Melchior Klesl
Melchior Klesl
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Melchior Klesl [Klesel, Khles(e)l, Cleselius]
Priester, Theologe; Dompropst; Offizial; Generalvikar; Bf., Kardinal; röm.-kath.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 19. 02. 1552 Wien
† 18. 07./o. 09. 1630 Wiener Neustadt
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
aus altbürgerlicher Familie, Vater Melchior prot. Bäckermeister, Mutter Margarete; luth. Unterricht in Wien und Wels, Univ. Wien; trat 1568 nach Bekehrung durch den jesuitischen Polemiker Georg Scherer zur kath. Kirche über, brach sein Wiener Studium (1570-74) ab und bekehrte auch seine Eltern; 1570 trat er in das päpstliche Alumnat/Jesuitenkonvikt bei St. Barbara in Wien ein, die Protektion der Jesuiten förderte seine Karriere; 1576 niedere Weihen und Kanoniker in Breslau; 1579 Studium in Ingolstadt an der Jesuitenfakultät und Promotion zum Lic. theol., Diakonats- und Priesterweihe in Wien, Dompropst und Kanzler der Univ. Wien, Benefizium bei St. Stephan; 1580 Offizial des Bf. v. Passau in Wien f. das Gebiet unter der Enns (= Niederösterreich); 1581 Generalvikar f. den niederösterreichischen Teil der Diözese Passau; 1586 übernahm er die Administration des Wiener Bistums v. Wiener Neustadt und legte das Offizialat und Generalvikariat nieder, behielt aber die Oberleitung bis 1600; 1586 zog er die Pfarre Niederhollabrunn an sich, seit 1596 prozessierte er darum mit dem Domdechanten, dem die Stelle eigtl. zustand; 1588-1630 Hofprediger und Administrator des Bistums Wiener Neustadt; 1590 v. Rudolf II. zum Direktor der Rel. Reformkommission (Generalreformator) in Niederösterreich ernannt mit dem Ziel einer Katholisierung der Städte; 1590 und 1592 Dekan der theologischen Fakultät, 1591 Rektor der Univ. Wien; 1598 Bf. v. Wien unter Beibehaltung v. Wiener Neustadt; seit 1598 wandte er sich Ehz. Matthias zu, auf den er etwa 1599 als einflussreichster Berater bestimmenden Einfluss gewann; 1600 auf eigenen Wunsch aus Passauer Diensten entlassen; setzte in seinen 20 Amtsjahren als Offizial und Generalvikar bei dem teils laxen, teils ev. Klerus das tridentinische Reformprogramm durch, das er auch rücksichtslos gg. die adligen Patronatsherren geltend machte, mittels Predigten und Visitationen; dabei scheute er auch Konflikte mit landesfürstl. Behörden nicht, insbesondere dem Klosterrat, ebensowenig mit dem Passauer Domkapitel; MK hatte sich in einen Verfechter der Interessen des Landesherrn verwandelt, in dem er die relevante Kraft kath. Konfessionalisierung sah und f. den er die päpstliche Autorität zu mobilisieren suchte; er kritisierte den Klerus stark, missachtete allerdings f. seine eigene Person selbst die tridentinischen Regeln und wandelte sich zum Politiker, der sich zw. 1590 und 1601 mehr am ksl. Hof in Prag als in seinem Bistum aufhielt; reichspol. v.a. wg. Türkenabwehr auf konfessionellen Ausgleich bedacht, seit 1609 durch Zugeständnisse („Kompositionen“) Annäherung an die prot. Reichsstände; 1611 de facto, 1612 formal Direktor v. Matthias‘ Geheimem Rat; empfing erst 1614 die Bischofsweihe; Erhebung zum Kardinal 1615 wurde im Jahr darauf verkündet; führende Kraft der Gegenreformation in den niederösterreichischen Städten, vertrat kompromisslose Haltung gegenüber Protestanten und Türken; nach dem Ausbruch des böhm. Aufstandes 1618 durch die Ehz.e Maximilian III. und Ferdinand II. gefangengenommen, weil er mit den Protestanten verhandeln wollte, 1623 freigelassen, pol. Wirken in Rom an der päpstlichen Kurie; 1627 holte ihn Ks. Ferdinand nach Wien zurück, um ihn besser kontrollieren zu können; MK erreichte dort die Wiederherstellung seines Vermögens und seiner kirchlichen Würden und übte sein Amt als Bf. aus, widmete sich bis zum Tod v.a. der Seelsorge
1.4. Literatur zur Person
