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Opfer und Libation im antiken Griechenland

DFG-Projekt „Opfer und Libation im antiken Griechenland: Rituelle Praxis, kulturelle Metaphorik, moderne Theorie“

Bearbeitung:

Prof. Dr. Susanne Gödde (Antragstellerin, Fokusbereich 1: Opfer)

Dr. Sebastian Zerhoch (Postdoc, Fokusbereich 2: Libation)

Projektbeginn: April 2021

Projektdauer: 36 Monate

Mit Opfer und Libation widmet sich dieses Forschungsprojekt Ritualen, die in fast allen antiken Gesellschaften besondere Formen der Kommunikation und des Handels mit den Göttern markieren und dabei nicht nur eine religiöse und rituelle, sondern auch eine soziale oder, im metaphorischen Sinne, ökonomische Bedeutung erhalten. Zumindest das Opfer gilt auch für nachantike Gesellschaften bis heute als eine zentrale Reflexionsform, die kulturelle und politische Dynamiken zu beschreiben vermag.

Opferszene. Votiv-Pinax aus Pitsa nahe Korinth, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr. Athen, Archäologisches Nationalmuseum 16464. Foto: Sebastian Zerhoch

Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, Opfer und Libation erstens im Spannungsfeld von moderner Religionswissenschaft und antiker Kultpraxis zu erforschen und zu rekonstruieren, wie die Opfertheorien seit dem 19. Jahrhundert den Blick auf die griechische (bzw. allgemeiner antike) Ritualpraxis geprägt haben. Jenseits dieses wissenschaftsgeschichtlichen Zugangs soll zweitens anhand der epigraphischen, literarischen und ikonographischen Quellen die rituelle Praxis selbst möglichst akkurat erfasst und dokumentiert werden. Ein dritter Schritt gilt der Frage, wie bereits antike Texte die Rolle von Opfer und Libation in kulturellen, religiösen und politischen Diskursen verorten, also über die Handlungsmuster Opfer bzw. Libation das Selbstverständnis der jeweiligen Gesellschaft – auch kritisch – reflektieren.

Neben der gemeinsamen Arbeit zur Materialerhebung und zur Wissenschaftsgeschichte umfasst das Projekt zwei Fokusbereiche, die sich in Einzelstudien mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung dem Opfer bzw. der Libation widmen.

Fokusbereich 1: Tausch und Täuschung. Antike griechische Opfernarrative und moderne Deutungen (Prof. Dr. Susanne Gödde)

In diesem Fokusbereich soll das Opfer in der archaischen und klassischen griechischen Literatur als kulturelle und poetologische Reflexionsfigur rekonstruiert werden. Neben einem erneuten Blick auf Hesiods gut erforschten Mythos von der Opfergründung durch Prometheus, die das Opfer als Ergebnis einer Täuschung deklariert, soll gefragt werden, ob und wie das Homerische Epos und die Tragödie Opfer als Aushandlungen von Machtverhältnissen oder Wertfragen inszenieren und welche ökonomischen und/oder rhetorischen Strategien dabei mit dem Opfer einhergehen. Im Abgleich mit modernen Opfertheorien soll überprüft werden, welche Semantisierungen des Opfers (in der Moderne) dem antiken Material entsprechen und welche ihm eher fremd sind. Die von Theophrast bzw. Porphyrios überlieferte und von Karl Meuli und Walter Burkert prominent gemachte ‚Unschuldskomödie‘ kann schließlich, jenseits der Schuldfrage, zeigen, welche sozialen und juridischen Formen der Gemeinschaft im Opfer vermittelt werden.

Fokusbereich 2: Die Libation in der antiken griechischen Kultur (Dr. Sebastian Zerhoch)

Die schlichte rituelle Geste des Ausgießens von Flüssigkeiten war ein grundlegender und fester Bestandteil der griechischen Religion. Libationen mit Wein, Honig, Wasser oder Milch wurden in verschiedensten Situationen dargebracht und auf unterschiedliche Weise durchgeführt; sie gehörten zu öffentlichen Kulthandlungen ebenso wie zum religiösen Handeln im privaten Bereich. Über die religiöse Praxis hinaus ist die Libation zudem ein bedeutendes Thema in der antiken griechischen Literatur und Kunst. Das Ziel dieses Fokusbereichs ist eine umfassende Erschließung der Libation in der griechischen Religion und Kultur. Im Rahmen des Projekts geht es zum einen um die historische Praxis, rituelle Normen und Details der Durchführung; zum anderen bildet die Frage der Zeichenfunktion der Libation einen Schwerpunkt. Darüber hinaus wird danach gefragt, wie sich die Libation ritualtheoretisch konzeptualisieren lässt.

 

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