Thomas Spengler M.A.
Wilhelm Kotzde-Kottenrodt und die Adler und Falken
Der ehemalige Lehrer, Schriftsteller und Publizist Wilhelm Kotzde-Kottenrodt, der bereits früh in persönlichem Kontakt zum Wandervogel steht, gründet im Februar 1920 den Bund der Adler und Falken, dessen Bundesführer bzw. -vater er wird. Obwohl dieser mit teilweise über 3000 Mitgliedern inner- und außerhalb der damaligen Reichsgrenzen als einer der bekanntesten und wichtigsten völkischen Vertreter der bündischen Jugend gilt, sind weder er noch das Wirken Kotzde-Kottenrodts umfassend wissenschaftlich untersucht.
Schon vor der Gründung der Adler und Falken sind zentrale Themen in den Schriften Kotzde-Kottenrodts „Heimat“ und „Vaterland“, während er selbst Mitglied des Deutschbundes wird. Für diesen verfasst er 1919 eine „Denkschrift über die Entfachung einer umfassenden Deutschbewegung unter der Jugend“, die bereits wesentliche inhaltliche und strukturelle Merkmale des erst im Folgejahr gegründeten Jugendbundes vorwegnimmt. Durch die Unterstützung des Deutschbundes erleben die Adler und Falken in den nächsten Jahren ein starkes Wachstum und sind treibende Kraft vieler weiterer Unternehmungen des völkisch- jugendbewegten Spektrums. Hierzu gehören als wichtigste Wegmarken die Gründung der überbündischen Zeitschrift Die Kommenden sowie die tatkräftige Unterstützung der Artamanenbewegung. Als Kotzde- Kottenrodt nach inneren Spannungen die Adler und Falken verlässt, wird er offizieller Schirmherr der ebenfalls ausgeschiedenen Gruppen, die sich zur Deutschen Falkenschaft formieren.
Obwohl sich Adler und Falken und Deutsche Falkenschaft nach der sog. nationalsozialistischen Machtübernahme auflösen müssen, bleiben die Verbindungen zwischen vielen Mitgliedern ein Leben lang bestehen; während „Vater Kotzdes“ Bemühungen um Sammlung „aller hochgemuten Deutschen“ abrupt mit seinem Tode im September 1948 enden, finden sich in der Bundesrepublik ehemalige Adler und Falken zum bis in die 1990er Jahre bestehenden Dörnbergbund zusammen.
Inhaltliche Konstanten sind die Suche nach einem nie letztgültig ausformulierten „deutschen Glauben“, das Wander- und Naturerlebnis, innerdeutsche und „Grenzlandfahrten“ zur Pflege des „Auslandsdeutschtums“, „Kulturarbeit“ in Form von Volkstanz, Volksliedern, Schauspiel und der Auseinandersetzung mit deutschen Dichtern, Malern und anderen Künstlern sowie in späteren Jahren ein ausgeprägter Wehrgedanke.
Hierbei entstehen ideelle Spannungsfelder mit den Polen des elitären Kreises gegenüber dem Ziel der „Volksgemeinschaft“, der Abgrenzung vom Wandervogel bei gleichzeitiger anhaltender Bewunderung für diesen, des Plangründungscharakters der Adler und Falken im Gegensatz zur angestrebten dynamischen Entfaltung des Bundes und des Widerspiels von Wander- und Wehrgedanken; der größte Streitpunkt aber, der schlussendlich auch einer der Hauptgründe für die Spaltung in Adler und Falken und Deutsche Falkenschaft wird, ist das Verhältnis von in beiden Fällen völkisch aufgeladener politischer zu kultureller Arbeit. Das Promotionsvorhaben bewegt sich im Rahmen der Organisations- und Ideengeschichte und soll am Beispiel des Bundes der Adler und Falken und des Weltanschauungsmultiplikators Wilhelm Kotzde-Kottenrodt den Übergangsbereich von Jugend- und völkischer Bewegung beleuchten, somit ein in den letzten Jahren vor allem in einzelnen Aufsätzen formuliertes Forschungsdesiderat angehen. Relevante Fragen sind, inwieweit die genannten konfligierenden Sphären zu ihrer Umsetzung gelangen, welche Personen und Untergruppen dabei Träger der jeweiligen Richtung sind, welche Bedeutung dies für die Beziehungen der Adler und Falken zu anderen völkischen oder bündischen Organisationen hat und welches Verhältnis sich zum Nationalsozialismus einstellt.
Neben den offiziellen und den internen, aber an einen größeren (Führungs-)Kreis gerichteten Schriftquellen basiert diese Arbeit auf den in Privatbesitz befindlichen Nachlässen Wilhelm Kotzde-Kottenrodts und Hans Teichmanns, seines Adlatus' und späteren Schwiegersohnes. Hierin enthalten sind biographische Details, private Korrespondenzen mit (je nach Zeitpunkt ehemals) führenden Adlern und Falken, Zeugnisse Kotzde-Kottenrodts darüber hinausgehender, weitverzweigter Kontakte und Vermittlungsbemühungen in der Weimarer Republik sowie dem nationalsozialistischen Staat und Reaktionen auf die Umbrüche der Jahre 1918, 1933 und 1945, die stets weitere Planungen anstoßen.
Lebenslauf
2005-2014: Studium der Lateinischen Philologie und der Geschichtswissenschaften an der Universität Potsdam und der Freien Universität Berlin, Erlangung des Magistergrades mit der Abschlussarbeit "Die Zeitschrift 'Rig'. Vierteljahrsschrift für deutschen Gottglauben".
Kontakt
spengler@zedat.fu-berlin.de