Johannes Willing
Johannes Willing
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Johannes Willing
Mönch (CanAug); Klosteraustritt; Pfarrer, Hofprediger, Kirchenrat, Superintendent; theol. Schriftsteller; luth./zwingl.; verh.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 1525 Ravensburg
† 10. 07. 1572 Speyer
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
Mönch in Kloster Waldsee (Reg. Augustiner-Chorherren-Stift); 1545 Priesterweihe; 1546 Gehilfe Konstanzers in Ravensburg, Ende des Jahres ging er mit einem Empfehlungsbrief Kröttlins an Bullinger zum Studium nach Zürich, wo er ein Jahr blieb, bei Bullinger wohnte und auf Bullingers Verwendung hin ein Stipendium des Züricher Rates erhielt; dann bewilligte ihm die Stadt Ravensburg ein Stipendium und schickte ihn damit zum Studium nach Wittenberg, wo er bis Juni 1548 blieb; dann Prediger in Ravensburg, wo er aber schon im Aug. wg. des Interims wieder entlassen wurde; 1549 Pfarrer in Pfaffenhofen (Vermittlung Johann Lenglins in Straßburg); 1551 Heirat mit Katharina Fritsch aus Straßburg, in dieser Ehe (mind.) 3 Kinder; 1552 Pfarrer in Ravensburg; 1553 nahm er dort eine Änderung des (luth.) Katechismus vor, bei der er Luthers Sakramentenlehre entfernte und durch eine zwinglische von Leo Jud ersetzte; Okt. 1554 wurde er wg. seiner Abendmahlslehre entlassen; 1555 Pfarrer in Küblis im Prättigau (Vermittlung Bullingers); 1556 Pfarrer in Reutti ob der Donau; 1559 Münsterprediger in Ulm, 1561 wg. seiner Abendmahlslehre wieder entlassen (mit dem dortigen Superintendenten Rabus hatte er sich übrigens schon 1554 gestritten); 1561 Pfr. an Hl. Geist in Heidelberg, im Dez. Hofprediger Kf. Friedrichs III.; 1562 Einspruch Hz. Christophs v. Württemberg gegen seine Ernennung zum kurpfälz. Hofprediger, Christoph bediente sich eines neg. Gutachtens von Rabus aus Ulm; 1563 unterstützte er mit Predigten, die er z. T. drucken ließ, die Bildersturm-Politik seines Kf.; 1564 Ernennung zum Kirchenrat; 1566 als kurpfälz. Theologe Teilnahme am Reichstag in Augsburg, wo er zu den dort behandelten konfessionell-pol. Streitpunkten eine Reihe von Predigten hielt und anschließend als Buch publizierte; als ein Nachspiel des Reichstages setzte er sich 1567 in einigen Predigten mit der Abendmahlstheologie des Straßburger Kirchenpräsidenten Marbach auseinander; wg. der Einführung calvinist. Kirchenzucht in der Pfalz bat er 1568 um seine Entlassung; 1570 ging er als Superintendent nach Bretten; 1571 ging er als Hofprediger Johann Casimirs nach Kaiserslautern; 1572 Pfarrer in Speyer; seit 1564 brachte er besonders wichtige Predigten im Druck heraus und publizierte auch weitere Schriften, u. a. Fürsten- und Fürstinnenspiegel
1.4. Literatur zur Person
ADB 43 (1898) 289f. (Ney) (basiert auf dem autobiographischen Predigtabschnitt, s.u. 2.1.); BBKL 21 (2003) 1561-1569 (Erich Wenneker); August Kluckhohn, Briefe Friedrich des Frommen, mit verwandten Schriftstücken gesammelt und bearbeitet. Bd. 1 1559-1566. Braunschweig 1868. Bd. 2, 1. Hälfte 1567-1572. ebd. 1870. 2. Hälfte 1572-1576. ebd. 1872. Bd. 1: 651. 653. 655 (zu Willing, Abendmahl: Vorwürfe); ferner ebd. Reg. sv Willing, M. Johannes: 373. 2, 405 Anm.); Werner Seeling, Johannes Willing (1525-1572). Ein Schicksal zwischen Luthertum und Calvinismus (Versuch einer Biographie). (= Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte 11). Speyer 1972; Martin Brecht/Hermann Ehmer, Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg 1934. Stuttgart 1984, 392. 395
2.1. Quelle: benutzte Edition
Die Ander Predigt von den H. Sacramenten. In: Johann Willing, Ettliche Christliche predigten / so in werendem Reichßtag zu Augspurg / Anno Domini. 1566. offentlich seind gehalten wordr / darinnen die fürnemsten Articul vnsers vralten waren / algemeinen Christlichen Glaubens also gehandlet vnd erkläret werden / daß ein einfaltiger Christ nicht allein vielfeltige lehren / sonder auch bestendigen trost wider allerley anfechtung hier auß schöpffen / auch sich wider viel vnd mancherley jrthumb so in der Christenheit emporschweben bewaren vnd rüsten mag ... Heidelberg: Martin Agricola 1567, 170r-191v: 185v-191v (vgl. dazu: Ein Predigt vom H. Sacrament in gemein ... In: ebd. 160v-170r)
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
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2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Seeling (1.4.) 72-84, besonders 75-77 (zu Entstehungsanlass und Argumentation des autobiographischen Predigtteils). 12; Jancke (2002), Autobiographie als soziale Praxis, 95. 97. 98. 101. 115f. 118 (Patronage)
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
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3.1. Abfassungszeit
Predigt gehalten am 07. 04. 1566 in Augsburg im Haus Stephan Endorfers; für den Druck 1567 evt. leicht überarbeitet
3.2. AdressatInnen
Publikum der mündlich gehaltenen Predigt: Kf. Friedrich (als Adressat passim ausdrückl. angesprochen), ferner pfälz. Reichstagsdelegation und Mitglieder anderer Delegationen − nicht zuletzt die Theologen −, evt. anwesende Mitglieder der Augsburger Bevölkerung; Publikum der gedr. Predigt: außer den gelehrten Theologen wandte sich JW ausdrücklich an ein nicht gelehrtes − „ein einfaltiger Christ“ − und insbesondere ein Augsburger Publikum, wobei er junge Leute besonders anzusprechen versuchte; spätestens in der gedr. Fassung (evt. schon in Augsburg selbst) sprach er ausdrückl. ein gemischtgeschlechtl. Publikum − „lieben Brüder vnd schwestern“ (180r) − an; ferner die Widmungsadressatin, Kf.in Maria v. d. Pfalz, geb. Mgf.in v. Brandenburg-Ansbach (luth., mit Friedrich III. verh.)
