Till Förster, Universität Basel: Auf das Ungesagte Hören. Koloniales Erbe und die Arbeit mit den Bildern
Wie gehen Betrachterinnen und Betrachter in afrikanischen Gesellschaften mit Bildern um? Warum schweigen so viele von ihnen, wenn sie bestimmte Bilder sehen? Was verbirgt sich hinter ihrem Schweigen? Welche Bilder führen zu Schweigen und welche werden spontan kommentiert? Wer schweigt und wer zieht es vor zu sprechen? Was bedeutet dieser Umgang mit Bildern für Forschende aus dem Globalen Norden oder dem Süden? Und warum ist das anders, wenn es um dreidimensionale Darstellungen des Menschen geht, also vor allem Skulptur? Viele Forschende sehen sich mit diesen und ähnlichen Fragen konfrontiert, wenn sie mit afrikanischen Künstler:innen arbeiten. Manchmal ist deren Schweigen so irritierend, dass die Forschung abgebrochen wird. Der Gründe, warum Künstler:innen schweigen, gibt es viele. Historisch sind in zahlreichen afrikanischen Ländern Fotos zur Identifikation von «Untertanen», engl. subjects oder frz. sujets verwendet worden. Auf das Bild auf dem Ausweis reagieren manche, die längst zu Bürger:innen der Postkolonie geworden sind, noch heute höchst ambivalent. Zwar liegt die Kolonialzeit schon viele Jahrzehnte zurück, aber sie ist im kollektiven Gedächtnis weiterhin präsent. Ihr Erbe prägt den Umgang mit Identitätsdokumenten und Portraitfotos. Junge Menschen, die tagtäglich mit Telefonen Bilder aufnehmen und, seltener, sie mit anderen teilen, haben ein anderes Verhältnis zu Bildern — doch gleichwohl suchen sie deren indexikalische Qualitäten durch vielfältige Bearbeitung zu unterlaufen. Nicht nur werden auch heute Bilder in manchen autoritären Regimen eingesetzt, um unbotmässige Bürger zu identifizieren und zu verfolgen, sie haben zudem einen anderen lebensweltlichen Status als im Globalen Norden. Mit dieser Spannung müssen sich Forschende aus dem Globalen Norden nolens volens auseinandersetzen. Schlussendlich ist das Schweigen oft vielsagender als ein langer Kommentar. Dieser Vortrag beschäftigt sich mit methodischen Herausforderungen, wenn Kunstwissenschaft–ler:innen, Anthropolog:innen oder Kulturwissenschaftler:innen in postkolonialen Kontexten mit Bildern arbeiten. Der Vortrag stellt die diskursiven Formationen in den Vordergrund, die entstehen, wenn Leute mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründen gemeinsam Bilder betrachten.
Der Vortrag findet im Rahmen des von Peter Probst geleiteteten Kolloquiums zur Kunst Afrikas statt.
Interessierte Gäste sind sehr herzlich willkommen!
Zeit & Ort
11.06.2024 | 18:00 c.t. - 20:00
Raum A 124
Kunsthistorisches Institut
Koserstr. 20
14195 Berlin-Dahlem