Sebastian Schertlin von Burtenbach
Sebastian Schertlin von Burtenbach
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Sebastian Schertlin von Burtenbach
mil. Dienste für versch. Herren; Ritter, geadelt; Stadthauptmann; luth.; verh.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 12. 02. 1496 Schorndorf
+ 18. 11. 1577 Augsburg
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
Vater Heinrich wohl Forstmeister (bürgerlich), wohlhabend, Mutter adlig: v. Gärtringen/v. Genkingen, um 1500 war die Familie Sch besonders als Forstmeister, aber auch als Geistliche im schwäb. Raum tätig; 1512 Studium in Tübingen und kurze Zeit in Freiburg, von wo er aber wohl nach Tübingen zurückkehren musste, nachdem er als Anführer einer Schar junger Männer nachts einen Mag. verprügelt hatte, 1516 ebenda Magister; nach dem Studium geschworener Schreiber in Konstanz; 1518 Heirat mit Barabara v. Stende, deren Vater Konstanzer Zunftmeister war, in dieser Ehe eine Tochter und zwei Söhne; 1518 im Dienst Maximilians I.; 1518-32 nahm er an allen großen Kriegszügen teil; seine Lehrmeister und Vorbilder im pers. Kampf wie in der Führung größerer Verbände wurden Michael Ott, Caspar Reger, Georg v. Frundsberg; verdiente Geld und Beute in jahrelangen verschiedenen Kriegsdiensten, Karriere als Offizier (adlige Domäne); im Bauernkrieg kämpfte er im Dienst des Schwäb. Bundes gegen die Bauern; 1528 Hauptmann sowohl des ksl. Statthalters in Württemberg als auch Hz. Ludwigs v. Bayern; 1530 trat er als Stadthauptmann auf Lebenszeit in den Dienst der Reichsstadt Augsburg; 1531 siedelte er mit seiner Familie von Schorndorf dorthin über (Residenzpflicht), wo er rasch gesellschaftlichen Anschluss an die vornehmsten Familien fand, z.B. Fugger und Welser; als Augsburger Stadthauptmann investierte er in das Unternehmen des Jakob Herbrot, ab 1540 wurde er auch (rel.s)politisch dessen wichtigster Verbündeter − d. h. er gehörte über wirtsch. und (rel.s)politische Verflechtungen zum Netz des Augsburger Aufsteigers Herbrot; 1532 kaufte er den Landsitz Burtenbach in der Markgrafschaft Burgau und führte das übliche Leben und die Fehden eines gutsituierten Landherrn als Ritter von Burtenbach; erhielt zu seinem Burtenbacher Besitz sechs bayerische Lehen hinzu, baute Schloss und Markt Burtenbach tatkräftig aus; zweimal Ritterschlag: 1525 durch den Vizekönig von Neapel, 1532 durch Karl V.; 1534 wurde er von Karl V. geadelt (ebenso rückwirkend seine Eltern und Großeltern), erhielt ein neues Wappen und durfte seinem Namen den Namen seines jeweiligen Besitzes anfügen; 1535 bestellte Landgf. Philipp ihn zu seinem Diener von Haus aus, 1542 zog er in seinem Dienst in den konfessionellen Kampf gegen Hz. Heinrich v. Braunschweig; dennoch wollte er sich Philipp nicht ganz verpflichten, sondern die Verbindung zum Kaiser wahren; lieber als innerdt. rel. Kämpfe waren ihm Kriegszüge gegen äußere Reichsfeinde, die mehr Ruhm und Beute versprachen; 1543 im Krieg gegen Frankreich erreichte er seine Bestellung zum ksl. Großmarschall, Generalkapitän, Justitiar, Musterherren und Brandschatzmeister; Augsburg gab ihn für den ksl. Frankreichzug sofort frei, Lgf. Philipp ließ sich vom Kaiser erst versichern, SSchvB werde nicht gegen Stände des Reiches