Nils Purwins
Dissertationstitel: „Spätantike Regionaleliten - Provinzstrukturen im 6. Jahrhundert im Ērānšahr und Imperium Romanum“
Abstrakt: Hauptanliegen des Dissertationsvorhabens ist die genaue Erfassung der Provinz- und Regionaleliten des 6. Jh. am Beispiel des Hauptkontaktgebietes des sogenannten fruchtbaren Halbmondes unter Heranziehung von Vergleichsfällen im angrenzenden iranischen und armenischen Hochland und eine präzise Evaluierung ihrer Aufgabenbereiche und Kompetenzen auf regionaler und lokaler Ebene im Rahmen der Verwaltungen der beiden Großreiche mit dem Ziel, der Frage nachzugehen, inwieweit sie sich im 6./7. Jh. strukturell angenähert hatten.
Zunächst soll die Frage gestellt werden, wie Eliten im jeweiligen Kontext der beiden Reiche definiert werden können, und welchen Faktoren sie in den jeweiligen zu untersuchenden Regionen ihren Elitenstatus zu verdanken hatten. Zu den Eliten konnten u.a. militärische wie zivile Verwaltungsbeamte, Angehörige einer bestimmten Schicht, Geschäftsleute sowie Landbesitzer bzw. Ortsvorsteher, verzweigte Familiengeschlechter oder Würdenträger mandäischer, jüdischer oder christlicher Selbstverwaltungen gehören. Daraus leitet sich die Frage ab, inwieweit in den Reichen lokale Eliten in die Verwaltung der Provinzen eingebunden wurden. Handelte es sich um institutionalisierte oder personalisierte Administrationen und wie gestaltete sich deren Organisation? Was war eigentlich eine Provinz in ihrer Struktur? Wie gestaltete sich die Bindung der Regionen und der lokalen Eliten an die Zentralen? Diese Punkte sind zu untersuchen. Ferner soll dabei der Zusammenhang zwischen Elitenstatus und Aufgabenbereich in der Verwaltung im Kontext der gesellschaftlichen Stellung, den Befugnissen und der ökonomischen Grundlage der Amts- und Würdenträger eruiert werden. Das ermöglicht schließlich Aussagen über Zielsetzungen von Provinzordnungen und Funktion einzelner Persönlichkeiten für die Zentralen. Im Anschluß sollen Kriterien entwickelt werden, nach denen genaue und aussagekräftige Vergleiche zwischen den sasanidischen und byzantinischen Provinz- und Regionaleliten ermittelt werden können.
Hierfür werden vor allem die Direktzeugnisse des 6./7. Jh. ausgewertet, die aus Siegeln und Bullen, Dokumenten auf Papyri, Leder und Leinen (kurz PLL) und Inschriften bestehen. Verglichen werden diese mit der zeitgenössischen armenischen, syrischen und griechischen Literatur der Historiographie, Hagiographie und der Chroniken und der späteren perso-arabischen Überlieferung des 9./10. Jh.