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Politische Herrschaft und Verwaltungsstrukturen im Land Assur (Ltg.: E. Cancik-Kirschbaum)

DeZ 2529 Vs.

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Bildquelle: © E. Cancik-Kirschbaum

Die Arbeitsgruppe „Politische Herrschaft und Verwaltungsstrukturen im Land Assur“ fragt nach den Governance-Strategien, nach den Formen von Partizipation, Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung in Assyrien zwischen dem 14. und 6. Jh. v. Chr. Die Fragen, Hypothesen und Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden in engem Bezug zum Rahmenthema der Kollegforschungsgruppe und zu den Untersuchungen der Arbeitsgruppe zu Hatti (Ltg. J. Klinger) geführt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Anwendbarkeit von Theorien und Modellen der Governance-Forschung – v.a. in Räumen mit begrenzter Staatlichkeit.

Erste Phase

In der ersten Förderphase lag der Fokus auf der Untersuchung der Situation in der mittelassyrischen Stadt Dūr-Katlimmu, die im 13. Jh. eine zentrale Rolle für die Durchsetzung der assyrischen Herrschaft im Gebiet des Unteren Habur spielte. Die Stadt fungierte mehrere Jahrzehnte als Sitz eines lokalen Distriktgouverneurs und zeitweise des „Großwesirs“ und „Königs von Hanigalbat“ Assur-iddin, der die Politik im Westen des assyrischen Reiches bestimmte. Als Basis für die Untersuchung stehen Dokumente aus einem Archiv des lokalen Palastes zur Verfügung. Gut 500 Tontafeln aus einem Zeitraum von knapp 60 Jahren geben einen Einblick in Regelungsregimes und Umsetzungsstrategien zwischen den verschiedenen Ebenen, die im Regierungshandeln sichtbar werden. Sie illustrieren gleichsam im Brennglas die Rahmenthematik der 1. Phase der Kolleg-Forschungsgruppe, d.h. die Frage nach Herrschaftsstrategien und Partizipationsformen in spätbronzezeitlichen Gesellschaften.

Zweite Phase

Stand zunächst die Ausgestaltung von Herrschaft in der konkreten Umsetzung in den sogenannten Provinzen im Zentrum, gilt es in der zweiten Förderphase, die in den Detailuntersuchungen gewonnenen Ergebnisse weiterzuentwickeln. Mit dem Prinzip der ‚palatialen Staatlichkeit‘, das als entscheidendes Moment der Territorialherrschaft im Assyrien der späten Bronzezeit herausgearbeitet wurde, verbindet sich einerseits eine Konkretisierung und andererseits fundamentale Kritik an dem Konzept des „network-empire“, das vor allem durch die Arbeiten von M. Liverani für die Beschreibung von territorialer Herrschaft im spätbronzezeitlichen Assyrien (und darüber hinaus) herangezogen wird. Andererseits hat sich gezeigt, dass die u.a. von Bleda Düring hervorgehobene hegemoniale Struktur dieses Reiches den Sachverhalt der inneren Verfasstheit eben auch nicht wirklich trifft. Die vergleichende Betrachtung insbesondere zu den zeitgenössischen Herrschaftsstrukturen des anatolischen Raumes mit seiner komplementären Quellenlage ist hier zentral.

Mit Blick auf die Eigengeschichtlichkeit und Eigengesetzlichkeit der mittelassyrischen Verwaltungs­strukturen soll die z.B. von J. N. Postgate vertretene Vermutung einer Übernahme dieser Praktiken aus dem sogenannten ‚privaten kommerziellen Sektor‘ genauer untersucht werden. Dies verbindet sich auf das Engste mit der Frage nach dem Verhältnis von ‚Verwaltung‘ und ‚Staat‘ und dem Begriff ‚Bürokratie‘, der in seiner Anwendbarkeit auf die Beschreibung der mittelassyrischen Form von Regierung genauer untersucht werden soll. Dabei geht es sowohl um die Adäquatheit dieses dezidiert frühneuzeitlichen Begriffes als solches als auch um die Frage, inwieweit ggf. darin enthaltene Konzeptbestandteile für den Alten Orient nutzbar zu machen sind. Mit Blick auf die jüngst postulierte Beschreibung altorientalischer Gesellschaften als ‚low power state‘ gilt es, auch die ‚Begrenzungen‘ staatlicher Machtentfaltung näher in den Blick zunehmen. Hier kann an Arbeiten zu anderen historischen Perioden angeschlossen werden. Damit sollen in der zweiten Förderphase die Ergebnisse aus den Detailanalysen in den größeren Kontext der historisch-systematischen Darstellung zur Entwicklung von politischer Herrschaft in Assyrien in der Spätbronzezeit eingebunden werden.

Gemeinschaftliche Forschung

Die Arbeitsgruppe ‚Assur‘ steht in stetem Austausch mit der Arbeitsgruppe ‚Hatti‘ und den an der KFG forschenden Fellows. Darüber hinaus ergeben sich neue Perspektiven im Austausch mit den Fellows. So ist z.B. M. Ossendrijver ein wichtiger Kooperationspartner zu einer Nebenthematik der Arbeitsgruppe „Zeitregimes in (mittel)assyrischer Zeit“ (Arbeitstitel). Hier geht es um Fragen wie „Zeitregimes und Agrarökonomie“, „Komputistik der mittelassyrischen Zeit“ und die Rolle von Texten wie der sogen. Eponymenliste und oder der assyrischen Königsliste als Scharnierelemente zwischen Historiographie und Zeitorganisation.

In Kooperation mit N. Ziegler sind die Veränderungen der politischen Landschaft in Obermesopotamien von der altbabylonischen zur mittelassyrischen Zeit in den Blick gerückt. Diese als Synthese angelegte Darstellung verbindet Untersuchungen zur historischen Topografie mit der Analyse von keilschriftlichen Quellen zur politischen Geschichte.

In Zusammen mit C. Michel und W. Beyer des Centre for the Study of Manuscript Cultures der Universität Hamburg und C. Cassar (Berlin) entsteht eine Vergleichende Untersuchung zur Rolle der Archive der alt- und mittelassyrischen Zeit .

 

Zu den individuellen Forschungsschwerpunkten s. oben zu Mitglieder.

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