alten oder neuen Glaubens eingesetzt; seine Verbindungen mit Philipp von Hessen und Ulrich von Württemberg brachten ihn dem Protestantismus nahe; 1546 trat er zum luth. Bekenntnis über und schaffte den kath. Gottesdienst in Burtenbach ab; 1546 agierte er als Sonderbeauftragter Augsburgs diplomatisch für den Schmalkaldischen Bund; wurde zum Obersten der Heeresmacht der oberländischen Städte ernannt; seine Aktivitäten für den Schmalkaldischen Bund entfremdeten ihn dem katholischen Kaiser zunehmend; über die protestantischen Kriegsziele und -methoden entzweite er sich mit Philipp und Ulrich und musste 1547 nach der Niederlage der Schmalkaldener Augsburg verlassen, wobei ihm für Burtenbach ein Ausgleich zugesichert wurde; nach der Schmalkaldischen Niederlage setzte sich Anton Fugger, der SSchvB den Schutz seiner Güter im Schmalkald. Krieg verdankte, intensiv und ausdauernd für ihn beim Kaiser ein; er ging nach Konstanz, Basel und 1548 in die Dienste des französischen Königs Heinrich II.; 1548 von Karl V. mit der Reichsacht belegt; zugleich mit SSchvBs Ächtung durch den Kaiser wegen seines frz. Dienstes waren seine ehemaligen Augsburger Freunde ihrer Ratsämter verlustig gegangen; 1551 wurde ihm Basel zu unsicher, und er ging mit seinem ältesten Sohn (oder seinen beiden Söhnen) an Heinrichs II. Hof und wurde frz. Bürger, engagierte sich weiterhin gegen den Kaiser und betrieb seine Besitzstreitigkeiten mit Augsburg; 1552 trennte er sich aus Krankheitsgründen vom französischen Heer, ließ sich 1553 in Basel nieder und betrieb den Ausgleich mit dem Kaiser: SSchvB verzichtete auf Aktionen gegen den Kaiser, seine Augsburger Freunde Georg und David Baumgartner erreichten 1553 beim Kaiser die Aufhebung der Acht und die Aussöhnung, SSchvB erhielt seine ksl. und kgl. Lehen sowie die der Herzöge von Bayern und Württemberg wie des Kardinals v. Augsburg zurück; 1553 zog er wieder in Burtenbach ein und übernahm erneut die Stadthauptmannschaft; noch mehrere militärische Ämter, aber keine politische Bedeutung mehr; nach seiner Aussöhnung mit dem Kaiser übernahm ihn der bayer. Hz. als Oberst in seinen Dienst, ebenso wie seine Söhne; seit 1555 traten ihm in seinem Dienst als Stadthauptmann beide Söhne zur Seite; 1556 Locotenent der im Landsberger Bund vereinten Stände; 1557 kaufte er die Herrschaft Hohenburg mit Bissingen und Hohenstein (als Erbe für seinen ältesten Sohn), durch seine Maßnahmen in diesem kleineren Territorium geriet er mit den Grafen v. Öttingen in Konflikte; 1568 nach dem Tod seines 2. Sohnes und andauernden Streitigkeiten verkaufte er diese Herrschaft wieder und erwarb mit einem Teil des Erlöses das Baumgartner-Haus in Augsburg; 1569 Tod seiner Frau nach 50j. Ehe; kaufmännischer Umgang mit seinem Besitz
1.4. Literatur zur Person
