Band 19: Umwelt (2010)
Prof. Dr. Eun-Jeung Lee, Dr. Werner Pfennig
Einleitung
Werner Pfennig
Die Einhaltung strikter Umweltstandards wird oft als investitionshemmend betrachtet und zwar abhängig vom Entwicklungsstand und besonders bei schlechter Wirtschaftslage. Umweltschutz, neue Technologien und die Entwicklung alternativer (regenerativer) Energieträger können ihrerseits aber auch Arbeitsplätze schaffen.
Mit Bezug auf die Entwicklung in Deutschland nach 1990 heißt es dazu in einer Veröffentlichung des Bundesumweltministeriums vom November 1991: „Das Know-how, das jetzt gerade auch in den fünf Ländern im Umweltschutz erarbeitet wird, kann die Basis werden für einen Industriezweig, der angesichts weltweiter Umweltzerstörung noch vielfach gebraucht wird. Bereits jetzt ist abzusehen, daß von der ökologischen Erneuerung eine wichtige Schubwirkung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausgehen wird.“ (Dokument 6, Seite 74)
Die politische Beachtung und der Stellenwert von Umweltschutz allgemein hängen vor allem ab von:
· Problembewusstsein bei Bevölkerung und Elite,
· dem erkennbaren Ausmaß von Schäden,
· von ökonomischen Sachzwängen,
· der Verfügbarkeit finanzieller Mittel,
· der Entwicklung und dem Einsatz moderner Technologie,
· vorausschauender sowie verantwortungsbewusster politische Planung,
· Kooperation der Wirtschaft und der Konsumenten.
Umweltschutz kann vorrangig als Kostenfaktor oder als notwendige Zukunftssicherung gesehen werden; er ist beides.
Probleme, d. h. Auswirkungen von Umweltschäden, sind grenzüberschreitend und können nur kombiniert durch nationale und internationale Bemühungen verringert werden.
Entwicklung des Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik begann wirkungsvolle Umweltpolitik erst in den 1970er Jahren; im September 1970 verabschiedete die Bundesregierung ein umfangreiches und zukunftsorientiertes Umweltsofortprogramm. Umweltpolitik war abhängig von der Wirtschaftslage und geriet wegen deren Verschlechterung ab 1974 in den Hintergrund. Erst im Sommer 1986 wurde ein Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet. In der Zwischenzeit hatte sich auch das Problembewusstsein in der Bevölkerung verstärkt, aus Bürgerbewegungen entstand eine politische Kraft, die Frieden und Umweltschutz zentral in den Vordergrund stellte, sie wurde zur Partei „Die Grünen.“ Eine wesentliche Rolle spielten auch das Bekanntwerden von großen Waldschäden („Waldsterben“), von Gewässerverschmutzung und die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986. Zur Schadensbekämpfung wurden eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen erlassen. Die Informationslage verbesserte sich ebenfalls, auch durch eine Reihe von Berichtspflichten, so z. B. der „Waldschadensbericht.“
1. Wie war der Umweltschutz in der DDR?
Die DDR befand sich seit ihrer Gründung ganz allgemein in einer schwierigen Situation, was auch gravierende Auswirkungen auf den Umweltbereich hatte:
· es gab einen großen Nachholbedarf bei der industriellen Entwicklung;
· Planvorgaben im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe mussten erfüllt werden, oft zu ungünstigen Bedingungen;
· es mangelte an Finanzmittel (besonders Devisen) und moderner Technologie,
· auch deshalb wurden nicht die erforderlichen Investitionen durchgeführt (Energiegewinnung, Abwasserreinigung, Wasserversorgung generell und Abfallentsorgung);
· wegen der durch staatliche Subventionen sehr niedrigen Energiepreise gab es eher Verschwendung als das Sparen von Energie.
Die Wirtschaft der DDR hinterließ 1990 aus einer Fülle von Gründen zahlreiche schwere Umweltschäden. (Ein tabellarischer Überblick, der mit Stand vom Dezember 1993 die erfassten und geschätzten Altlasten aufzeigt, ist die von Alexander Pfennig erstellte Grafik in Band 19, Teil 1, „Umwelt“.)
Es gab zum Beispiel in der DDR 598 Betriebe, die jeweils für die Laufzeit eines Jahres beim Gesundheitsministerium eine Ausnahmegenehmigung für die Weiterführung beantragen mussten, da sie nicht einmal die ohnehin sehr niedrigen Umweltschutznormen einhalten konnten.
