Teilprojekt C13. Sinnliche und symbolische Reflexivität in Medien ästhetischer Erfahrung
Leitung
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen
Dr. des Daniel Martin Feige / Dr. Frank Ruda
Studentische Hilfskraft
Anjo Perplies / Tobias Wieland
Projektbeschreibung
Ästhetische Erfahrungen sind vielfach als solche verstanden worden, die das Reich des Begrifflichen überschreiten. Gleichwohl sind in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken konstitutiv Begriffe im Spiel. Im Rahmen des Teilprojekts wird das Zusammenspiel begrifflicher und nichtbegrifflicher Momente in ästhetischen Erfahrungen untersucht, um das reflexive Potential der Kunst in Bezug auf Prozesse der Kunstrezeption aufzuklären. Die These, die im Rahmen des Projekts entwickelt wird, ist, dass die Möglichkeit der Veränderung unserer Weltverhältnisse durch Kunst auf diesem Zusammenspiel begrifflicher und nichtbegrifflicher Momente basiert.
Die Arbeit in dem Teilprojekt ist insgesamt an dem Gedanken orientiert, dass die Autonomie wie zugleich die praktische Wirksamkeit von Kunst jenseits negativitätsästhetischer Deutungen erläutert werden kann, wenn man Kunst als eine reflexive Praxis begreift. Die von unserer Auseinandersetzung mit Kunstwerken ausgehende Reflexion wird vom Projekt derart erläutert, dass sie sich an selbstbezüglich verfassten Gegenständen entzündet. Selbstbezüglich sind die Objekte und Ereignisse der Kunst insofern, dass sie dadurch etwas zu verstehen geben, dass sie ihre eigene sinnliche-materiale Verfasstheit im Sinne unterschiedlicher Verfahrensweisen, künstlerischer Materialien, Medien, Formen etc. thematisieren. Das Projekt fragt danach, auf welche Weise ästhetische Erfahrungen von der selbstbezüglichen Verfasstheit von Kunstwerken bestimmt werden und inwiefern sich dadurch das reflexive Potential ästhetischer Erfahrungen begreiflich machen lässt. Das Projekt entwickelt die These, dass ästhetische Erfahrungen in diesem Sinne von einem Ineinander begrifflicher und nichtbegrifflicher Momente geprägt sind.
In der Auseinandersetzung mit Kunstwerken kommt es immer wieder zu einer besonderen Aufmerksamkeit für nichtbegriffliche Momente z.B. im Sinne des Hervortretens von Farben eines Gemälden, einem Rhythmus der Montage in einem Spielfilm, Formbildungen installativer Werke, die mit einer neuen und spezifischen Differenzierung begrifflicher Repertoires einhergehen. In derartigen Auseinandersetzungen sind dabei allerdings immer schon bestimmte begriffliche Praktiken als konstitutive im Spiel, etwa in Gestalt von Vorverständnissen zu in Spielfilmen verhandelten Themen, von Begriffen unterschiedlicher Künste, Genres und Traditionen und in der Frage der Wertigkeit einzelner künstlerischer Objekte und Ereignisse im Sinne eines evaluativ-kritischen Sprachgebrauchs. Die Verschränkung begrifflicher wie nichtbegrifflicher Momente wird hinsichtlich der nichtbegrifflichen Seite auf der Basis negativitätsästhetischer, prozessontologischer und neophänomenologischer Ansätze theoretisch erarbeitet, hinsichtlich der begrifflichen Seite auf der Basis hermeneutischer, sprachanalytischer und symbolphilosophischer Theorien entwickelt. Die sinnliche-materiale Beschaffenheiten von Kunstwerken wird damit einerseits als von einer bestimmten Struktur begrifflicher Aktivitäten geprägt verstanden, andererseits werden interpretative und evaluative Dimensionen ästhetischer Urteilspraktiken als von nichtbegrifflichen Momenten bestimmt erläutert.