ADB 31 (1890) 132-137 (Alfred Stern) (Lit.); Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 2 (1953) 197-226 (Friedrich Blendinger): 209 („Der ständige Umgang mit Protestanten und ebenso eigene Überzeugung, die er durch den längeren Besuch der Gottesdienste beider Konfessionen gewonnen, veranlaßte nun [nachdem er 1546 als Sonderbeauftragter Augsburgs diplomatisch für den Schmalkald. Bund agiert hatte] Schertlin, zum evangelischen Bekenntnis überzutreten und den katholischen Gottesdienst in Burtenbach am Sonntag Judica 1546 abzuschaffen.“); Schwäb. Lebensbilder/Lebensbilder aus Schwaben und Franken 13 (1977) 52-72 (Gerd Wunder); G. A. M[ichel], Etwas, zur Berichtigung und bessern Aufklärung einiger Stellen in des ehemaligen berühmten Ritters Sebastian Schärtlins Lebensbeschreibung, die Streitigkeiten mit den Oettinger damals lebenden Regenten, insbesondere dem Oettinger Grafen Ludwig dem XVI. betreffend. In: [Michel], Beyträge zur Oettingischen politisch-kirchlichen und gelehrten Geschichte 3 (1779) 119-137; Rudolf Hirzel, Der Eid. Ein Beitrag zu seiner Geschichte. Leipzig 1902 (= ND Aalen 1966) 10 Anm. 4; Albrecht Hänlein, Von den Vorfahren und aus der Jugend des Sebastian Schertlin von Burtenbach. In: Blätter f. Württ. Familienkunde 7 (1936/38) 153-157; Franz von Rexroth, Der Landsknechtführer Sebastian Schertlin von Burtenbach. Seine Stammtafel mit einer Einleitung über den Namen, die Vorfahren und Verwandten. In: Familiengesch. Blätter 28 (1940) 81-87; ders., Der Landsknechtführer Schertlin von Burtenbach. Ein Bild seines Lebens und der beginnenden Neuzeit. Bonn 1940; Gerd Wunder, Bauer, Bürger, Edelmann. Bd. 2: Lebensläufe. In memoriam Gerd Wunder. (= Forschungen aus Württembergisch Franken 33). Sigmaringen 1988; [Kat.] Welt im Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Barock. Ausstellung der Stadt Augsburg in Zusammenarbeit mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern anlässlich des 450. Jubiläums der Confessio Augustana unter dem Patronat des International Council of Museums (ICOM), vom 28. Juni bis 28. September 1980. Bd. I: Zeughaus. Augsburg 1980, 195 (Nr. 120); Katarina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518-1618. (= Schriften der Philos Fakultäten der Univ Augsburg, Hist.-sozialwissenschaftliche Reihe, 29). München 1986, 113. 160. 175; Peter Steuer, Die Außenverflechtung der Augsburger Oligarchie von 1500-1620. Studien zur sozialen Verflechtung der politischen Führungsschicht der Reichsstadt Augsburg. (= Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben 10). Augsburg 1988, 9. 50. 70. 128. 232
Autobiogr. Quellen: Bullinger, Diarium ed. Egli 40Felix Platter, Tagebuch ed. Lötscher 125. 139; Sebastian Fischers Chronik 146
2.1. Quelle: benutzte Edition, Länge (Druckseiten)
Ottmar F. H. Schönhuth (Hg.), Leben und Thaten des weiland wohledlen und gestrengen Herrn Sebastian Schertlin von Burtenbach durch ihn selbst deutsch beschrieben. Nach der eigenen Hs. des Ritters urkundlichtreu hg. Münster 1858
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
vollständiger Text in „urkundlich treuer“ Wiedergabe nach der Or.Hs., Editionsprinzipien angegeben (Groß-/Kleinschreibung von Eigennamen vereinheitlicht; Interpunktion korrigiert); Beschreibung und Ort der Hs.; kein Seitenwechsel angezeigt; Schönhuth muss den in der Or.Hs. fehlenden Anfang (dazu Schönhuth ed. VII) nach späteren Abschriften übernommen haben, tut dies aber stillschweigend und ohne den Wechsel zwischen den Hss. anzuzeigen; krit. Ausgabe existiert vorerst nicht
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
