Forschungsgrabung Hitzacker-Marwedel
Die bisherigen Untersuchungen umfassten:
- geomagnetische Prospektionen (20 ha)
- Bohrungen und kleinere Sondagegrabungen
- Flächengrabungen auf über 8.000 m²
- archäozoologische und -botanische Untersuchungen
Innerhalb des mindestens 20 ha großen Siedlungsareals konzentrierten sich die Ausgrabungen bislang auf den westlichen Teil der Siedlung. Ziel ist die exemplarische Freilegung von einem oder mehreren Gehöften, um erste Aufschlüsse über den prinzipiellen Aufbau der Siedlung zu erhalten.
Mit mehr als dreißig Grubenhäusern im ausgegrabenen Areal gibt sich bereits die besondere Stellung des Platzes im Vergleich mit anderen Siedlungen dieses Zeitabschnitts zu erkennen. Einen besonderen Umfang scheint zudem die Eisenverhüttung eingenommen zu haben: Reste von Rennfeueröfen wurden in großer Anzahl angetroffen, weitere Öfen lassen sich über die Geomagnetik identifizieren. Zusammengenommen dokumentieren die Befunde den besonderen Stellenwert von handwerklichen Tätigkeiten in diesem Teil der Siedlung. Ob die Grubenhäuser als Webhütten dienten, lässt sich jedoch nicht sicher belegen – gegenüber den mehreren Dutzend Spinnwirteln bleiben Webgewichte bislang rar.
Im Jahr 2010 gelang – nach langer Suche – der Nachweis des ersten Langhauses. Das rund 30 m lange Gebäude ist für seine Zeit auffallend groß. Ihm sind mehrere Grubenhäuser zuzuordnen, zahlreiche Rennfeueröfen umrahmen den Hofplatz. In einer nahe gelegenen Grube fand sich 2011 ein kleiner Tiegel, der auf Bunt- oder sogar Edelmetallverarbeitung hinweist. Zusammen mit dem überaus reichhaltigen Fundmaterial (u. a. mehrere Fibeln) ergibt sich nun ein erster Einblick in eines der kaiserzeitlichen Gehöfte von Marwedel. Es wird in den nächsten Kampagnen eine zentrale Aufgabe darstellen, Vergleiche mit weiteren Höfen im Siedlungsareal zu ziehen, um die soziale Stellung der Hofbewohner einordnen zu können.
Die archäozoologischen Untersuchungen konnten bereits deutliche Differenzen zwischen einzelnen Haushalten herausarbeiten. Generell fällt eine äußerst reichhaltige Versorgung auf, zu der auch zahlreiche Fischarten aus der nahe gelegenen Elbe und ein hoher Wildtieranteil zählen.
Aufschluss über die Entwicklung der Siedlung wird vor allem die laufende Bearbeitung der Keramik liefern. Derzeit ist von einem Besiedlungsbeginn im späten 1. Jh. auszugehen. Den Schlusspunkt setzt die Verfüllung eines Grubenhauses, das dendrochronologisch nach 230 n. Chr. errichtet wurde. Die beiden „Fürstengräber“ spiegeln daher offenbar nur einen Ausschnitt der mehrere Generationen umfassenden Besiedlung wider.
Lit.:
O. Harck, Siedlungsfunde bei den „Fürstengräbern“ von Marwedel, Kreis Lüchow-Dannenberg. In: Studia Antiquaria [Festschr. N. Bantelmann]. Universitätforsch. Prähist. Arch. 63 (Bonn 2000) 151–158.
H.-J. Nüsse, Geomagnetische Prospektion und archäologische Untersuchungen bei den „Fürstengräbern“ von Marwedel, Ldkr. Lüchow-Dannenberg. Praehist. Zeitschr. 82, 2007, 85–113.
H.-J. Nüsse, Alltägliches und Nichtalltägliches bei den „Fürsten von Marwedel“. Arch. Niedersachsen 12, 2009, 52–54.
H.-J. Nüsse, DFG-Projekt: „Herrenhöfe bei Prunkgräbern der römischen Kaiserzeit in Hitzacker-Marwedel“ – Aktuelle Ergebnisse und Perspektiven. Praehist. Zeitschr. (im Druck).