Karolingische Kanontafeln: Unitas aus Antike und Christentum
Stefan Trinks
Bei genauem Hinsehen sind auf den rahmenden Architekturen der Kanontafeln gleich mehrerer karolingischer Handschriften elaborierte Gesichter sowie traubenpflückende Putten zu entdecken, die aus den Marmorsäulen herausblicken oder diese quirlig besiedeln. Mit der starken Präsenz der nackten und anatomisch korrekt tordierten Figuren wird auf den Kanontafeln eine dionysisch anmutende Antike evoziert, die das durch die Evangelien verkörperte Gebäude der Ecclesia nicht etwa erschüttern, sondern durch ihre Einbettung in eine weitreichende augustinische Interpretation vielmehr zu stützen vermögen. Diese erstaunliche künstlerische Freiheit, die Antike und Christentum in einer Unitas zu synthetisieren scheint, will das Projekt erforschen.