Vorbericht zur Kampagne 2015
Das vorrangige Ziel der abschließenden Feldkampagne 2015 auf der Unteren Agora von Pergamon war die Vervollständigung der Bauaufnahme. Ergänzend dazu wurden vier systematische Säuberungen angelegt, um einzelne Fragen der Konstruktionsweise sowie der Baugeschichte zu klären. Parallel dazu erfolgte die Auswertung des Fundmaterials aus den Sondagen der Kampagne 2014. Im folgenden wird ein kurzer Überblick über Art und Umfang der Arbeiten gegeben.
Pergamon, Untere Agora. Felsabarbeitungen im westlichen Hofbereich nach Tiefensäuberung. (Luftaufnahme: B. Ludwig).
Der Plan der Altgrabung verzeichnet für den westlichen Hofbereich verschiedene Felsabarbeitungen, darunter eine große halbkreisförmige Fundamentgrube. Eine umfangreiche Reinigung dieses Areals lieferte neue Erkenntnisse zur Bewertung dieser Abarbeitungen. So liegt das Niveau der Oberkante innerhalb der halbkreisförmigen Struktur nachweislich über demjenigen des Stylobats der Hofhallen. Die nicht vollständig vorgenommene Abarbeitung der Felsoberfläche deutet darauf hin, dass der halbrunde Bau bei Errichtung der Agora bereits bestand oder zumindest geplant war. Die exedraförmige Struktur ist demzufolge mindestens bauzeitlich zu datieren, wie bereits im Übersichtsplan der Altgrabung ohne weitere Begründung richtig angegeben wurde. Auch die von U. Wulf vorgetragene Deutung der Struktur als Nymphäum ist vor dem Hintergrund der neuen Ergebnisse vermutlich zu korrigieren. Bei dem im Plan der Altgrabung verzeichneten kurzen Abschnitt einer Rohrleitung auf Höhe der Exedra handelt es sich tatsächlich um die Fundamentierung einer spätantiken Mauer. Die noch ausstehende Auswertung des Fundmaterials lässt einen terminus post quem für die Verfüllung der ausgeraubten Fundamentgrube des halbkreisförmigen Baus erwarten.
Pergamon, Untere Agora, Südostecke. Säuberung am östlichen Ende der Peristasis.
Im Vordergrund der anstehende, abgearbeitete Fels (Foto: B. Emme).
Eine zweite Säuberung wurde zur Klärung der Maueranschlüsse an der Südostecke angelegt. In diesem Zusammenhang wurde aus der Verfüllung der Peristasis großteilig zerscherbte Keramik geborgen. Da der Befund in einer schmalen Vertiefung angetroffen wurde, ist davon auszugehen, dass es sich um eine bauzeitliche Verfüllung handelt. Eine erste Durchsicht des Materials ergab, dass es sich vorrangig um Bankettgeschirr hellenistischer Zeit handelt, dessen Laufzeit bis in das 1. Jh. v. Chr. reicht. Die vollständige Auswertung des Materials wird zeigen, ob sich auch durch diesen Befund die Datierung der Unteren Agora in die Jahrzehnte um die Zeitenwende bestätigt. Darüber hinaus konnte durch die Säuberung der Nachweis erbracht werden, dass die Peristasis anders als diejenige an der Südseite der Treppe 45 an ihrer Ostseite nicht auf die hier verlaufende Straße hin geöffnet war, obwohl eine solche Konstruktionsweise aufgrund des in dieser Richtung abschüssigen Terrains zu erwarten wäre. Die durch diesen Befund abermals aufgeworfene Frage der Entwässerung der weitläufigen Anlage gab den Anlass zur Durchführung einer dritten Säuberung im Bereich der Südhalle.
Pergamon, Untere Agora. Säuberung in Raum 30/31 im Untergeschoss der Südhalle (Foto: B. Emme).
Die dritte Säuberung wurde im Bereich der Räume 30 und 31 angelegt. Bereits der Plan der Altgrabung verzeichnete in Raum 30 den Strang einer Tonrohrleitung, der unter der nördlichen Rückwand von Raum 30 hindurchgeführt ist und an die Peristasis anschließt. An der Südseite des Raumes wurde die Leitung unter der Türschwelle hindurchgeführt. Für die Funktionsweise der Peristasis wird damit deutlich, dass die Entwässerung nicht über eine Öffnung an deren Ostseite erfolgte, sondern stattdessen durch eine Reihe von Tonrohrleitungen auf die an der Südseite des Baus verlaufende Straße geführt war. Entsprechende Leitungen sind für die meisten der Räume im Untergeschoss der Südseite durch die Altgrabung nachgewiesen.