Unterprojekt 1: Sinnlich-materiale Momente ästhetischer Reflexivität
(bearbeitet von Prof. Dr. Georg W. Bertram und Dr. Frank Ruda)
Ziel des ersten Unterprojekts ist es, die sinnlich-materialen Momente ästhetischer Erfahrung im Zusammenspiel mit Modi kunstspezifischen Begriffsgebrauchs zu erläutern. Es geht darum, einen Begriff sinnlich-materialer Momente zu entwickeln, der diese nicht in einer direkten Entgegensetzung zu, sondern in ihrer Verschränkung mit begrifflichen Praktiken verständlich macht. Dadurch soll geklärt werden, inwiefern es in und durch begriffliche Auseinandersetzungen mit Kunstwerken zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für sinnlich-materiale Momente kommen kann. Das grundlegende Merkmal einer solchermaßen spezifischen begrifflichen Praxis wird mit dem Begriff der Unentscheidbarkeit gefasst, der eine sich an der selbstbezüglichen Verfasstheit von Kunstwerken entzündende Konstellation begrifflicher Deutungszusammenhänge, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen, bezeichnet. Diese ergibt sich daraus, dass die Deutungszusammenhänge bestimmte Elemente eines Kunstwerks nicht gleichermaßen zu integrieren vermögen. Unentscheidbar sind entsprechende Deutungen in dem Maße, wie sich keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, welcher Deutungszusammenhang in Bezug auf die von ihm integrierten Elemente angemessen ist. Genau dadurch lenken begriffliche Praktiken die Aufmerksamkeit auf nichtbegriffliche Elemente. Diese werden allerdings nicht negativitätsästhetisch als solche begriffen, die begriffliche Auseinandersetzungen mit einem Kunstwerk suspendieren, sondern als solche, die ausgehend von der begrifflichen Unentscheidbarkeit neu ausgehandelt werden. Die für ästhetische Kontexte charakteristische Neuaushandlung nichtbegrifflicher Elemente kann nur im Zusammenhang mit begrifflichen Aktivitäten begriffen werden.
Unterprojekt 2: Die Reflexivität ästhetischer Urteilspraktiken
(bearbeitet von Prof. Dr. Georg W. Betram und Dr. des. Daniel M. Feige)
Ziel des zweiten Unterprojekts ist es, die Eigenart der begrifflichen Dimension ästhetischer Erfahrungen zu bestimmen. In kritischer Weiterentwicklung der hermeneutischen wie sprachanalytischen Theorietraditionen ist für die Arbeit des Unterprojekts die Fragestellung leitend, inwiefern das Spezifische solcher begrifflichen Praktiken allein aus ihrem Zusammenhang mit nichtbegrifflichen Momenten ästhetischer Erfahrungen heraus erläutert werden kann. Die Auseinandersetzung mit Kunstwerken wird dabei in zweierlei Weise als von begrifflichen Praktiken getragen expliziert. Erstens sind Begriffe im Sinne einer allgemeinen Vorstruktur im Spiel. Im Sinne der Hermeneutik und analytischen Philosophie werden menschliche Selbst- und Weltverhältnisse als konstitutiv von sprachlichen Praktiken geprägt verstanden. Dieser Überlegung zufolge ist bereits die Wahrnehmung eines Kunstwerks, insofern etwas als etwas wahrgenommen wird, konstitutiv abhängig vom Verfügen über Begriffe. Zweitens entzünden sich explizite sprachliche Auseinandersetzungen an Kunstwerken in Praktiken der Interpretation und Kritik. Diese können aufschlussreich als vom Gebrauch ästhetischer Prädikate bestimmt expliziert werden. Jedoch bleibt im Rahmen eines derart analytischen Ansatzes die spezifische Offenheit begrifflicher Praktiken in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken unterbestimmt. Um die Spezifik dieser Praktiken zu analysieren, werden diese in ihrer Verschränkung mit sinnlich-materialen Momenten von Kunstwerken erläutert. Die in Frage stehende begriffliche Dimension wird dabei so erläutert, dass das Sinnlich-Materiale nicht als grundsätzliches Überschreiten des Begrifflichen, sondern als Moment einer kunstspezifischen begrifflichen Praxis verständlich wird.