Siedlungen mobiler Viehzüchter
Alexander von Humboldt – Institutspartnerschaft
Die Siedlungen mobiler Viehzüchter: Die mikroregionale Erschließung einer spätbronzezeitlichen Kulturlandschaft im Süden der Republik Moldova
Von 2016 bis 2019 führten Dr. habil Eugen Sava, Direktor des Nationalmuseums für die Geschichte der Rep. Moldova, und Elke Kaiser ein Kooperationsprojekt im Rahmen einer Institutspartnerschaft durch, die von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wird. Im Zentrum der Forschungen standen die Siedlungen der spätbronzezeitlichen Noua-Sabatinovka-Kultur im Süden der Republik Moldova. Damit traten die beiden Projektpartner einem Forschungsdesiderat entgegen, denn die Siedlungen der späten Bronzezeit wurden bislang nur intensiver für den Norden des Landes untersucht, unter anderem auch mit einem von der DFG geförderten und bereits abgeschlossenen Forschungsvorhaben von E. Sava und E. Kaiser (2011). Für die Noua-Sabatinovka-Kultur bilden die sogenannten Aschehügel ein Kennzeichen. Sie sind die Relikte der spätbronzezeitlichen Siedlungen in der Steppen- und Waldsteppenzone. Entsprechend wurde in einem Survey 2016 nach diesen auffälligen Verfärbungen gesucht.
Dafür wurden zunächst die bereits erfassten Fundplätze, für die bei kursorischen Begehungen keramisches Material der Noua-Sabatinovka-Kultur dokumentiert worden ist, erneut aufgesucht und begangen. Von den 65 wurden 59 Fundplätze wieder aufgefunden. Allerdings konnten lediglich 20 sicher anhand der Lesefund als Fundorte der Noua-Sabatinovka-Kultur identifiziert (Abb. 1). Bei vielen anderen Stellen haben Erosionsvorgänge durch intensive landwirtschaftliche Tätigkeiten zu einer Zerstörung geführt. Während im Norden der Republik Moldova viele spätbronzezeitlichen Siedlungen bereits anhand der sogenannten Aschehügel gut zu erkennen sind, konnten solche hellen Verfärbungen im Süden bei den Begehungen nicht beobachtet werden.
Doch gelang es ebenfalls 2016 bei der Stadt Taraclia einen Fundplatz mit ‚Aschehügel‘ zu identifizieren. Der Fundplatz „Gaidabul“ hebt sich hinsichtlich seiner topografischen Lage von vielen anderen Siedlungen der Noua-Sabatinovka-Kultur ab. Er ist nicht in der Aue gelegen, sondern befindet sich auf einem Plateau (Abb. 2), das auf der südlichen Hangschulter oberhalb des Flusstales Taraclia Balca liegt. Das Gelände ist zurzeit mit Steppengras überwachsen. Das geomagnetische Bild zeigte zahlreiche Anomalien, allerdings ist noch zu prüfen, inwieweit diese auf spätbronzezeitliche Siedlungsaktivitäten zurückzuführen sind. Ein Testschnitt, der im Westen an der Plateaukante angelegt wurde, gab ein helles Sediment zu erkennen, wie es typisch für sogenannte Aschehügel ist. Die 14C-Datierung eines Tierknochens hieraus entspricht dieser relativen zeitlichen Einordnung, die anhand der hier geborgenen spätbronzezeitlichen Keramik erfolgte (Kaiser et al. 2020).
