Unterprojekt 1: Heilige aus der Fremde. Italienische Thebais-Zyklen des Spätmittelalters und ihre 'Wiederentdeckung' im 19. Jahrhundert
Dr. Christine Ungruh
Vom Ende des 13. bis ins 15. Jahrhundert treten scheinbar unvermittelt bildliche Darstellungen vom Leben der Wüstenheiligen in Fresko- und Tafelmalerei auf. Im Fokus des Projekts steht neben der Frage nach dem Ursprung vor allem die Analyse der Wandlungen des Bildthemas im Rahmen transkultureller Aushandlungsprozesse. Es gilt, die Innovationen der italienischen Thebais-Zyklen im spezifischen Zusammenspiel des Themas mit seiner formalen und künstlerischen Präsentation zu erfassen. Der in den Bildern entworfene Raum der Wüste sowie die asketische Lebensform der Heiligen waren im bewussten Kontrast zu der meist städtischen oder klösterlichen Lebenswelt der zeitgenössischen Betrachter konzipiert. Daher ist ästhetisch vermittelte Erfahrung von Alterität in ihrer Bedeutung für die soziale und religiöse Relevanz der Thebais-Darstellungen zu untersuchen.
Ferner soll die transkulturelle Perspektivierung des Themas anhand der mittelalterlichen Darstellungen durch einen historisch dezidiert weit gefassten Ausgriff ergänzt werden. Die Rezeption der Thebais-Bilder im Kontext des romantischen bzw. neoromantischen Interesses an den „Primitivi“ ist ein sprechendes Beispiel für die zentrale Kategorie der ästhetischen Alterität, an der sich Distinktion und Diskrepanz religiöser und ästhetischer Erfahrung konturieren und historisierend präzisieren lassen.