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Archäozoologie

 

Archäozoologie

 

 

Tierknochen können sich im Boden über Jahrtausende erhalten und werden bei Ausgrabungen oft in großen Mengen entdeckt. Auffälliges Kennzeichen ist oftmals ihre starke Zerstückelung. In diesen Fällen handelt es um Überreste von Schlachtungen und Fleischmahlzeiten. Die Art der Zerschlagung folgt zumeist bestimmten Mustern und der Einsatz von scharfen Beilen oder Messern hinterlässt an den Knochen signifikante Spuren: Schädel werden zertrümmert, ein Hinweis auf dasTöten des Tieres und/oder der Gewinnung des Gehirns, Langknochen die quer zerteilt wurden, dienten der Entnahme des Knochenmarks, Hörner und Geweih säuberlich abgetrennt, sowie Sehnen, Häute und Felle mit Messern gelöst bildeten wichtige Rohstoffe.

Auch das Braten oder Räuchern größerer Fleischpartien mit Knochen hinterlässt an diesen entsprechende Indizien wie Brandspuren und Aufhängelöcher (siehe Foto). Schließlich werden bestimmte Knochen ausgewählt, um aus ihnen Gegenstände des täglichen Bedarfs herzustellen, z.B.: Pfrieme, Flechtnadeln, Meißel, Musikinstrumente, Spielzeuge, Amulette usw.

 

Dem Archäozoologen verraten diese Abfälle und Knochenobjekte aber noch viel mehr, z.B. ob es Jäger oder Haustierzüchter waren, die an einem Platz lebten. Denn nahezu jedes Fragment lässt sich hinsichtlich seiner Herkunft von einer bestimmten Tierart identifizieren. Aus der Auswahl von Wildtieren (Säugetiere, Vögel und Fische) ergeben sich Hinweise auf die damaligen Umweltverhältnisse und das Bild der Landschaft. Aus der Biologie der Tiere lässt sich der Aktionsradius vorgeschichtlicher Jäger, manchmal sogar die Jagdmethodik erschließen. Misst man die Knochen in ihrer Länge und Breite, kann die Körpergröße, manchmal auch das Geschlecht der erbeuteten Tiere rekonstruiert werden. Dies klappt auch bei Haustierknochen: Wir können nicht nur feststellen, wie der Haustierbestand zusammengesetzt war, sondern auch, welche Gestalt die Haustiere hatten und ob es unter ihnen bereits bestimmte Typen gab, die bei der Zucht bevorzugt wurden. Interessant ist auch die Frage, wie alt diese Tiere waren, als man sie schlachtete. Wurden sie allein wegen der Fleischproduktion gehalten (mehr Jungtiere im Schlachtabfall) oder waren Wolle, Milch und/oder Arbeitskraft (mehr ausgewachsene Individuen im Schlachtabfall) vorrangige Nutzungsziele? Wie gesund war der Tierbestand? Ein wichtiger Aspekt ist auch der Vergleich von Haustieren aus verschiedenen geographischen Räumen oder aus Siedlungen mit unterschiedlicher Zeitstellung – kulturspezifische Besonderheiten in der Viehwirtschaft werden auf diese Weise sichtbar.

Außer als Schlacht- und Speisereste kommen Tierknochen aber auch in rituellen Zusammenhängen vor. So werden Pferde und Hunde nicht selten Verstorbenen mit ins Grab gelegt, als treue Begleiter des Menschen in Leben und Tod. In diesen Fällen sind die Skelette vollständig erhalten und die Knochen nicht fragmentiert! Ebenfalls in Gräbern zu finden sind Speisebeigaben (Rippchen, Schinkenknochen etc.) oder Schmuckobjekte (Ketten aus Hundezähnen, Muschelarmbänder, Amulette aus Hirschgeweih u. ä.).

In prähistorischen Heiligtümern finden sich ebenfalls Knochenreste. Es sind meist solche von ausgewählt prächtigen Tieren, die dort zeremoniell geschlachtet und zerlegt werden. Das Fleisch opferte man den Göttern und die knöchernen Überreste wurden verbrannt und separat deponiert. Eine weitere Kategorie von Knochenfunden sind Bauopfer: Hunde, die als Ganzes unter der Schwelle eines Hauses begraben, Schweine, die unter Herdstellen „bestattet“ oder Schädel von Hirschen, die in Mauern deponiert wurden. Diese Skelette und Schädel sollten das Wohlergehen der Bewohner dieser Häuser sichern. Es gibt aber auch Befunde aus baulichen Kontexten, die keine rituelle, sondern eine ganz praktische Bedeutung hatten: Dicht an dicht gereihte Knochen in Hausfundamenten sollten den Mauern die nötige Stabilität verleihen. Aus Tierknochenfunden erschließen sich dank ihres großen Potentials an Informationen Aspekte der Umwelt, des alltäglichen Lebens und der Glaubenswelt gleichermaßen. Zudem verraten uns die Knochen viel über die wechselvolle Bindung zwischen Mensch und Tier.

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