Götterkonstellationen:
Vielzahl und Gottesvorstellungen in der griechischen Antike
DFG-Projekt, Dr. Emrys Schlatter
Projektbeginn: Februar 2022
Kurzbeschreibung:
(Link to English version.)Die Vorstellung göttlicher Vielzahl bildete für den archaisch-klassischen griechischen Gottesbegriff ein bestimmendes Moment und prägte – durch eine entsprechende Fülle an Festen, Ritualen und Heiligtümern – die antike Lebenswelt. Zum kultpraktischen Umgang mit den Göttern gehörte in erster Linie die Auseinandersetzung mit ihrer theoretisch unendlichen Pluralität, u.a. mittels Selektion und Schwerpunktsetzung sowie der Mitgestaltung des komplexen Bezugssystems der personal gedachten Götter zueinander. Diese Grundkompetenz des antiken griechischen Polytheismus erstmalig systematisch und unter Berücksichtigung medialer und situativer Unterschiede zu ergründen ist das Ziel des Forschungsprojekts.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Göttergestalten stets in Bezug zueinander gedacht wurden, schlägt das Projekt einen neuen Weg ein. Während bisherige Untersuchungen von Gottesvorstellungen und Kulten zumeist die Profile individueller Götter oder die Kulte einzelner Regionen rekonstruieren, fragt dieses Projekt nach emischen Strategien, Götter zu verbinden und die Götterwelt zu strukturieren. Im Zentrum steht die kulturspezifische Logik dieser Verbindungen in der historischen, aber auch literarisch überformten Kultpraxis des 8.–4. Jh. v. Chr.
Götterverbindungen, deren Spielarten von Gruppenbildung (z.B. die Zwölfgötter) bis hin zur Gleichsetzung und Überschneidung reichen, werden hinsichtlich ihrer Strukturen und Funktionen, ihrer Flexibilität und medialen Spezifität in kultischen, literarischen und philosophischen Quellen thematisch untersucht. Somit können zum ersten Mal unterschiedliche Umgangsstrategien mit göttlicher Pluralität, einschließlich der Fokussierung auf einen einzelnen Gott (vgl. sog. „pagan-monotheistische“ Tendenzen bei Aischylos oder Platon), sowohl in ihrem jeweiligen Kontext als auch als Teile eines übergeordneten Gefüges verstanden werden.
Das Forschungsprojekt soll somit durch die differenzierte Untersuchung eines zentralen Aspekts des griechischen Polytheismus das Verständnis antiker religiöser Praktiken und Mentalitäten, die hinter den vielen Besonderheiten einzelner Kulte und Mythen aufzudecken sind, grundlegend erweitern.