Internationale filmwissenschaftliche Tagung 'Singulär Plural Sein - Fragen und Formen der Gemeinschaft im westeuropäischen Kino seit 1945'
Die Gesellschaften Frankreichs, Italiens und Deutschlands sind seit 1945 zunehmend mit dem Verlust von positiven politischen Vergesellschaftungsmodellen konfrontiert. Leben und Sterben der Einzelnen ist, so formulierte es Jean-Luc Nancy 1986 in La Communauté desoeuvrée in keiner Zukunft, keiner kommenden Gemeinschaft mehr aufgehoben. Die nationalstaatlichen Gesellschaften mussten sich nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges von Grund auf neu die Frage stellen, ob und worin ihre Einheit sich gründen lässt und wie sie sich zur endlichen, pluralen Existenz der Einzelnen stellen. Deren Anspruch auf Teilhabe an dem Gemeinsamen artikuliert sich nach 1945 vermehrt in der Rolle des Opfers und durch den Einspruch Einzelner oder einer community gegen die dominierende Selbstrepräsentation der national organisierten Gesellschaften in ihren Geschichtsschreibungen, Rechtssprechungen und Erinnerungspolitiken.
Inwieweit ist nun das Kino nach 1945 in Frankreich, Italien und Deutschland als eine Form der Öffentlichkeit beschreibbar, in der diese Fragen gestellt und verhandelbar werden? Die Filmtheorie der Nachkriegszeit (Bazin, Kracauer) entwirft unter dem Begriff "Realismus" einen Modus ästhetischer Erfahrung, in dem sich Welt und Selbst nur über die leibliche Eingebundenheit in die Welt verstehen lässt. Dieser Entwurf korreliert mit dem Verständnis von Subjekt-Objekt Relationen und von ästhetischer Erfahrung, das sich aus der französischen Phänomenologie heraus entwickelt hat und uns für das ästhetische Denken der Nachkriegszeit sehr bedeutend zu sein scheint. Dieses ästhetische Denken aber hat, wie auch das politische Denken, in jedem Land eine andere Geschichte.
Ziel der Tagung ist es, sich mit Blick auf die je verschiedenen und sich seit 1945 verändernden nationalen Kinematographien in Frankreich, Italien und Deutschland über die unterschiedlichen Konzepte, Konstellationen und Dynamiken im Prozess der gesellschaftlichen Selbstverständigung auszutauschen.
Veranstalter: Teilprojekt „Die Politik des Ästhetischen im westeuropäischen Nachkriegskino“ des SFB 626. Leitung: Prof. Hermann Kappelhoff / MitarbeiterInnen: Ilka Brombach (M.A.), Dr. Bernhard Groß, Dr. des. Daniel Illger und Dr. Anja Streiter. http://www.sfb626.de/teilprojekte/b7/index.html
Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt ist frei.
Zeit & Ort
16.07.2009 - 17.07.2009
Filmhaus Berlin, Konferenzraum, 4. Stock, Potsdamer Straße 2,10785 Berlin, U2 Potsdamer Platz