Melchior von Osse
Melchior von Osse
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Melchior von Osse [Ossa]
adlig; Jurist (Dr. iuris utriusque); Prof.; kursächs. Kanzler, Rat, Hofrichter; ksl. Rat; freier Gutachter; luth.; verh.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 1506 o. 1507 Ossa bei Geithain/Sachsen
† 06. 04. 1557 Altenburg
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
stammte aus einer alten Vasallenfamilie der Burggf. v. Leisnig, Vater Balthasar und Mutter Katharina; 1518 wurde er in Leipzig immatrikuliert; 1523-26 nach dem Tod seines Vaters war er mehrfach in Ossa; um 1529 nach dem Tod des Vaters Teilung des Erbes mit seinem Bruder Wolf, MvO erhielt wohl das Barvermögen; 1529 und 1532 war er in Altenburg mit jurist. Fragen beschäftigt; 1533 Erwerb des Besitzes in Altenburg, über die Jahre hin baute er diesen zum Familienerbe und insbesondere als Sicherheit f. seine Frau und seine Töchter aus; währenddessen muss er in Leipzig sein Studium fortgesetzt haben, und 1534 erlangte er innerhalb weniger Wochen alle akademischen Grade: Dr. iuris utriusque; Anstellung als Prof.; 1536 Erwerb des ehem. Haugwitzschen Freihauses in Leipzig, auch dieses versuchte er als Erbe insbesondere f. seine Töchter zu sichern; hzl. Rat von Haus aus bei Hz. Georg bis 1539 und kurz darauf auch bei Hz. Heinrich bis 1541, dabei hatte er unter Georg v.a. seit 1535 mit der Visitation der thüring. Klöster zu tun, unter Heinrich war er jur. Gutachter, 1539 und 1540 Gesandter zum Schmalkaldischen Bundestag sowie Reichstagsgesandter und Lehnsempfänger in Regensburg 1541; Ende 1541 Abschied in Leipzig, da Osse mit dem Kanzler v. Hz. Moritz, Pistoris, erstens verfeindet war und zweitens selbst diese Stelle anstrebte; 1542-45 als Kanzler bei Kurf. Johann Friedrich angestellt, wg. u.a. konfessionspol. Differenzen vorzeitig entlassen; Umzug v. Torgau nach Leipzig, dort privates Studium und Gutachtertätigkeit; dabei erste Kontakte mit dem Hof der Grafen v. Henneberg, Gewinn der Gräfin Katharina v. Schwarzburg-Rudolstadt als Patronin, woraufhin er 1546 seine Tochter Ursula bei ihr als Hoffräulein unterbrachte; Bestallung als Rat von Haus aus bei Katharinas Vater Gf. Wilhelm; seine Tochter Sibille war im Frauenzimmer v. Herzogin Agnes in Dresden; 1547 Bestallung durch Kurf. Moritz als Hofrichter und als Rat von Haus aus; 1549-1554 war er hennebergischer Statthalter und Hofrichter, Umzug mit seiner Familie nach Meiningen, vorzeitige Entlassung wie schon 1545; 1551 ksl. Rat; Okt. 1554 Übersiedlung nach Frauenfels; vertrat kaiserfreundliche Positionen, unterstützte (u.a. mit Gutachten) die Rechte der Landschaft und der Stände allgemein, verfolgte gemäßigte und auf Ausgleich bedachte luth. Konfessionspolitik; verfasste zahlr. jur. Gutachten, reformierte das kursächs. Justizwesen und hinterließ mit seinem „Pol. Testament“ eine im 16. und 17. Jh. weit rezipierte, auch pol. einflussreiche Schrift zur pol. Ordnung; verh. mit Crispina v. Dobeneck, mehrere Töchter und Söhne
1.4. Literatur zur Person
Jöcher 3 (1751) 1127 sv Ossa; Jöcher-Adelung 4. Erg.-Bd. (1813) 1241 sv Ossa; ADB 24 (1887) 496-498 (Theodor Distel); NDB 19 (1999) 609f. (Klaus Luig); Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hg. v. Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann. Mitbegründet v. Wolfgang Stammler. 5 Bde. Berlin 1971-1998. Bd. 3 (1984) 1329-1333 (Klaus Luig); Hecker ed. (s.u. 2.1.) 