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Kim ist tot, es lebe Kim

Eun-Jeung Lee

Mit dem Tod von Kim Jong Il wird sein Sohn, der noch sehr jung ist (gerade 28 oder 29 Jahre alt), zum neuen Führer Nordkoreas. Als der „großartige Nachfolger“ und „hervorragende Führer“ wird der junge Mann, Kim Jong Un, in einer Rede an das Volk und die Armee, die vom gesamten Führungskollegium Nordkoreas unterschrieben wurde, bezeichnet.

In den Augen von denjenigen, für die die Demokratie die einzige akzeptable Form der politischen Herrschaft ist, mag diese Art von Nachfolge mehr als ungewöhnlich, ja unerträglich sein. Die Reaktion der meisten Medien war von diesem Unbehagen geprägt.

Man fragt sich oft, wie es im 21. Jahrhundert noch eine Machtvererbung über drei Generationen geben kann. Dabei vergisst man, dass viele Menschen in dieser Welt noch vor einem Jahrhundert in politischen Systemen gelebt haben, in denen mit größter Selbstverständlichkeit das Zepter der Herrschaft vom Vater an den Sohn weitergebeben wurde. Selbst in Deutschland existierte solch ein Herrschaftssystem bis 1918. Die Legitimität des Kaisers wurde nur von wenigen in Frage gestellt.

Die Legitimitätsbasis von Königen und Kaisern bestand im Grunde allein darin, dass er (oder sie) legitimes Kind des verstorbenen Königs oder Kaiser war. Ob er ein dann als guter König gelten würde oder nicht, das muss er selbst beweisen. Der Nachfolger eines guten Königs zu sein, war keine Garantie, auch selbst ein guter König zu werden. Dieses Prinzip galt in den meisten Ländern, die monarchisch regiert wurden.

Was wir heute in Nordkorea erleben, ist genau diese Art der Vererbung von Macht. Das nordkoreanische Regime bezeichnet sich zwar als eine „demokratische Volksrepublik“, doch ist der Status der Führerfamilie Kim dem einer königlichen Familie ähnlich.

Die Legitimität des Regimes in Nordkorea gründet sich auf die Legende von Kim Il Sung als Unabhängigkeitskämpfer. Die Tatsache, dass Kim Il Sung von den Sowjets als Führer aufgebaut wurde, spielt hierbei keine Rolle. Schon bald nach der Gründung des Staates wurde in Nordkorea ein Führerkult entwickelt. Das wurde dadurch erleichtert, dass die Bevölkerung bis dahin außer Monarchie und Kolonialverwaltung keine andere Form von politischer Herrschaft gekannt hatte.

Ob Kim Jong Un die Fähigkeiten besitzt, ein guter Herrscher sein wird oder nicht, ist hier nicht entscheidend. Lediglich ist es nur die Tatsache, dass in Nordkorea schon zu Lebzeiten von Kim Il Sung ein monarchieähnliches Regime entstanden ist.

Die Legitimität von Kim Jong Un als neuem Führer Nordkoreas liegt also allein darin begründet, dass er der Sohn des verstorbenen Herrschers ist. Akzeptiert man dies nicht, stellt man die Legitimität des gesamten Regimes überhaupt in Frage. Deshalb ist es für Nordkoreaner gar nicht so einfach, die Vererbung der Macht auf Kim Jong Un in Frage zu stellen.

Das Prinzip, das wir in Nordkorea im Zusammenhang mit der Nachfolgefrage beobachten können, entspricht dem bekannten Motto, „der König ist tot, es lebe der König“. Es gibt allerdings auch in der koreanischen Geschichte genügend Beispiele dafür, dass junge unerfahrene Könige von guten „Regenten“ beraten wurden. Es gibt aber auch Fälle, dass der junge König vom Regenten oder anderen Verwandten abgesetzt oder getötet wurde und diese dann die Königsmacht an sich rissen. Der König Sejo ist wohl der bekannteste Fall. Er setzte seinen Neffen, den König Tanjong, ab, ließ ihn umzubringen und führte dann selbst das Zepter. Deshalb fragt man sich, wie es Kim Jong Un mit seinen Beratern, die treue Diener seines Vaters gewesen waren, und seinem Onkel, ergehen wird. Wird er jemals die Chance haben, sich als Herrscher zu beweisen?