3.3. Funktion der Quelle
beim Augsburger Reichstag 1566 wurden die konfessionspol. Konflikte des Kaisers und der Landesherren mit Hilfe ihrer Theologen ausgetragen, die zahlreiche konfessionspolemische Predigten hielten − neben u. a. Canisius auf ksl.-kath. Seite, Jakob Andreae und Johannes Wigand für die luth. Fürsten (um nur diejenigen zu erwähnen, die autobiographische Schriften verfassten) war insbesondere Willing für seinen calvinist. Landesherrn aktiv und ließ seine Predigten anschließend drucken; im Laufe dieser Reichstagspredigten begann eine heftige Polemik gegen ihn, die sich schließlich auch auf seine Person erstreckte; nach seiner ersten, im Inhalt allgemeinen Abendmahlspredigt am 5. 4. baute er bei seiner 2. Abendmahlspredigt am 7. 4. aus diesem Grund einen Abschnitt zu seiner Lebensgeschichte ein; damit wollte er versch. Vorwürfe seiner theol. Gegner widerlegen: (1) seine Abendmahlslehre sei ketzerisch und nicht biblisch begründet, (2) er habe seine diesbezügl. Position mehrfach geändert und sei ein unbeständiger Mensch (vgl. Katharina Zell, „Brieff...“, mit ganz ähnlicher Problemstellung und ebenfalls analoger Erwiderung, aufgebaut aus einem theol. und einem autobiographischen Argument); „zu vertedigung der warheit vnd zu rettung meiner vnschuldt / auch vmb frommer Leut willen / daß die nicht geergeret / vnd mein Lehr / so sie bißher von mir geho(e)ret / bey jhnen in keinen verdacht vnd argwohn gesetzt würde“, folgt inhaltl. Gliederung der 1. und 2. Abendmahlspredigt, sodann: „da es sich fein geben wird / daß ich anzeige / waß ich je vnd allwegen von des HErren Abendtmal gehalten vnd gelehret / noch halte vnd lehre / vnd mit gnediger hülff des HErren biß in mein ende lehren vnd behalten wolle.“ (170v); er lehnt es ausdrücklich ab, seine theol. Entscheidungen auf Autoritäten wie Luther oder Zwingli zu stützen (187v), sondern beruft sich auf die Confessio Augustana und die Bibel und in letzter Instanz die eigene, selbst verantwortete Auslegung; eine Personalisierung der Debatten − sei es durch Berufung auf Autoritäten, sei es durch (auto-)biograph. Argumente ad personam pro oder contra − lehnt er ausdrücklich ab; damit bringt er zwar autobiographische Argumente, erklärt aber seine theol. Ergebnisse als allein wichtig: „Vnd geschicht mir deßhalben vnrecht / das sie meine wort nach jhrem kopff vnd meinung lencken vnd deutten wollen. Ich sol jhe billich meiner eignen wortten dolmetzscher sein. Vnd ob ich schon / wie sie mich beschüldigen / dozumal ein andere meinung / so viel diesen streyt belangt angenommen hette / vnd jetzt aber ein anders lehrete / was ist hiemit der warheit genommen? Dann der streyt ist nicht hierüber / wer Johannes Willing sey oder gewesen / sonder ob das jenige das er hie lehret vnd offentlich bekennet die warheit vnd Gottes wort sey. Beweisen sie das auß Biblischer Schrifft vnd auß der Augspurgischen Confession selbst / vnnd sagen darneben ich seye der bo(e)ste mensch vnd schedlichste ka(e)tzer / der nicht nu siebenmal sonder sibenzig siben mal abgefallen sey / so wil ich jhnen gewunnen geben. Das weis ich aber gewüß vnd vngezweyffelt / das sie die lehr so ich hie vor euch bekannt vnd noch bekenne auß den genaden Gottes / vor allen meinen widersacheren bleiben wirt / ich seye wer ich wo(e)lle. Ich trost mich aber dessen daß Jesus Christus mich vnd vns alle kennet / der wirt dermalen eins richter sein.“ (189v) − damit forderte er auch sein Publikum zu einem eigenen, von Personen absehenden Urteil über das strittige theol. Thema auf
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
unklar
4.1. Berichtszeitraum
kath. Erziehung durch die Eltern und Klostereintritt -1561 Entlassung in Ulm
4.2. Sprache
dt.
4.3. Form der Quelle
Ich-Form; Teil einer Abendmahlspredigt und zus. mit seinen anderen Reichstagspredigten als Buch gedruckt
4.4. Inhalt
seine Abendmahlstheologie; kirchl.-theol. Lebenslauf: Kloster und Priesterweihe, prot. Einsicht von Gott her, Studium, Pfarrstellen, Förderer beim Studium und bei der Stellensuche, ausführliche Darstellung der Ereignisse, die zu seiner Entlassung in Ravensburg und in Ulm führten