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Von politischer Macht zur 'obszönen Lehre' - Die Geschichte des koreanischen Schamanismus

Dolmen auf der Insel Kanghwa

Dolmen auf der Insel Kanghwa
Bildquelle: Wikimedia Commons – By Hairwizard91 [CC BY-SA 3.0]

Die folgende knappe Darstellung der Geschichte des koreanischen Schamanismus teilt sich auf in: vor und nach dem ersten Wendepunkt des religiösen Denkens in Korea, welche durch die Adoption des chinesischen Schriftsystems hanmun ausgelöst wurde.

Vor dem 1. Wendepunkt des reiligiösen Denkens in Korea – Von der Frühgeschichte bis zur Zeit der Drei Königreiche

Zwar kann nicht genau datiert werdenwann der Mensch schamanische Rituale zu praktizieren begann (man geht von einem Entstehungszeitraum zwischen 40.000 - 10.000 v. Chr. aus), es ist jedoch nachgewiesen, dass er seinen Ursprung in der sibirischen Region hat. Über die heutige Mongolei fand er seinen Weg auf die koreanische Halbinsel. Bis zu 35.000 Dolmen (sog. koindol) sind Zeugen der weiten Verbreitung und des Alters des Schamanismus im archaischen Korea. Darüber hinaus kann sogar behauptet werden, dass der Gründer des ersten Königreichs Kojosŏn (2.333 – 108 v. Chr.) und seine Nachkommen schamanische Ritualisten waren. 

Bild Tan'guns in einem privaten Schamanenschrein

Bild Tan'guns in einem privaten Schamanenschrein
Bildquelle: Wikimedia Commons - By Dr. Schul [CC BY-SA 4.0]

Die äußerst berühmte Tan'gun-Legende erzählt die Geschichte des ersten Herrschers Kojosŏns, der aus einem ehelichen Bündnis zwischen Hwanung, Sohn des höchsten Himmelgottes Hwanin, und einer als menschliche Frau wiedergeborenen Bärin hervorging. Solch eine Legendenbildung ist auch immer Ausdruck von Machtanspruch und Legitimation dieser. Die Legende Tan'guns soll zeigen, dass es sich bei Korea um eine heilige Nation handelt, gegründet von einem Mediator zwischen dem Himmlischen und dem Weltlichen.
Auch zur Zeit der drei Königreiche (kor. samguksidae, 57 v. Chr. - 668 n. Chr.) spielte der Schamanismus eine wesentliche Rolle bei der Konstituierung politischer Macht. Die schamanische Natur der königlichen Macht zeigte sich insbesondere in der Ehrenbezeichnung "ch'ach'aung" einiger Könige Sillas, das soviel wie "Schamane" in der alten Sprache Sillas bedeutete.

Nach dem 1. Wendepunkt des religiösen Denkens in Korea – Von der Zeit der drei Königreiche bis zur Chosŏn-Dynastie

madang-ku (Kut im Hof) in Andong, 1933

madang-ku (Kut im Hof) in Andong, 1933
Bildquelle: The Archive of Korean History

Mit dem Einrichten von vier Komtureien - vornehmlich im Norden Koreas - nach dem Sieg über Kojosŏn wuchs der Einfluss der Han-chinesischen Kultur auf der koreanische Halbinsel.  Insbesondere die Adoption des chinesischen Schriftsystems hanmun hatte den ersten Wendepunkt des religiösen Denkens in Korea zur Folge, denn mit ihr entwickelte sich eine Schriftkultur in einer Region, in der zuvor noch die generationsübergreifende Kommunikation auf mündliche Überlieferungen ausgerichtet war. Die Adoption von hanmun brachte zwei große Veränderungen mit sich: 1. Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Annäherung an die chinesische Han-Dynastie; und 2. die Verdrängung des Schamanismus aus den Machtzentren, denn die Verbreitung des chinesischen Schriftsystems geschah vornehmlich mit Hilfe der Lehrschriften Konfuzius und Buddhas, welche, als sogenannte klassische Religionen, in der Bildung genießenden Oberschicht zunehmend  angenommen wurden. Darüberhinaus war der Buddhismus auch religiöser Konkurrent des Schamanismus in der unteren Gesellschaftsschicht. Ab jener Zeit ist die Geschichte des Schamanismus von seinem allmählichen Ausschluss aus den Machtzentren und seiner Verbreitung unter dem einfachen Volk geprägt.

Zur Zeit der Koryŏ-Dynastie (918 - 1392) wurde der Schamanismus zwar immer mehr in die Peripherie verbannt während der Buddhismus zur Staatsreligion und der Konfuzianismus als Grundlage des Staatssystems institutionalisiert wurden, trotzdem mobilisierte die Monarchie alle Religionen um sich von ihnen bei gemeinsam ausgeführten Ritualen, wie p'algwanhoe und yŏndŭnghoe, segnen zu lassen. Deshalb kann gesagt werden, dass zu jener Zeit ein religiöser Pluralismus entstand, dessen Aufrechterhaltung im Testament hunsipjo des Begründers und Königs Wang Kŏn (877 - 943)  ausdrücklich gewünscht wurde:

"I want p'algwanhoe and yŏndŭnghoe to be continued forever, because p'algwanhoe serves the heavenly and mountain spirits, and yŏndŭnghoe serves Buddha. Everyone of my descendant kings should bear this in mind and keep it forever. If some bad subordinates suggest abolishing the ceremonies, you must not pay any attention to that."

Als zum Ende Koryŏs dann auch noch die Lehren des Neo-Konfuzianismus (sŏngrihak) auf der koreanischen Halbinsel Einzug erhielten, verschärfte sich die Kritik der neuen Konfuzianer sowohl gegen den Buddhismus als auch den nun als obszöne Lehre denunzierten Schamanismus. Beide Religionen trugen das Übel in sich, das verantwortlich für den Verfall der Monarchie Koryŏs war, so die Kritik.


Zeitungsauslage für die 'Mudang News'

Zeitungsauslage für die 'Mudang News'
Bildquelle: Wikimedia Commons - By InSapphoWeTrust [CC BY-SA 2.0]

Nachdem die neue Dynastie Chosŏn 1392 von der neuen neokonfuzianischen Elite um Yi Sŏnggye (1335 - 1408) gegründet und der Neokonfuzianismus zur alleinigen Staatsideologie ernannt wurde,  kam es zu wiederholten Verkündigungen des Verbots von schamanischen Praktiken (1436, 1472, 1475, 1478), die daraufhin deuten, dass sie kaum Wirkung zeigten. Trotz des intensiven Einsatzes für ein offizielles Verbot des Schamanismus durch die neokonfuzianische Herrscherklasse, existierten Regierungsorgane wie das sŏngsuch'ŏng, welches während der Koryŏ-Dynastie gegründet wurde und für die Ausführung schamanischer Rituale am Königshof zuständig war, fort.

Trotz aller Anstrengungen konnte der Schamanismus (ähnliches gilt auch für den Buddhismus) nicht gänzlich vom Königshof der Chosŏn-Dynastie verbannt werden. Der Versuch neue konfuzianische Riten im Volk zu verbreiten führte vielmehr zu einer Vermischung der religiösen Praktiken des Konfuzianismus, Schamanismus und Buddhismus, auf welche in den folgenden Kapiteln genauer eingegangen wird.

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