwohl blieben Fest und Theater nah beieinander.

Vor diesem Hintergrund wird das Projekt sein Augenmerk systematisch auf diejenigen Visualisierungsformen, Figurationen und Handlungselemente richten, die das Theater wie das Fest als eine Kombination heterogener Zeichensysteme bestimmten und sich als 'Verkörperungen' manifestierten, die über die Sinnebene eines konkreten, gemeinschaftlich erfahrbaren Geschehens hinaus auch auf eine symbolische Bedeutung des Dargestellten (durch Personifikationen, Allegorien oder bildhafte Sinnzeichen) und damit auf eine universal bestimmte Ordnung verwiesen. Auf diese Weise soll in interdisziplinärer, kunst- und theaterwissenschaftliche Ansätze integrierender Perspektive nach der Funktion von Fest und Theater für die Konstruktionen von Identität und Gemeinschaft im frühneuzeitlichen Europa gefragt werden.

Das Teilprojekt gliedert sich in folgende Unterprojekte:

1. Europäische Friedensfeste: Semantik und Visualität

2. Fest und Theater als Medien symbolischer Kommunikation: Italien und Frankreich

3. Visualität und Theatralität: künstlerische Praxis und theoretischer Diskurs