Die durchschnittliche Lebenserwartung lag in der DDR deutlich unter der der Bundesrepublik. Zwar hatte Umweltpolitik Verfassungsrang aber rechtliche Einspruchsmöglichkeiten gegen Umweltschäden standen der Bevölkerung nicht zu und Daten sowie Statistiken aus dem Bereich Umwelt galten in der DDR als Staatsgeheimnis. Umweltschäden, speziell in besonders betroffenen Gegenden ließen sich aber nicht auf Dauer verheimlichen. Trotz des eindeutig politischen Charakters konnten Dissidenten darauf verweisen, dass Umweltschutz etwas zutiefst humanes sei, also ein Anliegen des Staates sein müsse, bei dem sich die Bürger helfend engagieren sollten. Diese (taktische) Betonung des Unpolitischen half bei der Mobilisierung. Es bildete sich eine Umweltschutzbewegung, die sich im Zusammenwirken mit Kirchen formierte und dann im Jahre 1989 mit zu den stärksten Kräften der Bürgerbewegung zählte.
Die Verzögerungs- und Irrtumskosten des etablierten Systems, auch im Umweltbereich, wurden so groß, dass der Veränderungsdruck von der Basis immer mehr anstieg, die Lernbereitschaft der Führung aber nicht ausreichte, um die notwendigen Veränderungen in der DDR insgesamt durchzuführen. Dieser Staat war im Jahre 1989 äußerst reformbedürftig, seine Führung aber nicht reformfähig.
Besondere Schäden durch Bergbau und verunreinigte Gewässer
In der DDR war die stark schwefelhaltige Braunkohle der wichtigste Energieträger, was dem Land die in Europa höchste Belastung bei Schwefeldioxid und Staub einbrachte; diese Emissionen erreichten pro Kopf im Vergleich zur Bundesrepublik einen 15fachen Wert. Die Belastung war im täglichen Leben deutlich zu spüren und im Erzgebirge (bewaldete Landschaft zwischen Deutschland und Tschechien) deutlich zu sehen. In einigen Industriestandorten waren die Schäden besonders gravierend, so z. B. um Raum Bitterfeld durch Chemiekombinate, in Aue durch den auch von der Sowjetunion geforderten Uranbergbau und in einigen Flüssen, so zum Beispiel die meist ungefilterte Einleitung von Kalisalzen und Abwässern in den Fluss Werra. (Zur Gesundheitsgefährdung des Uranbergbaus, vor allem durch Krebserkrankungen, siehe Dokument 23).
2. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt wurden ergriffen?
Zusammenarbeit in Umweltfragen zwischen beiden deutschen Staaten
Der grenzüberschreitende Charakter der Verursachung von Umweltproblemen war offenkundig, sinnvolle Zusammenarbeit in der Zeit der Blockkonfrontation aber kaum möglich. Sie gestaltete sich langsam und führte zu wenig konkreten Maßnahmen:
· Artikel 7 des im Dezember 1972 geschlossenen „Grundlagenvertrages“ zwischen beiden deutschen Staaten nennt Bereiche der Zusammenarbeit, so auch den Umweltschutz.
· Erst ab 1982 kam es zu einzelnen Vereinbarungen.
· Im September des Jahres 1987 wurde ein deutsch-deutsches Umweltabkommen unterzeichnet, das eine Zusammenarbeit auf allen Gebieten des Umweltschutzes vorsah und vorrangig dem Informationsaustausch dienen sollte.
· Am 17. Januar 1990 erfolgten ein Treffen der beiden Umweltminister und die Unterzeichnung einer Vereinbarung über den Aufbau eines Smog-Frühwarnsystems und die Bildung einer gemeinsamen Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen.
· Die gemeinsame Kommission vereinbart Ende Februar 1990 das Ziel einer „Umweltunion.“ Nach der Vereinigung dominiert auch auf diesem Gebiet die (westliche) Bundesrepublik.
· Rechtsvorschriften der Bundesrepublik werden 1990 übernommen, auch solche aus dem Bereich des Umweltschutzes. (Dokument Nr. 2)
Bei den Verhandlungen um die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion musste die Delegation der DDR durchsetzen, dass die bundesdeutschen Umweltvorschriften im Beitrittsgebiet erst nach einer Übergangsphase von fünf Jahren geltendes Recht wurden, sonst hätte 1990 ein Großteil der Betriebe geschlossen werden müssen. Für neu errichtete Anlagen galten sofort die Umweltvorschriften der Bundesrepublik. Das Umweltrecht der Bundesrepublik und die Einspruchsmöglichkeiten von Betroffenen waren über einen langen Zeitraum gewachsen und eingeübt. Auch nach fünf Jahren Übergangszeit gab es häufig Probleme in den neuen Ländern mit diesen Bestimmungen. Die langen Genehmigungszeiträume waren oft hinderlich bei Investitionen.
Umweltschutz als Staatsziel
Als es im Jahre 1990 schließlich zu intensiverer Zusammenarbeit kommt, wird auch die Umweltpolitik von den sich rasch ändernden politischen Entwicklungen beeinflusst; als dann im Vollzug der deutschen Einigung in den 1990er Jahren die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern drastisch zunimmt, wird Umweltschutz in den Hintergrund gedrängt, denn auch Umweltschutz ist konjunkturabhängig. Allerdings wurde in diesem Zeitraum „Umweltschutz“ als Ziel in mehrere Verfassungen von Bundesländern aufgenommen und ab Sommer 1994 steht bei den Staatszielen im neuen Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung.“ Diese politische Kompromissformel führte nicht zu einer schnellen Intensivierung der Umweltpolitik, die erst nach dem Regierungswechsel im September 1998 in die Wege geleitet wurde.