1*−67*; Friedrich Albert v. Langenn, Doctor Melchior von Ossa. Eine Darstellung aus dem XVI. Jahrhundert. Leipzig 1858 („Handelsbuch“ in Auszügen und als Hauptquelle); Wilhelm Roscher, Zwei sächsische Staatswirthe im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. In: Archiv f die Sächs Gesch 1 (1863) 361-397: 364-376 (Vergleich mit Veit Ludwig v. Seckendorff); Oswald Artur Hecker, Lebensgeschichte Doktor Melchiors von Osse bis zur Übernahme des ernestinischen Kanzleramtes (1541). In: Neues Archiv f sächs Gesch 43 (1922) 19-44; Heinrich Muth, Melchior von Osse und die deutsche Verfassungsgesch. In: Jb f die Gesch Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953) 125-176; Peter-Michael Hahn, Landesherrliches Amt und Stadtbürgertum in Brandenburg im 16. Jahrhundert. In: Ilja Mieck (Hg.), Ämterhandel im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert. Referate eines internationalen Colloquiums in Berlin vom 1. bis 3. Mai 1980. (= Studien aus dem Forschungsprojektschwerpunkt „Soziale Mobilität im frühmodernen Staat: Bürgertum und Ämterwesen“ am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin 3). (= Einzelveröffentlichungen der Hist. Komm. zu Berlin 45). Berlin 1984, 252-274: 271f. (Kritik MvOs an Ämterpatronage [vgl. Autobiographie 387-389]. 273 + Anm. 83 (MvO beschäftigte sich ähnlich wie Lampert Distelmeier bevorzugt damit, aus seinen versch. Dienstverhältnissen einen möglichst hohen Gewinn herauszuholen); Notker Hammerstein, Universitäten − Territorialstaaten − Gelehrte Räte. In: Roman Schnur (Hg.), Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates. Berlin 1986, 687-735: 712 Anm. 73; Gerald Strauss, Law, Resistance, and the State. The Opposition to Roman Law in Reformation Germany. Princeton 1986, 16. 17. 82. 91-93. 109. 126. 169f. 178. 179. 189; Günther Wartenberg, Landesherrschaft und Reformation. Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546. (= Arbeiten zur Kirchengeschichte 10). Weimar 1988, 12 Anm. 8. 64 + Anm. 230f. 89f. 90 Anm. 349. 93. 99. 126 Anm. 102. 291; Christa Graefe, Forstleute. Von den Anfängen einer Behörde und ihren Beamten. Braunschweig-Wolfenbüttel 1530-1607. (= Wolfenbütteler Forschungen 43). Wiesbaden 1989, 48 (v.a. die in sächs. und braunschweigischen Diensten stehenden MvO und Georg Engelhard v. Löhneyss versuchten, ihren Fst. ein Verständnis ihres Territoriums als „Haus“ nahezubringen); Peter Nitschke, Staatsräson kontra Utopie? Von Thomas Müntzer bis zu Friedrich II. von Preußen. Stuttgart/Weimar 1995, Teil B. Kap. III: Melchior von Osse − oder: Die Fundierung einer praktischen Politica Christiana, 139-152, 145f. (Hausväterlit. und Aristoteles als wichtige Quellen, Stand der Ehe als notwendige Voraussetzung f. sein Verständnis v. Herrschaft: kommunitaristische Version [pol. Testament Hecker ed. (s.u. 2.1.) 298ff.])
2.1. Quelle: benutzte Edition
Melchior von Osse, Handelbuch. In: Schriften Dr. Melchiors v. Osse. Mit einem Lebensabriß und einem Anhang v. Briefen und Akten v. Oswald Artur Hecker. (= Schriften der Sächs Komm f Gesch 26). Leipzig/Berlin 1922, 1-267
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
Editionsprinzipien angegeben; vollst. und genauer Abdruck mit ausführlichen textkrit. und inhaltl. Anmerkungen (getrennt); Seitenwechsel angegeben; Beschreibung und Ort der Hs.
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Hecker ed. (s.o. 2.1.) 71*-73*
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Auszüge: v. Langenn (s.o. 1.4.)
3.1. Abfassungszeit
1542-1555, z.T. gleichzeitig mit den Ereignissen, z.T. nachträglich aus dem Gedächtnis (v.a. Reisen)
3.2. AdressatInnen
selbst; Kinder, insbesondere Söhne; Gott (Gebete)
3.3. Funktion der Quelle
offenbar zur Rechenschaft über sein kursächs. Kanzleramt vor sich selbst, später auch als Spiegel f. seine Kinder und insbesondere seine Söhne f. ihr eigenes Fortkommen; wohl auch: Rechtfertigung vor der Familie angesichts seiner vorzeitigen Amtsentlassungen
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl.; Ort: Sächs. Landesbibliothek Dresden, Mscr. Dresd. R. 1
4.1. Berichtszeitraum
= Abfassungszeit: 1542-1555
4.2. Sprache
dt. mit seltenen lat. Einsprengseln
4.3. Form der Quelle
Ich-Form; Tagebuch, z.T. nachträglich geschrieben − evt. z.T. am Jahresende; Gebete als Einl. des ganzen Textes und als Einl. f. jedes neue Jahr (außer 1547-50) u.ö.; enth. u.a. gereimte „Hauslahr“ f. seine Kinder (171-174)
4.4. Inhalt
Amtsgeschäfte und sonstige berufliche Aktivitäten, Geldangelegenheiten − z.B. Geldverleih −, familiäre Ereignisse, Krankheiten