zu den Hss. Holzschuher/Hummel eds. (s.u. 2.4.) XV-XVIII sowie Hegaur ed. (s.u. 2.4.) 285; Wenzel 1 (1980) 187-193 (Lit.); Henry J. Cohn, Götz von Berlichingen and the Art of Military Autobiography. In: J. Ronnie Mulryne/Margaret Shewring (eds.), War, Literature and the Arts in Sixteenth-Century Europe. (= Warwick Studies in the European Humanities). Basingstoke/London 1989, 22-40: 23. 28f. 37
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Sebastian Schertlin von Burtenbach, Das Leben unnd verrichte Thaten Deß Weyland Wol Edlen und Gestrengen Herren Sebastiani Schärtl von Burtenbach Ritter Seeligen. Von Ihm selbsten Teutsch Beschriben. Augsburg 1627 (Auszug); Lebensbeschreibung des berühmten Ritters Sebastian Scha(e)rtlin von Burtenbach. Aus dessen eigenen und Geschlechts-Nachrichten vollst. hg. und mit Anmerkungen und Beylagen versehen v. Christoph Sigmund v. Holzschuher und Bernhard Friedrich Hummel. 2 Teile. Frankfurt/Leipzig 1777/1782 (vollst. Text, aber sprachlich stark bearbeitet und aus verschiedenen Hss. − alles Abschriften − zusammengestellt; als Anhang eine Reihe weiterer Quellen abgedruckt, die sich in anderen Ausgaben nicht finden); gekürzt (aber ohne dies anzugeben): Leben und Taten des weiland wohledlen Ritters Sebastian Schertlin von Burtenbach. Durch ihn selbst deutsch beschrieben. Hg. von Engelbert Hegaur. München o. J. [1910]; Teilabdruck: Gustav Freytag (Hg.), Bilder aus der dt. Vergangenheit. Bd. 2,2: Aus dem Jahrhundert der Reformation (1500-1600). Leipzig 171889, 260-269; Auszug: Beyer-Fröhlich 5 (1932) 165-185 (nach Schönhuth ed. [s.o. 2.1.]); Teilabdruck: Wenzel 1 (1980) 194-217 (s.o. 2.3.) (nach Hegaur ed.); Sebastian Schärtlin von Burtenbach/Burkhard Stickel, Schwäbische Landsknechte. „Lebensbeschreibung des Schärtlin von Burtenbach“ und „Burkhard Stickels Tagebuch“. Bearb. v. Helmut Breimesser. (= Schwäbische Lebensläufe 11). Heidenheim a. d. Brenz 1972, 27-115 [gekürzt und sprachl. bearb.]
3.1. Abfassungszeit
1553-1576 (ab 1576 mußte er wg. Erkrankung die eigenhd. Niederschrift seiner Lebensgesch. abschließen; die Forts. besorgte bis an sein Ende der Sohn Hans Sebastian: Blendinger [s.o. 1.4.] 223)
3.2. Funktion und Zweck der Quelle
keiner genannt (in der Or.Hs fehlen mehrere Blätter am Anfang); wahrscheinlich: Festigung seines Aufstiegs (Indizien: keine Nachricht über die − bürgerlichen − Eltern; keine Mitteilung über die Erhebung in den Adelsstand; hingegen weisen andere Adlige zumeist ausdrücklich auf ihren Adel und ihre altadlige Familie hin)
3.3. AdressatInnen
keine genannt; vermutlich: Kinder und weitere Nachkommen (vgl. die Fortsetzung der Autobiographie bis zu SSchvBs Tod durch seinen Sohn Hans Sebastian, 230-235)
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl.; Or.Hs. und versch. Abschriften (dazu Holzschuher/Hummel eds.); Ort der Or.Hs.: kgl. Bibl. Stuttgart, Sign.: Cod. Hist. No. 10
4.1. Berichtszeitraum
1496-1576 (Nachtrag bis 1577 durch den Sohn)
4.2. Form der Quelle
dt. Prosa mit frz. und lat. Wendungen, Ich-Form, chronikartig; konnte sich wahrscheinlich auf tagebuchartige Aufzeichnungen stützen (Wenzel 1 [1980] 190)
4.3. Inhalt
hauptsächlich mil. Aktionen: Selbstdeutung als Soldat/Feldherr/Ritter; daneben jeweils Abrechnungen über finanziellen Gewinn und Verlust; Familiennachrichten; Reichspolitik aus mil. und finanzieller Perspektive