Im Jahre 1990 wurde erst das Ausmaß der Umweltprobleme in der ehemaligen DDR deutlich und Sanierung zur vorrangigen Aufgabe. Die Kenntnisse über das Ausmaß erweiterten sich, als die sowjetischen/russischen Truppen die neuen Bundesländer verlassen und Umweltschäden zurückgelassen hatten.
Die Vorrangigkeit wird dann auch im Einigungsvertrag benannt: „Vorrangig sind Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung vorzusehen.“ (Art. 34/2) Zur weiteren Planung und Schwerpunktsetzung wurden im November 1991 vom Bundesumweltministerium „Eckwerte der ökologischen Sanierung und Entwicklung in den neuen Ländern“ benannt. In diesem Dokument schrieb der Minister in seinem Vorwort: „Die ökologische Erblast ist gewaltig. Erst nach und nach kommen die dramatischen Fakten auf den Tisch. Auch wenn es noch immer an einem vollständigen Überblick über das ganze Ausmaß der Umweltzerstörung fehlt: Wir können auf diese Bilanzen nicht warten.“ (Dokument Nr. 6, Seite 5)
Umweltniveau der Bundesrepublik als Orientierung
Nach der Wahl vom März 1990 hatten sich Parlament (Volkskammer) und Regierung der „neuen“ DDR auch um Umweltschutz bemüht und am 29. Juni ein Rahmengesetz verabschiedet, dass dann die Grundlage für gesamtdeutsche Rechtseinheit auf diesem Gebiet bildete. Dieses Rahmengesetz beruhte in wesentlichen Teilen auf bundesdeutschem Umweltrecht und war als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gesamtdeutschen „Umweltunion“ konzipiert worden. (Dokument Nr. 3, Text des Gesetzes Dokument Nr. 4).
Bereits vorher, im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (18. Mai 1990), hatte sich die DDR zu weitreichenden Maßnahmen beim Umweltschutz und einer Übernahme des Umweltrechts der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet (Art. 16/3). Eine Stellungnahme des Umweltausschusses der Volkskammer findet sich in Dokument Nr. 1.
In seinem Artikel 34 nimmt dann der Einigungsvertrages Bezug auf diesen Artikel 16 und das Rahmengesetz, er nennt als Aufgabe der Gesetzgeber: „…die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen unter Beachtung des Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzips zu schützen und die Einheitlichkeit der ökologischen Lebensverhältnisse auf hohem, mindestens jedoch dem in der Bundesrepublik Deutschland erreichten Niveau zu fördern.“ (Art 34/1) Diese Definition von „Niveau“ war wichtig und die Bundesregierung beschloss, „spätestens bis zum Jahr 2000 das bestehende Umweltgefälle zwischen beiden Teilen Deutschlands auf hohem Niveau“ auszugleichen. Das bedeutete, innerhalb von zehn Jahren sollte in positivem Sinne Gleichrangigkeit erzielt werden, also eine Anhebung der Umweltsituation der neuen Länder auf die der „westlichen“ Bundesrepublik. Ein erstes Programm für ökologische Sanierung und Entwicklung in den neuen Ländern präsentierte das Bundesumweltministerium im November 1990.
Das Ziel, in zehn Jahren das „hohe Niveau“ zu erreichen, war so notwendig wie ehrgeizig, denn in rund 40 Prozent der Gesamtfläche der neuen Bundesländer war das ökologische Gleichgewicht gestört. Abgesehen von Problemen mit ehemaligen Militärgeländen sowjetischer/russischer Streitkräfte waren die Altlasten waren ungleich verteilt (Dokument 19); besonders dringend und groß war der Sanierungsbedarf:
· im „Chemiedreieck“-Bitterfeld-Leipzig-Halle-Merseburg.
· Im ehemaligen Bergbaugebiet des Mansfelder Landes (Sachsen-Anhalt), Dokument 15, S. 14f. und Dokument 21.
· Im Braunkohlegebiet südlich von Leipzig (Dokument Nr. 1) und in der Niederlausitz (Brandenburg). „Insgesamt wurden seit 1990 bis Ende 2008 rund 8,5 Mrd. € Bundes- und Landesmittel für die Braunkohlesanierung eingesetzt.“ (Dokument 21, S. 4. Eine detaillierte Aufstellung von Kosten findet sich in Dokument 24).