ADB 16 (1882) 167-178 (Moritz Ritter) sv Klesl; NDB 12 (1980) 51f. (Johann Rainer); RGG3 3 (1959) 1664 (G[rete] Mecenseffy) sv Klesl; RGG3 4 (2001) 1441 (Rolf Decot); LThK2 6 (1961) 134f. (Johann Rainer) sv Klesl; TRE 19 (1990) 265-267 (Volker Press) (Lit.); BBKL 4 (1992) 42-45 (Hugo Altmann); Joseph v. Hammer-Purgstall, Khlesl’s, des Cardinals, Directors des geheimen Cabinets Kaiser Mathias, Leben. Bd. 1-4. Wien 1847-1851; Andreas Räß, Die Convertiten seit der Reformation nach ihrem Leben und aus ihren Schriften dargestellt. 2. Bd.: Von 1566 bis 1590. Freiburg i. Br. 1866, 297-337; Anton Kerschbaumer, Kardinal Klesl. Eine Monographie. 2., umgearb. Aufl. Wien 1905; Magdalena Lohn, Melchior Khlesl und die Gegenreformation in Niederösterreich. Diss. phil. masch. Wien 1949; Alois Eder, Kardinal Khlesl und sein Werk. Diss. phil. masch. Wien 1951; Johann Rainer, Der Prozeß gegen Kardinal Klesl. In: Römische Hist Mitteilungen 5 (1962) 35-163; ders., Kardinal Klesl (1552-1630). Vom „Gegenreformator“ zum „Ausgleichspolitiker“. In: Röm. Quartalsschrift f. christl. Altertumskunde und Kirchengesch 59 (1964) 14-35; ders., Die Gefangenschaft Kardinal Klesls in Tirol. In: Tiroler Heimat 48/49 (1984/85) 189-198; Monika Berthold, Kardinal Khlesl als Publizist und in der Publizistik seiner Zeit. Diss. Univ. Wien 1967; Heinz Angermeier, Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Klesl (1552-1630). In: ZS f Rechtsgesch der Savigny-Stiftung, Germanist Abt 110 (1983) 249-330; Roman Nägele, Bischof Melchior Kardinal Klesl und seine Gefangenschaft im Benediktinerstift St. Georgenberg 1619-1622. masch. Dipl.-Arb. phil. Wien 1988; Wolfgang Reinhard, Kirche als Mobilitätskanal in der frühneuzeitlichen Gesellschaft in: ders., Ausgewählte Abhandlungen. (= Hist Forschungen 60). Berlin 1997, 53-73 (zuerst in: Winfried Schulze (Hg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität. (= Schriften des Hist Kollegs. Kolloquien 12). München 1988, 333-351) (Prototyp kirchlicher Aufstiegsmobilität); Erwin Gatz (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448-1648. Ein biogr. Lexikon. Unter Mitwirkung v. Clemens Brodkorb. Berlin 1996, 367-370; Tersch (1998) 287-292 (Gegenreformation in Bruck und Znaim; in Khirmairs Büchlein)
Autobiogr. Quellen: Augustin Güntzer, Kleines Biechlin von meinem gantzen Leben. Die Autobiographie eines Elsässer Kannengießers aus dem 17. Jahrhundert. Ediert und kommentiert von Fabian Brändle und Dominik Sieber. Unter Mitarbeit von Roland E. Hofer und Monika Landert-Scheuber. (= Selbstzeugnisse der Neuzeit 8). Köln/Weimar/ Wien 2002, 33; Matthias Hoe v. Hoenegg, Autobiographie (dt.) Scheuffler ed. (1892) 35. 126. 128
2.1. Quelle: benutzte Edition
Theodor Wiedemann, Beiträge zur Geschichte der Erzdiözese Wien. XIX. Klesl als passau’scher Official (3. Febr. 1580 bis 25. Febr. 1600). In: Österreichische Vjs f Kath Theologie 12 (1873) H. 4, 617-628, Text: 623-627
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
keine Editionsprinzipien genannt, keine Beschreibung der Hs.; Orthographie z.T. modernisiert; Neugestaltung der Absätze und Verzicht auf Nummerierung; Tersch (1998) 467 (Wiedemann ed. [s.o. 2.1.] gebe den Text der Autobiographie „in der Form eines umfangreichen Zitates wieder“ − d.h. nicht vollst.?)
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Tersch (1998) 462-468; Jancke (2002) 98. 101. 160 (Patronage)
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Wiederabdruck (s.o. 2.1.) in: Theodor Wiedemann, Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns. Bd. 5: Die Gegenreformation v. dem Westphälischen Friedensschlusse bis zu dem Josephinischen Toleranzedict. Prag/Leipzig 1886, 518-532, Autobiographie: 520-524
3.1. Abfassungszeit
Febr. 1580
3.2. AdressatInnen
Wiener Domkapitel
3.3. Funktion der Quelle
Wiedemann ed. (s.o. 2.1.) 623: „Bei dem Wiener Domkapitel bestand die Gepflogenheit[,] die äußeren Lebensumstände eines jeden Mitgliedes bei seinem Eintritte zu verzeichnen[,] und zwar nach den von ihm gegebenen Notizen. Dieser Gepflogenheit wollte Klesel nach seiner Ernennung zum Dompropste entsprechen...“ [vgl. auch Wittenberger Ordiniertenbuch, prot.]
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl.; Ort: Wien, Erzbischöfliches Diözesanarchiv, Fasz. II, Bischofsakten Klesl (Teil B), Reg. 585
4.1. Berichtszeitraum
Schulzeit -1580
4.2. Sprache
dt. mit lat. Wörtern
4.3. Form der Quelle
Er-Form, Prosa; Autobiographie
4.4. Inhalt
Familie; eigene Bekehrung und die seiner Eltern; Bildungsgesch., Karriere bis 1580 (Muster: Umkehrung v. Machtverhältnissen zu Eltern, Lehrern, Protestanten)