Georg Kirchmair
Georg Kirchmair
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Georg Kirchmair [Georg Kirchmayr]
adlig; Stifts-Amtmann v. Kloster Neustift; röm.-kath.; verh.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 1481 (vermutlich) Ragen/Tirol
† 1554 Kloster Neustift zu Bruneck
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
entstammt Ministerialengeschlecht; Vorfahren waren Maier, Wirtschafter o. Verwalter des Klosters Neustift (in Tirol bei Brixen) in Ragen, einem alten Freigut bei Bruneck, welches sie später käuflich erwarben und nach dem sie sich Kirchmayr zu Ragen nannten; seitdem führten sie ein eigenes Wappen und kamen im Kloster- und Bischofsdienst empor; Vater Christoph aus angesehener Tiroler Adligenfamilie, GK stammte aus dessen erster Ehe mit Anna Gotfried (auch: Gottfried); erster Unterricht zu Hause, im zweiten Lebensjahrzehnt evt. nach Brixen in die Domschule (Nikolaus’ v. Kues Oberleitung), die dem tirolischen Adel als Vorbereitungsschule f. die höheren Studien diente; letztere sind ungewiss; 1516 Heirat mit Barbara v. Söll-Teißegg, in dieser Ehe Söhne Georg, der das Gut Ragen erhielt, und Christian, der seinem Vater schon zu Lebzeiten als Gehilfe in der Verwaltungstätigkeit beigestellt wurde; 1517 bereits verh. und Ökonomieverwalter des Klosters Neustift; 1519 dort als Stifts-Amtmann (= Hofrichter und Gutsverwalter) berufen; im Bauernkrieg wusste er sowohl Geldforderungen der Bauern als auch die v. diesen geplante Vernichtung der Urbarbücher zu verhindern; vor dem Bauernkrieg in scharfer Opposition gg. Adel und Geistlichkeit, danach entschiedener Verfechter der alten Ordnung in Staat und Kirche; während des Bauernaufstandes 1525 übernahm er die Verteidigung des Klosters, in der Folgezeit war er mit dem Wiederaufbau beschäftigt, legte ein Inventar des Verbliebenen an, besah die Weinberge, um höhere Abgaben f. die Bauern festzusetzen, stellte neu Urbarial- und Kopialbücher zusammen; Ordnung des Stiftsarchivs und Zusammenstellung der wichtigsten Besitzurkunden in Abschrift (zwei Folio-Bde. zu je 500 Blatt), einer der Bde. mit v. ihm angefertigten Urkundenabschriften wird noch heute der „Kirchmair“ genannt; nach dem Tod des Propstes Augustin 1527 nahm das Stift in materieller und geistiger Hinsicht deutlichen Aufschwung; 1539 nach dem Tod seiner ersten Frau Heirat mit Margarete v. Mor-Sonnegg; erfolgreiches Wirtschaften; kath.; mit zunehmendem Alter und abnehmenden Kräften setzte er seinen zweiten Sohn Christian als Gehilfen ein, dieser erhielt das Gut Ragen, sein anderer Sohn wurde Amtmann und Richter auf Neustift; das Stift verpflichtete sich nach seinem Tod, jedem seiner Nachkommen, der Priester würde, den titulus mensae zu gewähren
1.4. Literatur zur Person
ADB 16 (1882) 17f. (Zeissberg); Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache 6. Gütersloh 1990, 334f. (Helgard Ulmschneider); Karajan ed. (s.u. 2.1.) XV-XXIII; Adam Wolf, Gesch. Bilder aus Oesterreich. 2 Bde. Bd. 1: Aus dem Zeitalter der Reformation (1526-1648). Wien 1878, Kap. I: Georg Kirchmair. 1481-1554, 35-66; Archangelus Simeoner, Der Tiroler Georg Kirchmair von Ragen als Chronist Kaiser Maximilians I. Eine krit. Untersuchung. In: Programm des öfftl. Privat-Obergymnasiums der Franziskaner zu Bozen 1886/87 (1886) 3-32
2.1. Quelle: benutzte Edition
Georg Kirchmair’s Denkwürdigkeiten seiner Zeit. 1519-1553. Hg. v. Theodor Georg v. Karajan. In: Fontes rerum Austriacarum I 1. Wien 1855 (= ND New York/London 1969), 417-534
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
vollst. Ed. der Orig.-Hs.; Orthographie unvändert; kaum sachlicher und textkrit. Komm.; mit nützlichem Register; mit Einl. zum Leben GKs; Ergänzungen hervorgehoben
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Karajan ed. (s.o. 2.1.) XVf.; Rudolf Burgarell, Georg Kirchmair’s Denkwürdigkeiten seiner Zeit v. 1519-1553. Diss. phil. masch. Wien 1941; de Boor/Newald IV,1 (1970) 146. 224; Magdalena Buchholz, Die Anfänge der dt. Tagebuchschreibung. (= Reihe Tagebuch 1). Münster o.J. [1983?] (= Diss. Königsberg 1942) 64. 159f.; Jost Egger, Die ältesten Geschichtsschreiber, Geographen und Alterthumsforscher Tirols. Progr. der Ober-Real-Schule Innsbruck 1858; Tersch (1998) 180-192
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Auszüge: Beyer-Fröhlich 4 (1931) 140-153 (nach Karajan ed. [s.o. 2.1.]); Egger (s.o. 2.3.)
3.1. Abfassungszeit
1519-1553/54
3.2. AdressatInnen
selbst („allain mir zur gedachtnuss“); feudale Öffentlichkeit (einschließlich Klosterstift)
3.3. Funktion der Quelle
Begreifen und Festhalten der Taten Ks. Maximilians I. (421) und sonstiger „namhafter“ Ereignisse zu Lebzeiten des Verf.
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl., Archiv v. Kl. Neustift bei Brixen Stiftsarchiv, Cod. 35
4.1. Berichtszeitraum
1519 (1. Auftreten Maximilians I. in den Niederlanden) - September 1553
4.2. Sprache
dt.
4.3. Form der Quelle
Chronik; Prosa; Ich-Form, z.T. v. Gegenwartschronistik mit pers. Kommentaren schwer unterscheidbar, direkte Reden o. Ansprachen; Darstellung der eigenen Person meist auf Funktion des kommentierenden und reflektierenden Erzählers beschränkt; der historiograph. Bericht tendiert aber nicht nur auf der Handlungs-, sondern auch auf der darstellenden Ebene zur Selbstdarstellung, wobei die „Reduktion und Objektivierung seiner persönlichen Rolle als spezifische Art der Übertragung eines autobiographischen Anliegens in den Bereich der Historiographie angesehen werden“ muss (Tersch [s.o. 2.3.] 190)
4.4. Inhalt
pol. Ereignisse, auf Maximilian I. und Reichs- und Italienpolitik Karls V. zentriert, f. Gesch. Tirols sehr reichhaltig (v.a. 1520er Jahre); Reichs- und Landtage; Plünderung Roms; mil. Ereignisse; Ereignisse in Kirchengesch.; Bauernkrieg und Betroffenheit des Stifts davon; zeitgenössische Theologen; Naturkatastrophen und -erscheinungen; Teuerungen; Epidemien