· Bei den Uranbergbaugebieten in Sachsen und Thüringen. Hier wurden insgesamt etwa 231.000 Tonnen Uranerz gefördert, bis 1990 war die DDR „der drittgrößte Uranerzproduzent der Welt. Zwischen 1946 und 1989 waren etwa eine halbe Million Personen im sächsisch-thüringischen Uranbergbau beschäftigt.“ Dokument 23, S. 1. Die Tätigkeit der SDAG Wismut wurde Ende Dezember 1990 eingestellt, die Abraumhalden hatten eine Fläche von 17 km² und bestanden aus 550 Mio. t Material, siehe Dokumente Nr. 7-9, 17, und 18. In einem Bericht aus dem Jahre 2007 steht zu den Kosten: „Unter Berücksichtigung der im Verwaltungsabkommen Wismut-Altstandorte bereit gestellten 78 Mio. EUR ergibt sich aus den Gesamtsanierungskosten in Höhe von 215,7 Mio.EUR ein verbleibender maßnahmenbezogener Finanzierungsbedarf in Höhe von 137,7 Mio. EUR und ein Betrag in Höhe von 2,5 Mio. EUR/a für jährliche Aufwendungen und Folgekosten.“ (Dokument 20, S. 6).
· An Teilen der Küste von Mecklenburg-Vorpommern, hierzu gehörte auch die Stilllegung und der Abbau des im Dezember 1990 abgeschalteten Kernkraftwerks in Greifswald. (Dokument Nr. 11; zur Sanierung ökologischer Altlasten in Mecklenburg-Vorpommern siehe Dokument Nr. 16).
· Sachsen-Anhalt hatte wegen der ehemaligen industriellen Kernzonen mit besonders schwerwiegenden Verunreinigungen von Luft, Boden und Grundwasser zu kämpfen und die Sanierung erforderte einen besonders hohen finanziellen Aufwand. In Dokument 15, S. 5 ist dazu zu lesen: „In den zurückliegenden Zeiträumen (von 1993 bis 2001) wurden insgesamt etwa 350 Mio. EUR für die Altlastensanierung in Sachsen-Anhalt aufgewendet. Bis 2004 werden voraussichtlich noch weitere 230 Mio. EUR fließen. Damit werden sich die Gesamtausgaben für die Altlastensanierung bis 2004 voraussichtlich auf 580 Mio. EUR belaufen.“
Verursacherprinzip und Schadensbeseitigung
Generell gilt das Verursacherprinzip, d. h. die Betriebe, die den Schaden verursachen, müssen ihn beseitigen, für andere Fälle sind die Gemeinden und private Haushalte zuständig. Kurz nach der deutschen Einigung (1990) waren Gemeinden und Haushalte nicht in der Lage diese Aufgaben zu leisten, was auch für Firmen galt, sollten sie überhaupt noch existieren. Die nach Russland zurückgekehrten Truppen waren ohnehin nicht mehr schadensersatzpflichtig zu machen.
Zur Koordinierung der Bemühungen um die Beseitigung von ökologischen Altlasten wurde dann eine „Gemeinsame Arbeitsgruppe“ installiert, der Vertreter des Bundes, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und der Länder angehörten (Dokument Nr. 13).
Wegen der Größe des Problems war es unerlässlich, dass der Bund sich vorrangig dieser Aufgabe annahm. Finanzierung (direkte Mittel und Kredite) kam vom Bund, von den Ländern und Gemeinden, von der Deutschen Ausgleichsbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und aus Fonds der Europäischen Union. Ein Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom September 1995 über Soforthilfen und Investitionsprogramme ist in Dokument 33 zu finden. Eine Bilanz nach zehn Jahren enthält Dokument Nr. 34.
Investitionsförderung durch Freistellung von Sanierungspflicht
Große Anstrengungen wurden unternommen, Altlasten (z. B. kontaminierter Boden) nicht zum unüberwindlichen Investitionshemmnis werden zu lassen. Viele Käufer und Investoren waren nicht in der Lage, die von anderen hinterlassenen Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen. Das Problem wurde früh erkannt und im Dezember 1990 erfolgte eine Modifizierung der Altlastenfreistellungsklausel. Laut „Hemmnisbeseitigungsgesetz“ vom März 1991 hatten Eigentümer, Besitzer und Käufer die Möglichkeit, auf Antrag von der Sanierungspflicht freigestellt zu werden bezüglich Schäden, die vor dem 1. Juli 1990 entstanden waren. „…soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung freistellt. Eine Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besitzers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstückes möglicherweise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist. Die Freistellung kann mit Auflagen versehen werden.“ (Dokument Nr. 5)
Im Zeitraum von knapp acht Jahren (1991-98) wurden etwa 700.000 Anträge gestellt. Der Bund, die Treuhandanstalt und die betroffenen Länder trafen eine Übereinkunft, nach der eine Aufteilung der Kosten erfolgen sollte; die Treuhand, bzw. ihre Nachfolgeorganisation übernahmen 60, die Länder 40 %. Bei besonders umfangreichen Projekten (z. B. Sanierung des Braukohlereviers) kam ein anderer Verteilerschlüssel zur Anwendung, 75 : 25 %. Für einen Zeitraum von zehn Jahren wurden Mittel von rund 15 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
