Wissenstransfer im Spannungsfeld von Pluralisierung und Institutionalisierung des Wissens in Korea im 16. und 17. Jahrhundert
SFB 980 Episteme in Bewegung: Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit; Deutsche Forschungsgemeinschaft
DFG
Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses des Forschungsprojektes stehen die Gründung und Verbreitung von sŏwŏn genannten Privatakademien im 16. Jahrhundert, d.h. in der mittleren Epoche der Chosŏn-Dynastie (1392-1910). Sie konkurrierten mit den Ende des 14. Jahrhunderts gegründeten staatlichen Universitäten Sungkyungkwan und Hyanggyo. Die schnelle Verbreitung der sŏwŏn hing mit dem Aufstieg neokonfuzianischer Gelehrter als politischer Kraft unmittelbar zusammen. Er wurde von erheblichen Differenzierungs- und Pluralisierungsprozessen der neokonfuzianischen Lehre in Korea begleitet. Gleichzeitig fand ein Prozess der Autorisierung des Wissens, das heißt der lehrhaften, maßstabsetzenden Orthodoxisierung der „neuen“ neokonfuzianischen, zur strengen Askese neigenden Dogmatik und der Institutionalisierung des Wissens, statt. Es herrschte sozusagen ein plurales Nebeneinander von Autoritäten bzw. ein Nebeneinander konkurrierender Normensysteme, die auch über Instanzen politischer und ökonomischer Macht sowie über Mittel, ihr Wissen zu kanonisieren, verfügten.
Im Zusammenhang dieser Entwicklung ergeben sich einige interessante Fragen, denen in diesem Forschungsprojekt nachgegangen werdenl: Wie und in welcher Form wurde das Wissen in Korea unter diesen Bedingungen pluralisiert? Wie sahen die Aushandlungsprozesse dieses Wissens innerhalb und zwischen Denkschulen (oft ein Verbund von sŏwŏn) aus? Wie und in welcher Form wurde das pluralisierte Wissen wiederum so institutionalisiert, dass die Orthodoxie des Neokonfuzianismus nicht in Frage gestellt wurde? Wie funktionierte dieses institutionalisierte Wissen in der Praxis? Wie standen die Privatakademien, die sŏwŏn dazu?