Dieser Platz wurde für großflächige Ausgrabungen von 2017 bis 2019 ausgewählt und rund 700 m2 ausgegraben. Die Kulturschicht war in den einzelnen Bereichen unterschiedlich mächtig, was auf verschiedene taphonomische Prozesse zurückzuführen ist. 39 Gruben wurden freigelegt, mit unterschiedlichen Ausmaßen, Formen und Verfüllungen. Ein annähernd rechteckiger Hausgrundriss mit einer Herdstelle wurde ausgegraben (Abb. 3). Im nordwestlichen Bereich kamen die Reste einer Steinsetzung zutage, wie sie typisch für spätbronzezeitliche Siedlungen in der Grassteppe sind (Abb. 4). Neben Keramikfragmenten, die fast ausschließlich der Noua-Sabatinovka-Kultur zugeordnet werden kann, wurde Schlachtabfall in großer Anzahl geborgen und von M. Groot ausgewertet (Groot et al. im Druck). Geschlämmte Sedimentproben ergaben vereinzelte verkohlte pflanzliche Makroreste, die von S. Karg als Hirse und Gerste bestimmt werden konnte. Die schlechte Erhaltung verhinderte teilweise allerdings auch die konkrete Bestimmung der Getreidespezies. Immerhin viermal gelang mittels Radiokarbondatierung die absolutchronologische Bestimmung von Getreideresten aus vier Gruben in das 14.-11. Jh. cal BC. Damit liegen erstmalig naturwissenschaftlich datierte Getreidenachweise aus der späten Bronzezeit für das nordwestliche Schwarzmeergebiet vor! Ihre Bedeutung ist angesichts des bisherigen Forschungsstand und der oft kontroversen Beurteilung, welche Rolle Ackerbau in dieser Zeit in der Region nördlich des Schwarzen Meeres gespielt hat, besonders hervorzuheben. Ein weiteres wichtiges Ergebnis bilden die 19 neuen Radiokarbondatierungen, die zum einen die Siedlung in kalibrierte Zeiträume zwischen dem 15. und 11. Jh. cal BC stellen. Gleichzeitig ergänzen sie die bisherige Serie von 14C-Datierungen für die Noua-Sabatinovka-Kultur erheblich.
Das gesamte Fundmaterial wird zusammen mit den Befunden derzeit für eine Monografie aufgearbeitet (Sava et al. im Druck). Die Siedlung Taraclia-Gaidabul unterscheidet sich hinsichtlich mehrerer Aspekte deutlich von den in der Waldsteppe gelegenen Siedlungen mit sogenannten Aschehügeln, dazu gehören die topograpische Lage, der Grundriss eines Hauses unterhalb des Hügels und die Fragmente von mächtigen Vorratsgefäßen. Andere Merkmale, wie die Tierknochenassemblage, die auf Rinder spezialisierte Viehzucht nahelegt, die sonstigen keramischen Funde und Objekte aus anderen Materialien, ebenso wie das helle mächtige Sediment, das jedoch nicht aus Asche besteht und die Siedlungsreste überlagert, sind hingegen direkt mit anderen Fundplätzen der Noua-Sabatinovka-Kultur zu vergleichen.
Abb. 1. Karte mit den Siedlungen der Noua-Sabatinovka-Kultur in der Republik Moldova (aus Sava 2014, Fig. 2)
Abb. 2. Blick auf das Siedlungsplateau von Taraclia-Gaidabul aus Süden. Im Vordergrund ist die Erosionsrinne zu sehen, an deren Rand das helle Sediment des sogenannten Aschehügels zu Tage kam (Foto E. Kaiser 2016)
Abb. 3. Luftaufnahme der Ausgrabungssituation, zentral unter den Profilstegen ist der Grundriss des rechteckigen Hauses zu erkennen (Foto E. Kaiser 2018)
Abb. 4. Foto der Reste einer Steinkonstruktion im Nordosten der Ausgrabungen (Foto E. Mistreanu 2019)
Literatur:
M. Groot, E. Kaiser, E. Sava, Subsistence in the Late Bronze Age of the northern Black Sea region: a case study of Taraclia-Gaidabul (Republic of Moldova). Godišnjak 53, 2024, im Druck.
E. Kaiser, E. Sava, M. Sîrbu, E. Mistreanu, V. Bubulici, Similar but Different! Late Bronze Age Settlement Features in the Steppe and Forest Steppe. In: J. Maran, R. Băjenaru, S.-C. Ailincăi, A.-D. Popescu, Svend Hansen (eds), Objects, Ideas and Travelers. Contacts between the Balkans, the Aegean and Western Anatolia during the Bronze and Early Iron Age. Volume to the memory of Alexandru Vulpe. Proceedings of the Conference in Tulcea, 10–13 November, 2017. Universitäts-forschungen zur Prähistorischen Archäologie 350 (Bonn 2020) 395-415.
E.S. Sava u. E. Kaiser, Die Siedlung mit „Aschehügeln“ beim Dorf Odaia-Miciurin,Republik Moldova. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen. Biblioteca Tyragetia 19 (Chişinău 2011).
E. Sava, Așezări din perioada târzie a epocii bronzului (Noua-Sabatinovka) în spațiul pruto-nistrean. Tyragetia 26 (Chișinău 2014).
E. Sava, E. Kaiser, M. Sîrbu, E. Mistreanu, L. Sîrbu, V. Bubulici, Cercetărea așezărilor din perioada târzie a epocii bronzului în valea rîului Ialpug din stepa Bugeacului. Tyragetia Internațional IV (Chişinău im Druck)