Die Zeit des Vereinigten Silla
27.06.2017
Die Zeit des Vereinigten Silla beginnt im Jahr 668 n. Chr., in welchem das Königreich Silla nach der bereits im Jahr 660 n. Chr. erfolgten Unterwerfung Paekches auch das Königreich Koguryŏ unterwerfen konnte.
In den Jahren nach der Reichgründung verlegte sich das Königshaus des Vereinigten Silla zunächst auf die Stärkung der Königsmacht, mit der bisherigen Hauptstadt des alten Silla, Kyŏngju, als Mittelpunkt.
Diese Königsmacht verstand sich dabei, nach der Tradition das alten Silla (57 v. Chr. – 660/668 n. Chr.), als Kulminationspunkt eines als kolp'umje bekannten Kastensystems. Dieses alleinig auf Herkunft beruhende Rangsystem sah auf der obersten Stufe, der sŏnggol, nur den engsten Kreis der Königsfamilie selbst, gefolgt von der chin'gol, der Rangstufe der erweiterten Königsfamilie und des sonstigen Adels. Eine im Jahr 788 n. Chr. nach dem Vorbilde Tang-Chinas für Verwaltungspositionen bis zu einem gewissen Range eingeführte Staatsprüfung namens toksŏsamp'umgwa vermochte an den realen Machtverhältnissen dieses Kastensystems nichts Grundlegendes zu ändern.
In dem derart gestalteten Herrschaftssystem war das Führen von Familiennamen nur einer sehr kleinen Elite von Familien namens Pak, Sŏk und Kim vorbehalten. All diejenigen, die nicht solchen Familien angehörten, führten nur eine Entsprechung zu den heutigen Vornamen.
Nach der Gründung des Vereinigten Silla waren es dann die Beamten der der chin'gol unmittelbar nachfolgenden Rangstufe der sogenannten yuktup'um, welche meist in Tang-China ausgebildet worden waren, die begannen, chinesische Namen als Familiennamen zu führen (I, Ch'oe, Chŏng, Son, Pae, Sŏl). An der Vorstellung eines Familienstammbaums fehlt es noch – wie sich auch darin zeigt, dass sich so frei auf chinesische Vorfahren bezogen wurde.
Die Chance zur Integration in das, wie soeben geschildert, noch weitgehend in der Tradition des alten Silla stehende Herrschafts- und Regierungssystem des Vereinigten Silla wurde den bisherigen Machthabern in den um 660/668 n. Chr. neu eroberten Gebieten kaum geboten. Wie oben bereits erwähnt waren die Möglichkeiten der Anwohner des früheren Paekche und Koguryŏ, in öffentliche Ämter aufzusteigen, nur sehr begrenzt. Auch zur Integration der eroberten Gebiete in die eigene Herrschaftssphäre entschied sich die Königsmacht im Vereinigten Silla nicht etwa für die Kooperation mit ortsansässigen Machthabern, den hojok, sondern ernannte Angehörige der chin'gol-Schicht des Zentrums zu den Souveränen (kunju) der neun neu konzipierten sogenannten chu.
Die Einwohner der eroberten Gebiete wurden, zusammen mit den Nachfahren verschiedener Rebellen, zu ch'ŏnmin erklärt, zu Angehörigen der nach damaliger Ansicht niedrigsten und in vielerlei Hinsicht entrechteten Klasse. Sie hatten in bestimmten Gebieten zu siedeln, in welchen sie wiederum bestimmten vorgegebenen Tätigkeiten nachzugehen hatten. Bei diesen handelte es sich um solche, die als schmutzig und unehrenwert galten, wie beispielsweise diejenige des Schlachtens.
Einige der ch'ŏnmin wurden zu sogenannten nobi. Auch bei den nobi handelte es sich somit ursprünglich vorrangig um Anwohner der in den Eroberungskriegen eroberten Gebiete. Später wurden jedoch auch Kriegsgefangene, Verbrecher und in Verschuldung Geratene zu nobi. Die genaue Definition dessen, was den Status der nobi ausmachte, ist im Einzelnen komplex und umstritten.
Klar ist, dass die nobi zu den ch'ŏnmin gehörten. Während die Bezeichnung ch'ŏnmin eher das Fehlen von Berechtigungen im Gesamtgefüge der Klassen betont, hebt die Bezeichnung nobi hervor, dass eine Person im Eigentum einer anderen Person oder des Staates steht (sanobi bzw. kongnobi). Ob, und, wenn ja, wie weit, sich der Begriff nobi dabei mit den Begriffen „Sklave“ oder „Leibeigener“ deckt, ist umstritten. Gegen eine zu weite Übereinstimmung spricht, dass die nobi nach vereinzelten Quellen durchaus dazu in der Lage waren, Eigentum, auch an Land, zu erwerben und mit diesem dann auch zu handeln. Zudem gab es neben den solgŏ nobi, die ihren Herren unmittelbar körperlich zu verrichtende Arbeit schuldeten und somit meist mit diesen zusammen lebten, auch die oegŏ nobi, die ihren Herren weniger die körperliche Arbeit selbst, als vielmehr durch solche zu gewinnende Güter wie Reis, Hanf- oder Baumwollstoffe schuldeten und daher auch von ihren Herren räumlich getrennt leben konnten.
Jedenfalls stellte umfassendes Eigentum an nobi wie auch an Land die Machtbasis dar, auf Grundlage derer die hojok in der Peripherie des Vereinigten Silla zunehmend an Einfluss gewinnen konnten. Ab etwa der Hälfte des 9. Jahrhunderts begannen sie die Bevölkerung ihrer Einflussgebiete direkt zu beherrschen, erlangten also als mit unabhängiger Militärmacht ausgestattete lokale Potentate eine quasi-staatliche Unabhängigkeit von der Zentralmacht. Dieser Prozess gipfelte darin, dass einige dieser hojok, in offener Rebellion gegen die zentrale Königsmacht, eigene kleinere Reiche innerhalb des Staatsgebietes des Vereinigten Silla gründeten.
Wie obenstehend bereits erwähnt musste sich der letzte König Sillas, Kyŏngsunwang (r. 927-935), schließlich dem durch eine Revolte von Seiten einiger Generäle und hojok an die Macht gelangten Wang Kǒn, dem späteren König T'aejo von Koryŏ (r. 918-943), geschlagen geben.
Das Ende des Vereinigten Silla kann somit als Folge einer unzureichenden Einbindung, und somit unzureichenden Kontrolle, konkurrierender ortsansässiger Mächte in die Machtsphäre der zentralen Königsgewalt gedeutet werden.