Die Praxis konnte innerhalb des vorgegebenen Rahmens flexibel gestaltet werden (Dokument Nr. 19); die rechtliche Grundlage im Land Sachsen-Anhalt beschreibt Dokument Nr. 13, das „Gesetz über die Errichtung einer Landesanstalt für Altlastenfreistellung“ vom 25. Oktober 1999. (Zu Altlastensanierung und Freistellungen in Sachsen-Anhalt siehe auch Dokument Nr. 15)
„Die Freistellung erfolgt im Land Brandenburg durch die untere Abfallwirtschaftsbehörde im Einvernehmen mit dem Umweltministerium. Entsprechende Anträge konnten bis zum 28.03.1992 gestellt werden. Im Land Brandenburg wurden 9.446 Anträge gestellt, von denen bisher 809 zu einer Freistellung geführt haben. Insgesamt wird mit rd. 875 Freistellungen gerechnet. … Das brandenburgische Umweltministerium hat im Rahmen der Freistellung für Untersuchungen und Sanierungen jährlich rd. 55 Mio. DM, d.h. 27 Mio. EUR zur Verfügung gestellt.“ (Dokument, 14, S. 175)
Bestandsaufnahme und Prioritätensetzung
Vor der eigentlichen Beseitigung von Umweltschäden musste eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, denn anfänglich gab es nur Vermutungen. In den neuen Bundesländern, so wurde anfänglich geschätzt, seien über 80.000 Altlastenverdachtsflächen vorhanden, im Jahre 1990 waren 70.000 konkret erfasst worden. Der erforderliche Kostenaufwand war kaum präzis zu ermitteln, dennoch waren Grobschätzungen und Größenordnungen für die Planung erforderlich. In den 1990er Jahren wurden prognostiziert, dass für die Beseitigung der Altlasten allein mehr als 100 Milliarden Euro notwendig seien (die Hälfte dieser Summe für die Abwasserentsorgung). In den Jahren 1991 bis 1997 wurden insgesamt 153 große Kläranlagen neu in Betrieb genommen.
Prioritätensetzung entsprechend der Gefahrenlage war erforderlich und es wurden 23 Großprojekte identifiziert, mit einem Sanierungsbedarf von jeweils über 50 Millionen Euro. Einer der vorrangig zu lösenden Fälle war die Sanierung der Hinterlassenschaft der Uranbergwerke Wismut, was über 7 Milliarden Euro erforderte.
Während die Sanierung neue Arbeitsplätz schuf, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, gingen gleichzeitig Arbeitsplätze verloren. Oft waren die unrentabelsten Betriebe auch die größten Umweltverschmutzer, ihre Stilllegung bewirkte positive (saubere Umwelt) und negative (Entlassungen) Effekte. Es war also eine Kombination von Sanierung, Stilllegung, Modernisierung und Neuaufbau erforderlich, was besonders auf das „Chemiedreieck“ und die Braunkohlereviere zutraf.
Für die umfassende Sanierung des Braunkohlegebiets wurde der finanzielle Aufwand insgesamt auf 16 Milliarden Euro geschätzt. „Im Rahmen des Bundesprogramms zur Braunkohlesanierung stehen den Ländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Zeitraum 1993 bis 1997 bis zu 1,5 Mrd. DM und für 1998 bis 2002 bis zu 1,2 Mrd. DM, d.h. 600 Mio. EUR zur Sanierung der aus der Gewinnung und Veredelung von Braunkohle resultierenden ökologischen Altlasten im Mitteldeutschen und im Lausitzer Braunkohlerevier zur Verfügung.
„Mit der kurzfristigen und ungeplanten Stilllegung von Tagebauen und Veredelungsanlagen im Zeitraum von 1990 bis 1993 und den Versäumnissen der ehemaligen Braunkohlenkombinate in der Wiedernutzbarmachung ist ein hoher Sanierungsbedarf in Umfang und Kosten entstanden.“ (Dokument 14, S. 176)
· Eine Fläche von rund 120.000 Hektar war zu sanieren.
· Menschen wurden umgesiedelt;
· Flächen wieder nutzbar gemacht und aufwendig renaturiert, bepflanzt;
· über 4,3 Mio. m³ hoch kontaminierter Bauschutt entsorgt;
· der Braunkohlebergbau grundlegend modernisiert;
· die zur Energiegewinnung weiterhin erforderliche Braunkohle weitgehend entschwefelt;
· von den 215 zu sanierenden Tagebaurestlöchern wurden 163 als Restseen gestaltet, 28 Restlöcher verfüllt und an 24 trockenen Restlöchern Böschungen angelegt und gesichert;
· die neu geschaffenen Seen wurden durch Wasserwege miteinander verbunden, um ein großes Erholungsgebiet zu schaffen und den Tourismus zu fördern.
· Die Braunkohlesanierung hatte 3.107 neue Arbeitsplätze geschaffen (Stand im Jahr 2008, siehe Dokument Nr. 21, S. 5).
Ein großes Problem war die Verschmutzung von Gewässern.
· In der DDR wurden 95 % der Industrieabwässer nur unzureichend behandelt und ungeklärt in Gewässer geleitet.
