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Das anatolische Königtum

28.10.2021 - 29.10.2021

Workshop der KFG 2615 – 28.-29.10.2021

Konzept und Organisation: J. Klinger / L. Wilhelmi

 

Dass es sich bei dem hethitischen Staat um ein monarchisch regiertes Königtum, das durch eine herrschende Elite aus wenigen mächtigen Familien beherrscht wurde, handelt, ist seit Beginn seiner Erforschung als gegeben vorausgesetzt und eigentlich nie in Zweifel gezogen worden. Vielfältig diskutiert wurden jedoch Aspekte der Organisationsform und Legiti­mie­rung dieses Königtums sowie der Herkunft, Zusammensetzung und Machbasis der herr­schenden Familien. Mit der Identifikation der hethitischen Sprache als zum indo-europäischen Sprachzweig gehörig und den Vorstellungen über eine „Einwanderung der Hethiter“ nach dem Vorbild der Völkerwanderungszeit, verbreitete sich in Anlehnung an die Verhältnisse im mitteleuropäi­schen Mittelalter, die Idee eines hethitischen Feudalstaates, an dessen Spitze ein Wahlkönig als primus inter pares geherrscht habe. Die „Hethiter“ übernahmen dabei die Rolle einer eingewanderten Kriegerkaste, deren Vorherrschaft in der Region einer militäri­schen Überlegenheit geschuldet gewesen sei, und die die einheimische Bevölkerung unter­worfen hatten. Vermeintliche Anhaltspunkte hierfür lieferten unter anderem Reste von Traditio­nen, die mit einer nicht-indo-europäischen Sprache, dem Hattischen, in Verbindung standen und als Rudimente der Kultur einer jüngst verdrängten, bzw. unterworfenen Ursprungs­­bevöl­kerung identifiziert wurden.

Dass der Beginn der hethitischen Periode jedoch keinen Bruch in Traditionen und Organi­sationsformen markiert, sondern vielmehr Teil einer längerfristigen Entwicklung darstellt, die bereits Jahrhunderte zurückreicht und auch nach dem Ende des hethitischen Reichs seinen Nachhall hat, zeigen sowohl textliche als auch materielle Quellen. Es ist somit sinnvoll, in Bezug­ auf den geographischen Raum, von einem anatolischen Königtum zu sprechen. Ange­­sichts der deutlichen Mehrsprachigkeit des hethitischen Königreichs, zeigt dies außer­dem, dass es sich bei identifizierbaren Elementen der Staatsorganisation oder -admini­stration nicht um in irgendeiner Form ethnischen Zugehörigkeiten zuzuschreibende Charakteristika handelt.

 

In der Arbeitstagung zum Anatolischen Königtum soll an einem ersten Tag die diachronische Entwicklung des Königtums von den frühesten Textzeugnissen aus der vor-hethitischen Periode der sogenannten altassyrischen Handelsniederlassungen bis in die Zeit nach dem Zusammenbruch der von Hattusha verwalteten staatlichen Organisation beleuchtet werden. Der zweite Tag dient der näheren Diskussion einzelner Text- sowie Materialquellen, die Aufschluss über Verwaltungs- und Organisationsstrukturen des hethitischen Königtums erlauben. Dabei wird der Einblick der staatlichen Dokumentation, den die textlichen Quellen bieten, durch materielle Hinterlassenschaften ergänzt, die teilweise Rückschlüsse auf in den offiziellen Quellen nicht repräsentierte Personengruppen erlauben. Im Verlauf der Tagung sollen Fragen der Legitimierungsstrategien, Machttarierung und -sicherung innerhalb und außerhalb der Königsfamilie und der Organisation von Verwaltung, Ämtern, Aufgaben und Ressourcen adressiert werden, um deren Zusammenspiel und Interdependenz in der innen- und außenpolitischen Stabilisierung zu prüfen.

Deutsche Vorschungsgemeinschaft