Madoka Suehiro, Universität Essen: Japan als „das leere Zeichen“? Girly-Photographers seit den 1990er Jahren in Japan
Madoka Suehiro
Universität Essen
"Japan als das leere Zeichen? Girly-Photographers seit den 1990er Jahren in Japan"
28. Oktober 2008
Roland Barthes (1915 – 1980) war zwischen 1966 und 68 dreimal in Japan. Als Semiotiker stellte er anhand seiner Erfahrungen in Japan Beziehungen der japanischen Kultur zu Zeichensystemen her und schrieb das Buch „Das Reich der Zeichen“ (1970). Im Buch untersucht Barthes die Kultur Japans als ein fiktives System, das er nicht als Realität begreifen will, sondern als hypothetisches Symbolsystem. Barthes bezeichnet die Kultur Japans mit dem Begriff des „leeren Zeichen[s]“. Dennoch hat er sich der Kultur Japans von einem europäischen Standpunkt aus genähert und definiert kulturelle oder relgioese Differenzen, wie bspw. den Zen-Buddhismus, die Kalligraphie oder Haiku (eine traditionelle Form von Kurzgedichten) aus einer Perspektive des „Anderen“. Er setzt sich damit auf eine durchaus reale Art mit der traditionellen japanischen Kultur auseinander. Zur Disposition steht jedoch, ob der Terminus des barthesischen „leere[n] Zeichen[s]“ ausschließlich auf das zeitgenössische Japan angewandt werden kann.
Seit etwa 1995 gibt es die Tendenz, dass junge Fotografinnen in Japan ihr eigenes Leben im Stil stimmungsbetonter Schnappschüsse darstellen.Der japanische Fotokritiker Kohtarô Iizawabezeichnet den Boom als onna no ko shashin (Girly-Photography). Ihre Bildästhetik kann man als „das leere Zeichen“ ansehen, weil es hier nicht in erster Linie um Bedeutungen geht, sondern darum, Stimmungen als Symptome des eigenen Lebens wiederzugeben. Jedoch kann man nicht nur in Japan sondern auch in Europa seit den späten 1990er Jahren ähnliche fotografische Position erkennen,die um die eigene Person und das private Umfeld mittels schnappschussartiger Fotografien kreisen.
Die sogenannten japanischen Girly-Photographers haben in Japan zu einem Phänomen geführt, das eine Reihe von Schnappschuss-Fotografinnen und Fotografen hervorgebracht hat, deren Arbeiten in der Gesellschaft eine starke Resonanz gefunden haben. Im Gegensatz dazu sind die europäischen Girl-Photograhers weitestgehend unbekannt. Einige Gründe dafür, warum nur in Japan solche Fotografinnen eine besonders große Akzeptanz finden, liegen in den unterschiedlichen Kunstsystemen und in einer anders strukturierten Kommunikationen mit den Bildern (wie zum Beispiel Manga, Purikula, Zeitschriften, Blogs u.a.).
Der Unterschied zwischen beiden Bildwelten scheint nicht durch langfristig wirkende Traditionen des künstlerischen Ausdrucks bedingt zu sein, sondern vielmehr durch die aktuelle Empfänglichkeit für bestimmte Themen und Ausdrucksformen auf Seiten des Publikums und des Kunstmarkts. Auf diese Weise wird es möglich, die Unterschiede mit einem differenzierten Blick anzugehen und zugleich zu vermeiden, dass ein kolonialistischer Blick auf unterstellte Andersartigkeit in den Vordergrund rückt.
In diesem Vortrag geht es vor allem darum, anhand der Girly-Photography seit 1990er Jahren in Japan aufzuzeigen, wie der Begriff „das leere Zeichen“ unter einem anderen Aspekt als dem exotischen Blick auf Japan betrachtet werden kann.
Zur Person:
Frau Suehiro promoviert seit 2004 zum Thema "Ich-Fotografie: Kommunikationsformen zeitgenössischer Fotografie in Japan" am Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Fotografie bei Frau Prof. Dr. Herta Wolf an der Universität Essen. Vom Oktober 2005 bis zum September 2008 war sie DAAD-Stipendiatin und seit Oktober 2008 ist sie eine Stipendiatin des japanischen Kulturministeriums (Bunkacho).