Pergamon, Untere Agora. Münze Constantius´ II. aus der Unterfütterung des sekundären Pflasters im östlichen Teil der Nordhalle (Foto: J. Chameroy).
Wichtige Ergebnisse für die Datierung der späteren Bauphasen konnten zudem durch die Aufarbeitung des Fundmaterials der Kampagne 2014 gewonnen werden. Von Bedeutung ist vor allem die Datierung der kleinteiligen Einbauten im östlichen Teil der Nordhalle, die als späte Wohnbauten anzusehen sind (Bauphase 3). Aus der in der Kampagne 2014 geschnittenen Unterfütterung des sekundären Hofpflasters eines Hauses stammt Keramik, die bis in das 4. Jh. n. Chr. reicht. Dieser Zeitansatz stimmt mit der Datierung einer aus demselben Befund stammenden Münze aus der Zeit des Kaisers Constantius II. überein (Mitte 4. Jh. n. Chr.). Es ist demnach davon auszugehen, dass die Errichtung von Wohnbauten im Bereich der Agora bereits zu einem entsprechend frühen Zeitpunkt, im späteren 4. oder im frühen 5. Jh. n. Chr. erfolgte. Die Implikationen, die sich aus dieser Datierung für die Bewertung des Kirchenbaus ergeben, bleiben zu diskutieren.
Pergamon, Untere Agora. Kymakapitell vom Untergeschoss der Hofhallen (Foto: B. Emme)
In der Kampagne 2015 konnten die bauforscherischen Arbeiten am Steinplan sowie an den beiden Ansichten (West- und Nordseite) abgeschlossen werden. Auch wurde abermals eine größere Anzahl Bauglieder zeichnerisch aufgenommen. Aus einer systematischen Auswertung der Fotoaufnahmen der Altgrabung ergibt sich zudem erstmals ein Hinweis darauf, dass zwei im westlichen Hofbereich lagernd aufgefundene Kymakapitelle tatsächlich von der Altgrabung auf der Unteren Agora aufgefunden wurden. Da die Kapitelle aufgrund ihrer Maße und Zurichtung mit facettiertem Schaftansatz als einzige der im Bereich der Agora erhaltenen Kapitelle zu den Hofsäulen passen, ist diese Rekonstruktion sehr wahrscheinlich. Pergamenische Vergleichsbeispiele für die Verwendung von Kymakapitellen sind in aller Regel in hochhellenistische Zeit zu datieren. Wie sich auch für die Bautechnik zeigen lässt (Werksteintechnik, Material Andesit), weist die Bauornamentik der Unteren Agora damit einen deutlichen Rückbezug auf die königszeitliche Architektur der Stadt auf. Diese Beobachtung erscheint in Anbetracht der zunehmend besser fundierten Datierung der Agora in das späte 1. Jh. v. Chr. / frühe 1. Jh. n. Chr. grundsätzlich bemerkenswert.
Pergamon, Untere Agora. Team 2015.
Mit Abschluss der Feldarbeiten ist eine Phase der Auswertung und Aufarbeitung vorgesehen. Wie zuvor skizziert konnten gemäß der Zielstellung des Projektes zahlreiche Ergebnisse erreicht wurden, die die Bau- und Nutzungsgeschichte der Unteren Agora betreffen. Einzelne Fragen müssen vorläufig offen bleiben. Problematisch bleibt – in Ermangelung von entsprechenden Schichten – die Datierung des kaiserzeitlichen Umbaus der Anlage. Daneben stellt die Datierung der Kirche auf archäologischer Grundlage eine weiteres Desiderat dar. Zudem wäre unter einer entsprechenden Fragestellung die systematische Ausgrabung des byzantinischen Gräberfeldes denkbar, da sich in zahlreichen Gräbern zumindest Reste von Bestattungen fanden.
Burkhard Emme – Arzu Öztürk