· Bezüglich der Abwässer waren nur 31 % der Bevölkerung an eine biologische Kläranlage angeschlossen;
· nur 3 % der Wasserläufe und 1 % der stehenden Gewässer waren ökologisch intakt;
· 42 % der Wasserläufe und 24 % der stehenden Gewässer waren selbst bei Anwendung aufwendigster Technologie nicht mehr zur Versorgung von Trinkwasser zu nutzen. Auch die Grundwasserbeschaffenheit hatte sich durch industrielle Ballungsgebiete und intensive Landwirtschaft verschlechtert und war durch eine hohe Nitratbelastung, vor allem in Sachsen und Thüringen, gekennzeichnet (Dokument Nr. 33, S. III)
· Probleme gab es nicht nur bei Trinkwasser, sondern auch bei Wasserwegen: 60 bis 70 % der vorhandenen 36.000 Kilometer öffentlicher Kanäle wiesen bauliche Schäden auf.
Positive und negative Konsequenzen
Die mit großem Finanzaufwand und Arbeitseinsatz, auch durch Einsatz von „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ (ABM), betriebene Sanierung und Abwendung von Umweltschäden brachte schnell spürbare Erfolge, innerhalb weniger Jahre gingen die Staubemissionen um 77 % und die Belastungen durch Schwefeldioxid um 52 % zurück. (Zum Beispiel der Stadt Dresden siehe Dokument Nr. 33, S. XIII).
Es ist allerdings ratsam, die Reduktionen genauer zu betrachten. „Im Umweltgutachten 2000 des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen wird konstatiert, dass die Abnahme der Kohlendioxidemissionen in Deutschland zwischen 1990 und 1995 um elf Prozent (110 Megatonnen) ausschließlich auf dem Gebiet der neuen Bundesländer stattfand. Hier betrug der Rückgang 43,5 Prozent, während er im gleichen Zeitraum in den alten Bundesländern um 22,6 Megatonnen anstieg.“[1] Die Kosten brachten positive Ergebnisse, wenn auch ungleich verteilt, außerdem gab es Einsparungen, so zum Beispiel weniger umweltbedingte Krankheitsfälle.
Durch Stilllegungen aber auch durch Modernisierung und durch Veränderungen bei Energieträgern ließen sich schnelle positive Effekte erzielen:
· Der Verbrauch an Primärenergie sank in den neuen Bundesländern zwischen 1989 und 1995 um 44 %, während er in der „westlichen“ Bunderepublik um 8 % stieg.
· Allerdings sind Motorisierungsdichte (z. B. Anschaffung von PKW) und auch das Müllaufkommen in den neuen Ländern deutlich angestiegen. (Dokument Nr. 35)
Früher Grenzstreifen, jetzt Freilichtmuseum und „Grünes Band“
Die deutsche Einheit ermöglichte bzw. erforderte nicht nur dringend notwendige Schadensbeseitigung und Sanierung im Umweltbereich, sie war auch eine große Chance für den Naturschutz.
Die Grenze zwischen den Innenbezirken der beiden Teile Berlins bildete ab dem 13. August 1961 die berüchtigte „Berliner Mauer“, anderswo gab es einen tiefen und stark befestigten Grenzstreifen, der an einigen Stellen Felder, Kleinstädte und Dörfer durchtrennte. Ein Beispiel ist das Dorf Mödlareuth, das durch die Grenze zwischen Thüringen und Bayern geteilt war. Nach 1990 blieb ein Teil der Grenzanlagen bestehen, so z. B. 100 Meter Mauer und der Ort ist eine Touristenattraktion; im Jahre 2009 wurde dieses „Klein-Berlin“ von 75.000 Menschen besucht. Es entstand auch ein Museum, das über 12 Personen Beschäftigung gibt. (Das Dorf besteht noch immer aus einem thüringischen und einem bayerischen Teil, die Trennung ist verwaltungstechnischer Art und nicht mehr durch Mauer und Todesstreifen bewirkt.)
Eines der wenigen Projekte, das auf Bürgerbewegungen der DDR zurückgeht und dann als gesamtdeutsche Anstrengung umgesetzt wurde, ist der Nationalpark Harz, der sich über Gebiete in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen erstreckt. Seine höchste Erhebung, der Brocken liegt an der Grenze und war jahrzehntelang militärisches Sperrgebiet der DDR. Bereits im November 1989 tagten Arbeitsgruppen aus beiden Teilen Deutschlands, die jeweiligen Regierungen schufen dann 1990 rechtliche Grundlagen für einen Nationalpark. Eine Konkretisierung gab es im Dezember 2005 mit dem Gesetz über den Nationalpark „Harz“ (Sachsen-Anhalt)“, das im Dokument Nr. 32 abgedruckt ist; siehe auch Dokument Nr. 27. Informationen zum Nationalparkprogramm der DDR und dessen Weiterentwicklung nach 1990 finden sich in Dokument 31.
