Vorbericht zur Kampagne 2013
In der Kampagne 2013 konzentrierten sich die Arbeiten mit Ausnahme einer kleinen Sondage in Raum 37 auf den westlichen Teil der Unteren Agora. Der Bereich ist durch einen Zaun vom östlichen Teil der Anlage abgetrennt und wird gegenwärtig großteils als Steindepot genutzt. Innerhalb des genannten Areals wurden größere Partien der Anlage von Bewuchs gereinigt und anschließend vermessen und im Maßstab 1:50 zeichnerisch aufgenommen. Die Dokumentation der Baubefunde wurde durch Fotoaufnahmen und beschreibende Angaben in der Grabungsdatenbank ergänzt. Zudem wurde mit der zeichnerischen Aufnahme von Baugliedern begonnen. Ergänzend wurden drei archäologische Sondagen durchgeführt, um Fragen der Chronologie und Baugeschichte zu klären.
Pergamon, Untere Agora. Sondage im westlichen Hofbereich (2013)
Für die Erbauungszeit der Unteren Agora wird seit Dörpfeld aus allgemeinen historischen Erwägungen eine Errichtung unter Eumenes II. angenommen. Spätere Einbauten wurden von Dörpfeld hypothetisch mit inschriftlich überlieferten Baumaßnahmen eines Iulius Nikodemos Nikon verbunden und in die hohe Kaiserzeit datiert. Eine Datierung der Errichtung der Anlage sowie der Umbaumaßnehmen auf archäologischer Grundlage steht hingegen bislang aus. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der Chronologie des Baus und seiner Nutzungsphasen ein zentrales Anliegen des Projektes. Zu diesem Zweck wurden in der Kampagne 2013 drei Sondagen angelegt. Wie die Auswertung des keramischen Fundmaterials im Verlauf der Kampagne 2014 ergab, konnte in allen drei Sondagen Fundmaterial aus dem Fundamentbereich geborgen werden, dass in das späte 1. Jh. v. Chr. bzw. das frühe 1. Jh. n. Chr. zu datieren ist. Die weiteren Arbeiten werden zeigen müssen, inwiefern sich dieser Zeitansatz für die Erbauungszeit der Unteren Agora insgesamt erhärten lässt.
Pergamon, Untere Agora. Sondage in Raum 37 (2013)
Betrachtet man die Ergebnisse von Bauaufnahme und archäologischen Sondagen gemeinsam, so zeichnen sich bereits mit Abschluss der ersten Kampagne zahlreiche Befunde ab, die die Bau- und Nutzungsgeschichte der Unteren Agora differenzierter erscheinen lassen, als die von Dörpfeld entworfene Chronologie dies vermuten ließ. Dies soll anhand von zwei Beispielen exemplarisch illustriert werden. Das Hofpflaster zeigt östlich der Westhalle zwei Partien, die nicht der üblichen Fugenkonkordanz der Platten entsprechen. Aufgrund ihrer Anordnung vor jeweils einer Säule steht zu vermuten, dass die Platten ersatzweise verlegt wurden, nachdem eine ältere Installation entfernt worden war – wohl jeweils eine Statuenbasis. Als relativchronologische Sequenz ergibt sich aus diesem Befund die Abfolge: Bau der Westhalle – Errichtung der Statuenbasen – Verlegen des angeschobenen Plattenpflasters – Entfernung der Basen und Schließen der entstandenen Lücke im Pflaster.
Pergamon, Untere Agora. Hofpflaster vor der Westhalle mit zugesetzten Fehlstellen entfernter Statuenbasen (2013)
Ein zweites Beispiel bietet die podestartige Struktur an der Rückwand der Nordhalle. Ursprüngliche Ausdehnung und Funktion der Struktur sind weitgehend unklar, da sich entgegen dem Plan bei Dörpfeld an keiner Seite eine Begrenzung fassen lässt. Deutlich ist jedoch, dass die Struktur einen Kern aus mehreren Fußböden vor dem Abgraben durch die Altgrabung bewahrt hat. Eine Reinigung des Profils an der südlichen Vorderkante der Struktur ergab, dass in diesem Bereich oberhalb des ursprünglichen Hallenbodens nachweislich zwei weitere Böden von jeweils ca. 5 cm Stärke erhalten sind. Auf diesen Böden liegt eine weitere, unregelmäßige Schicht auf, auf die wiederum eine Lage aus in Mörtel gesetzten Kalksteinplatten aufgebracht wurde. Auf diesen ruht schließlich eine Schicht von in Mörtel gebetteten Andesitplatten, die ihrerseits mutmaßlich aus wiederverwendetem Material des Hofpflasters besteht.
Pergamon, Untere Agora, Nordhalle. Stratigraphische Abfolge der Hallenböden (2013)
Ein wichtiges Ergebnis in Hinblick auf die nachantike Entwicklung des Baus bildet abschließend die Beobachtung, dass zahlreiche Bauglieder der Hofarchitektur im Fundamentbereich der byzantinischen Kirche als Spolien wiederverwendet wurden. Dieser Befund ist bemerkenswert, da Dörpfeld annahm, dass die Kirche errichtet worden sei, als die Hallenarchitektur der Agora noch bestanden habe. Diese Einschätzung ist in Anbetracht der Befunde eindeutig zu revidieren. Zumindest Teile der Hofhallen müssen demnach bereits eingestürzt gewesen oder aber gezielt abgebrochen worden sein, als mit Errichtung der Kirche begonnen wurde.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die neuen Untersuchungen im Bereich der Unteren Agora bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt darauf hindeuten, dass sich die Bau- und Nutzungsgeschichte der Anlage deutlich vielschichtiger darstellt, als bislang angenommen. Als Problematisch erweist sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einbindung der zahlreichen relativ-chronologischen Befunde von der Unteren Agora in ein absolut-chronologisches Netz. Fortschritte sind in dieser Hinsicht von der Auswertung der Keramikfunde sowie von weiteren Sondagen zu erhoffen, die im Verlauf der kommenden beiden Kampagnen durchgeführt werden sollen.
(A. Öztürk – B. Emme)