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Heinrich Claß. Politische Erinnerungen des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes 1915-1933/36

Institution:

Freie Universität Berlin
Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften
Friedrich-Meinecke-Institut

Projektleitung:
Mitarbeiter/innen:
Förderung:

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Heinrich Claß. Politische Erinnerungen des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes 1915-1933/36

Das Editionsprojekt soll die unveröffentlichten Erinnerungen von Heinrich Claß (1868-1953), der von 1908-1939 Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes war, für die zeitgeschichtliche Forschung zum deutschen Nationalismus zwischen Ersten Weltkrieg und Nationalsozialismus erschließen. Das Vorhaben verbindet dabei zwei zentrale Ebenen: Die autobiographische und biographischen Perspektive auf Claß ermöglicht erstens die Analyse der individuellen Erfahrungen von gesellschaftlichem Umbruch und fundamentalen Formveränderungen von Politik für den wichtigsten Repräsentanten des Alldeutschen Verbandes. Zweitens ermöglicht das Projekt eine Strukturgeschichte des Alldeutschen Verbandes im Übergang von der wichtigsten Interessenorganisation des „alten“ bildungsbürgerlichen Nationalismus des Kaiserreichs zum Honoratiorenverband in der Weimarer Republik.

Die Erinnerungen von Claß, die (als geplante Fortsetzung zur 1932 veröffentlichten Autobiographie „Wider den Strom“)  im Ersten Weltkrieg im Jahr 1915 einsetzen und 1936 abgeschlossen wurden, erlauben einen Zugriff auf die Bedeutung alldeutscher Ordnungsvorstellungen für die politische Rechte in außerparlamentarischen Verbänden und Parteien. Claß´ Aufzeichnungen verweisen gleichzeitig auf die Begrenzung alldeutscher Politik aufgrund von Weltanschauungs- und Mobilisierungskonkurrenzen mit „neuen“ paramilitärischen und populistischen Massenbewegungen der politischen Rechten seit dem Ersten Weltkrieg. Die Erinnerungen verdeutlichen die vielfältigen Versuche von Claß, Kooperationen innerhalb der sich fundamental verändernden politischen Rechten zu generieren. Trotz der Wandlungsfähigkeit des Alldeutschen Verbandes und der politischen Radikalisierung unter Claß´ Verbandsführung von 1908 bis 1939 sowie der Adaption weltanschaulicher Kernelemente des Alldeutschen Verbandes durch die „neuen“ nationalistischen Organisationen vollzogen die Alldeutschen auch einen von der Forschung bisher kaum rezipierten Abgrenzungsprozess zu den radikaleren Organisationen nach 1918.

Das Agieren in einem grundlegend verändertem Milieu nationalistischer Mobilisierung nach dem Ersten Weltkrieg sowie sich fundamental verändernder Deutungskulturen des Nationalen führten für Claß und den Alldeutschen Verband zu neuen Kooperationsverhältnissen sowie Konkurrenzkämpfen innerhalb der politischen Rechten. Der Alldeutsche Verband war jedoch nicht nur ein weltanschaulicher und politischer „missing link“ zwischen „alten“ und „neuen“ Bewegungen der nationalistischen Rechten. Spezifische generationelle Prägungen der „1860er“ um Claß und führenden Mitgliedern der Verbandsführung sowie sich als auffällig stabil erweisende bildungsbürgerliche Kontinuitäten einer politischen Kultur zwischen Konservatismus, Nationalliberalismus und ethnischem Nationalismus des Kaiserreichs erschwerten bei Claß eine vorbehaltlose Anpassung an den politischen Stil der Gewalt und eine auf die Integration der politischen Massen hinweisende Volksgemeinschaftspropaganda, wie sie vor allem bei den Nationalsozialisten zu finden war. Wesentliche Umbruchserfahrungen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus sollen einer erfahrungsgeschichtlichen Perspektive unterworfen werden, die weltanschauliche Verarbeitungen und Veränderungen im politischen Handeln in den Blick nimmt und sowohl nach Kontinuitäten als auch Radikalisierungen fragt.