Im Sommer 1990 wurden die Grenzkontrollen weitgehend beendet und eine vorrangige Aufgabe war die Beseitigung der gefährlichen Grenzanlagen (Minen, „Todesstreifen“, Hundelaufanlagen, usw.). Teile der Grenze und einige ehemalige Kontrollstellen werden nun als Gedenkstätten genutzt, aber ansonsten ist der Verlauf der „Berliner Mauer“ und der Grenze insgesamt an vielen Stellen nicht mehr erkennbar. Die deutsche Einigung bot die Chance, hier ein „Grünes Band“ zu schaffen; die ursprüngliche Anregung kam von engagierten Arten- und Naturschützern, sie wurde dann von der Politikaufgegriffen.
Dagmar Dehmer hat in einem Zeitungsartikel dieses Band beschrieben:
„Ein Gutes hat sogar die innerdeutsche Grenze gehabt: Der ehemalige Todesstreifen zwischen den beiden deutschen Staaten hat sich durch die Zwangsberuhigung zu einem Rückzugsraum für viele Tier- und Pflanzenarten entwickelt, zu einer Lebenslinie für rund 600 gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Seit nunmehr 21 Jahren verbindet das Grüne Band, entlang dessen sich 150 Naturschutzgebiete wie eine Perlenkette aneinanderreihen, 17 Naturräume und 109 verschiedene Lebensraumtypen miteinander.
Das Grüne Band hat eine Länge von 1393 Kilometern und ist zwischen 50 und 200 Meter breit, insgesamt sind es 17 617 Hektar Fläche entlang der früheren innerdeutschen Grenze. Es erstreckt sich von der Ostsee über Elbe, Harz, Rhön, Thüringer- und Frankenwald bis ins sächsisch-bayerische Vogtland. Rund 85 Prozent des Gebietes sind noch intakt, knapp 30 Prozent der Fläche stehen unter Naturschutz, weitere 38 Prozent der Fläche sind als Flora-Fauna-Habitat-Gebiete gemeldet.“[2]
Die Gebiete, die das „Grüne Band“ bilden befanden sich im Besitz des Bundes, der den Ländern eine kostenfreie Übertragung anbot, die sie allerdings zur Pflege verpflichtete. Die betroffenen Bundesländer regierten unterschiedlich und es dauerte Jahre, bis eine endgültige Regelung getroffen werden konnte. Eine Erweiterung des Bandes erhielt durch die erste European Green Belt Konferenz in Bonn wichtige Impulse, sie ist ein europäisches Projekt. Ein „Grünes Band“ schlängelt sich über 8.500 Kilometer entlang der Linie, wo früher der „Eiserne Vorhang“ Europa trennte. Konkrete Planungen und deren Umsetzung wurden auch durch die im Mai 2004 erfolgte „Osterweiterung“ der EU möglich. Ein Bericht des Bundesamtes für Naturschutz trägt die Überschrift „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie: Eiserner Vorhang wird zum Grünen Band.“ (Dokument 29, Karten des deutschen und europäischen grünen Bandes finden sich am Anfang des Bandes Nr. 1, siehe auch Dokumente Nr. 26 und 30).
Der ehemalige „Mauerstreifen“ in Berlin
Die Grenze um Berlin (West) war 155 Km lang, davon 43 im Innenstadtgebiet (Mauer); an der Berliner Grenze standen 302 Beobachtungstürme, es gab über 1.150 Wachhunde und rund 12.000 Grenzsoldaten. Die Grenzanlagen wurden schnell beseitigt, aus ihnen wurden um Berlin teilweise Wanderwege. Im Innenstadtgebiet standen an der Grenze Miethäuser, die nach dem August 1961 sukzessive abgerissen wurden, um einen breiten Grenzstreifen anzulegen. Nach der deutschen Einheit stellten sich hier Fragen wie:
· Welche Nutzung ist sinnvoll und machbar?
· Sollen erneut Häuser errichtet werden?
· Wie sind Entschädigungen zu regeln?
· Welchen Umfang soll eine „Gedenkstätte Berliner Mauer“ haben?
· Wird die Gedenkstätte erweitert, kommt es dann erneut zu Entschädigungen oder gar Enteignungen?
Es gab Diskussionen, die sich über Jahre hinzogen, erst 1996 ermöglichte das „Mauergesetz“ (Dokument 25) eine Rückgabe der Grundstücke an Alteigentümer, die diese weiter verkaufen durften. Neben wirtschaftlichen Erwägungen gibt es auch eine Fülle rechtlicher Probleme und unterschiedliche Eigentümer dieser Grundstücke: öffentliche (Bund und Land Berlin) sowie private.
