Neuer Magischer Realismus in der Abguss-Sammlung Berlin - Simone Haack in UNTANGLING THE STRANDS
Sonderausstellung in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik (22.02. - 26.05.2024)
News vom 07.02.2024
OPENING: 22. Februar 2024 um 18.00 Uhr
AUFTAKT ZUM GALLERY-WEEKEND: 23. April 2024 um 18.00 Uhr mit DJ, Drinks & Food.
LAUFZEIT: 22. Februar – 26. Mai 2024
ÖFFNUNGSZEITEN: DO – SO, 14 – 17 Uhr
ABGUSS-SAMMLUNG ANTIKER PLASTIK
FrREIE UNIVERSITÄT BERLIN
SCHLOSSSTRASSE 69 B
14059 BERLIN-CHARLOTTENBURG
Die Ausstellung ist von inhaltlichen Veranstaltungen begleitet. Termine werden zeitnah mitgeteilt.
Die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin zeigt vom 22. Februar bis zum 26. Mai 2024 die Welten der surrealen Haarlandschaften der für ihren Neuen Magischen Realismus bekannten Künstlerin Simone Haack im symbol- und phantasiereichen Dialog mit antiker griechischer und römischer Skulptur. Die metaphorische Darstellung ihrer Gemälde trifft hier auf die sich aufdrängenden Symbole gesellschaftlicher Konventionen der Antike. Und dies gleich nebenan von Berlins symbolträchtiger Museumssammlung des Surrealismus, der Sammlung Scharf-Gerstenberg, gegenüber dem Schoss Charlottenburg. Die Meisterschülerin von Karin Kneffel und Katharina Grosse an der Hochschule für Künste in Bremen verwandelt dabei visuelle Bilder in dialogisch kraftvolle Symbole der Transformation und alternativer Realitäten, in denen das Haar am Ausstellungsort ein Eigenleben entwickelt.
ENTWIRREN DER STRÄHNEN nennt sie ihre Einzelausstellung, mit der sie in Verbindung ihrer zuletzt im Städtischen Museum Engen gezeigten Überblicksausstellung "Hair" ihre Beschäftigung mit dem gleichnamigen Thema fortsetzt und zu der sie jüngst eine 130-seitige Publikation vorgelegt hat. Das Haar ist der wildeste Teil am menschlichen Körper, jede Nacht nimmt es seine eigene Form an, jeden Morgen kostet es Zeit, ihm die gewünschte Form wieder aufzulegen. Die kunstvollen Haarfrisuren in den Bildern der Antike zeugen auch von dem Aufwand, sich gegen die Wildheit des Haares zu stellen, ihm gegen seiner Natur Form zu geben. Das reicht bis hin zur Überstilisierung des Haares zum Zweck der Entfremdung der eigenen Person.
Wie bereits zuletzt in der Ausstellung trasumanar ihrer Galerie Gebr. Lehmann in Dresden, thematisiert die zuletzt mit dem Willi Oltmanns-Preis für Malerei ausgezeichnete Künstlerin das Haar in seiner Wildheit und das Ringen um die Zähmung und Stilisierung seiner wilden Natur. Was aber passiert, wenn sich das menschliche Haar tatsächlich verselbständigt, wenn es Besitz ergreift von Köpfen und Dingen, die es benutzt, um selbst Körper zu sein? Viele der neueren Arbeiten der in Berlin lebenden und arbeitenden Künstlerin sind Haar-Körperbilder. Das Haar gestaltet seinen eigenen Körper, lässt das Gesicht im Dunkeln. Es ergießt sich in Formen, die zwar in ihrer Struktur noch haarig sind, aber ein Eigenleben führen, das sein eigenes Gesicht hat.
Die Gipsabgüsse in der Berliner Abguss-Sammlung gehören einem eigenen Bildgenre der Wissenschafts- und Sammlungsgeschichte an. Sie sind Duplikate, die ihrem Original sehr nahestehen, dennoch eine eigene Textur haben, die eine Verwechslung mit dem Original unmöglich machen. Sie sind Simulacra von Dingen, die ihnen ähnlich, mit denen sie aber nicht identisch sind. Auch in den Bildern von Simone Haack begegnet man Phänomenen des Simulacrums. Menschen, Körper und eben auch das Haar suggerieren Ähnlichkeit, sind aber in ihrer Realität scheinbar und das Produkt von Fantasie. Abgüsse von antiken Skulpturen sind keine Fantasien über deren Original, aber das Original, auf das sie sich beziehen, stellt häufig eine Fantasie über die Wirklichkeit dar, ganz so wie in der Malerei der 45-jährigen Künstlerin. In ihrer Malerei legt sie symbolhaft die Fragilität des menschlichen Wesens offen. Dabei erzählen ihre Werke immer auch von den Spannungen physischer und psychischer Existenz, die bei ihr die malerische Psychoanalyse durchlaufen. Und immer auch nach ihrem Credo: Mit den Mitteln des Realismus zu arbeiten, aber keine Realität abzubilden.
Die Künstlerin und Dix-Stipendiatin ist derzeit in noch zahlreichen weiteren musealen Ausstellungen zu sehen, darunter unter anderem noch bis zum 1. April 2024 in den Hamburger Deichtorhallen in Dix und die Gegenwart neben Größen wie Marlene Dumas, Georg Baselitz, Lucian Freud, Alice Neel, Cindy Sherman und Kara Walker, noch bis zum 10. April 2024 in der bedeutenden Dix-Sammlung der Städtischen Sammlungen Freital auf Schloss Burgk bei Dresden mit Missy Pink - Dame in Rot. sowie Anfang März bis Mitte Mai 2024 mit Dissonance. Platform Germany in der Stadtgalerie Kiel und Oktober/November 2024 in der Nationalgalerie Bukarest.
Ihre gegenwärtige Einzelausstellung findet mit Unterstützung ihrer Galerie Droste, Düsseldorf und Paris statt. In der französischen Metropole zeigt die Künstlerin bei Droste kommenden Sommer gleich zwei Ausstellungen. Mit Journaux de Rêves vom31. August bis zur Art Basel Paris+ (17.10.2024) widmet sie sich in ihrer diesjährigen Einzelausstellung im 100. Jubiläumsjahr des Surrealismus ihren Traum-Protokollen als verbindendes Element nach Theodor A. Adorno einer einheitlichen Welt, wie die Erzählungen von Franz Kafka. Parallel führt ihre biographische Kabinettausstellung L´Union Libre die Besucher:innen zurück in ihre Studienzeit an der Pariser Ècole Nationale Superieure des Beaux-Arts. Gezeigt werden nach dem gleichnamigen surealistischen Gedicht von André Breton über die „Freie Liebe“ aus dem Jahr 1931 bereits Haacks frühe Beschäftigung mit den Themen Haar, Körper und Identität unter anderem neben Werken ihrer Kommiliton:innen und Professor:innen wie u.a. Julie Curtiss, Pat Andrea, Christian Boltanski, Annette Messager und Jean-Michel Alberola.
Bildcredit 1: Simone Haack, Waves (4), 2024, Oil on Canvas, 170 x 140 cm
Bildcredit 2: Simone Haack, Trasumanar, 2023, Oil on Canvas, 220 x 140 cm
in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin. Credit: SCS Bildarchiv, Berlin.