Das Gesetz ermöglichte keine kostenfreie Rückgabe, sondern regelte einen Rückerwerb: „Ehemalige Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger (Berechtigte) können ihre früheren, jetzt bundeseigenen Mauer- und Grenzgrundstücke zu 25 vom Hundert des Verkehrswerts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erwerben, sondern der Bund sie nicht für dringende eigene öffentliche Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse an Dritte veräußern will. Wenn die sofortige Entrichtung des Kaufpreises für den Käufer mit einer erheblichen Härte verbunden ist, kann der Kaufpreis gegen eine Verzinsung von 4 vom Hundert gestundet werden.“ (§ 2, 1; Dokument 25)
3. Was könnte für Korea relevant sein?
Vor dem vorsichtigen Versuch, diese Frage zu beantworten, kommt immer die Feststellung, dass die Entwicklung in Deutschland keinen Modellcharakter habe und das es schwer, wenn nicht gar unmöglich sei, die Entwicklung Koreas zu prognostizieren. Was allerdings den Bereich von Sanierung und Umweltschutz angeht, so ist hier die Frage nach Relevanz etwas leichter zu beantworten.
Wie auch immer Korea sich entwickelt, was Umweltschutz, auch Sanierung im Norden anbelangt, so wird es Entscheidungen geben müssen in einem Spannungsfeld, das von
· Prioritätensetzung beim Einsatz finanzieller Mittel,
· Umweltschutz,
· Naturschutz,
· Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität,
· Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungsfragen,
· Modernisierungsbestrebungen und Interessen der Tourismusbranche
· und Eigentumsfragen gekennzeichnet ist.
Sofortmaßnahmen, auch wegen Gesundheitsschutz, werden Vorrang haben müssen, danach sollten sorgfältig geplante Programme kommen, deren Ziel neben Wirtschaftlichkeit vor allem Nachhaltigkeit sein muss; es wird ein sehr schwieriger Interessenausgleich sein.
Wegen der Größe der Probleme wird dem Staat eine sehr aktive Rolle zukommen. Wegen der Kompliziertheit der Lösungen wird es unerlässlich sein, den Sachverstand und die Kooperation von Menschen im Norden einzubeziehen.
Bei umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsprogrammen im Norden werden hohe Kosten entstehen, aber auch hier ist eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse erforderlich, die den Ausgaben die Verbesserungen (letztlich auch Einsparungen) gegenüberstellt.
Wie in den neuen Bundesländern werden ein umfassendes Modernisierungsprogramm und ein radikaler Strukturwandel zwar große Kosten verursachen, aber auch Einsparungen und eine deutlich verbesserte Lebensqualität ermöglichen. Im Norden könnte die neueste Umwelttechnologie zur Anwendung kommen, auch in anderen Bereichen wäre ein enormer Modernisierungsschub möglich.
Es wird einen sehr großen Energiebedarf im Norden geben, im privaten (z. B. Heizung), im öffentlichen (z. B. Verkehr) und im privatwirtschaftlichen Bereich. Vor- und Nachteile sind möglichst realistisch zu kalkulieren; langfristige Projekte, die die Region Nordost-Asien einbeziehen, könnten Finanzierungshilfe auch durch internationale Institutionen, wie z. B. die Asian Development Bank, erhalten.
Ein besonders interessantes Projekt wird die Umgestaltung der Entmilitarisierten Zone (DMZ) sein. Hier wird es vorrangig um den Abbau von gefährlichen Grenzinstallationen, wie z. B. Minenfeldern gehen. Kommt es nicht zu einer plötzlichen Vereinigung, wird für eine Übergangszeit ein kontrollierter Grenzverkehr für beide Seiten notwendig sein. Hier ist die frühzeitige Etablierung von gemischten Arbeitsgruppen unerlässlich.
Im engen Zusammenwirken beider Seiten sollte eine spätere Nutzung der DMZ geplant werden. Hier wären internationaler Sachverstand und Finanzierung hilfreich. Das Konzept des „Grünen Bandes“ ist sicher ein interessantes Studienobjekt, so auch ehemalige Grenzanlagen in Deutschland, die zu Gedenkstätten oder Museen umgewandelt wurden (z. B. Helmstedt).
Ein eventuelles zukünftiges regionales „Grünes Band“ könnte auch die Außengrenzen einbeziehen, d. h. die Grenzen zur Volksrepublik China und Russland.
Eine dann wirklich entmilitarisierte und befriedete Zone hätte ein enormes Potential für Tourismus unterschiedlichster Art. Wirtschaftliche Interessen sollten jedoch mit anderen sehr sorgfältig abgewogen werden. Dieser jetzt Korea noch durchtrennende Streifen ist auch ein Naturreservat und er beherbergt interessante historisch-archäologische Orte, die es unbedingt zu pflegen und zu bewahren gilt!
[1]Zschiesche, Michael: Umweltschutz in Ostdeutschland – Versuch über ein schnell verschwundenes Thema. Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27 aus 2003, S. 38.
[2]Dehmer, Dagmar: Vom Todesstreifen zur Lebenslinie. Das Grüne Band Deutschland und entlang des Eisernen Vorhangs in ganz Europa ist ein einzigartiges Rückzugsgebiet für die Natur geworden. Der Tagesspiegel, 4. September 2010, S. B 4.