Springe direkt zu Inhalt

Philip Kovacevic

Das Piratenbild im deutschen Sprachraum im Verlauf der frühen Neuzeit

Piraterie ist im Verlauf der Geschichte konstant präsent. Von der Antike bis zur heutigen Berichterstattung existiert die Bedrohung der Seefahrt und des Seehandels. Besonders prägend für unser heutiges Piratenverständnis, das maßgeblich vom populären Pirtatenmythos dominiert ist, war die Seebeutenahme im Rahmen der europäischen Expansion. Hier spielte die frühneuzeitliche Machtpolitik eine wichtige Rolle. (Bohn, Robert, Die Piraten, München 2003, S.10.) Spanien und Portugal konnten sich bereits früh von den anderen europäischen Mächten absetzen. Indem sie Ihre Kolonialreiche ausbauten, sicherten sie sich den Zugang zu den begehrten Handelsgütern und Ressourcen in Übersee. Hieran hatten England, Holland und Frankreich auch ein großes Interesse, um die Machtverhältnisse in Europa zu Ihren Gunsten zu beeinflussen. Damit war auch eine Informationspolitik verbunden, welche zu Ereignissen der Seebeutenahme Stellung bezog und folglich eine Positionierung gemäß den eigenen Machtinteressen vornahm.

Die Untersuchung beschäftigt sich mit der medialen Verarbeitung des Themas Seebeutenahme im Verlauf der frühen Neuzeit. Ziel ist es herauszuarbeiten, welches Bild von Freibeutern, Seeräubern, Korsaren, Kaperfahrern, Bukaniern etc. in einem Sprachraum gezeichnet wurde, der kaum direkt an der Europäischen Expansion beteiligt war. Das heutige Piratenbild wird vornehmlich durch die jeweils dominanten Medien geprägt. Diese sind an erster Stelle Filme und Kinder-/Jugendliteratur. Hier erfolgt die flächendeckende bzw. frühe Bildentstehung. Dieses „Piraten-Branding“ hat eine lange Tradition. Nachweisbar ist dies spätestens seit Stevensons Schatzinsel im 19. Jh. Doch welches Piratenbild herrschte in der Blütezeit der Piraten vor? Welche Kernaussagen, Muster, Regelmäßigkeiten tauchten seit wann in der Darstellung des Seeraubs regelmäßig auf und fand bereits eine zeitgenössische Verklärung statt? Hieran schließen sich natürlich insbesondere „Warum-Fragen“ an.

Eine Wahrnehmungsgeschichte der Piraterie/des Seeraubs in der Frühen Neuzeit existiert bisher nicht. Zwar wird in der Sekundärliteratur häufig auf das heutige Piratenbild Bezug genommen, so z.B. in Unterkapiteln zur Piratengeschichte. (Siehe bspw. Bohn oder Baer) Oder es wird Legende mit Wahrheit populärwissenschaftlich verglichen. (Siehe bspw. Cordingly, Konstam) Eine Prüfung der Perzeption und späteren Rezeption der entsprechenden Ereignisse ist jedoch bis dato nicht vorgenommen worden. Andere Phänomene, wie der „Edle Wilde“, sind hingegen teilweise bereits eingehend wahrnehmungshistorisch untersucht worden. (siehe bspw. Publikationen von Susanna Burghartz und Urs Bitterli)  Im deutschen Sprachraum ist zum Piratenbild hauptsächlich die Diskussion um Störtebeker ein Thema. (Siehe bspw. Henn, Volker, Das Störtebeker-Bild in der erzählenden Literatur des 19. Und 20. Jahrhunderts, in: Störteneker. 600 Jahre nach seinem Tod, hrsg. v. Wilfried Ehbrecht, Trier 2005, S. 273-290.) Aber auch hier geht man meist auf die literarische Verarbeitung frühestens ab dem späten 18. Jh. ein.

Mit dem Einsetzen der Europäischen Expansion begann auch die Seebeutenahme sich auf die „neu entdeckten“ Gebiete auszudehnen. Dies geschah im 16 Jh. und der ersten Hälfte des 17. Jh. insbesondere durch Freibeuter, die im Auftrag europäischer Staaten spanische und portugiesische Flotten, Stützpunkte und Siedlungen angriffen und ausraubten. Die Kommunikation innerhalb Europas zu diesen Ereignissen war in der Regel von den jeweils betroffenen Mächten geprägt und somit häufig mit der Heroisierung zum Seehelden oder der Diffamierung zum Piraten/Seeräuber verbunden.

Seit der Mitte des 17.Jh. entwickelten sich insbesondere in der Karibik neue Siedlungen von „Nicht-Iberern“, deren Bewohner sich zwar auf europäische Mächte beriefen, aber aufgrund der geografischen Entfernung zu Europa nur wenig unter deren direktem Einfluss standen. Sie erhielten von regionalen Gouverneuren Kommissionen, kreierten Eigenbezeichnungen wie Bukanier und waren auch dazu bereit, ohne Kaperbriefe auf Seebeute auszuziehen. Zur Kommunikation dieses Phänomens war die europäische Gesellschaft häufig auf Reise- und Memoirenliteratur der Zeitzeugen angewiesen, die meist in der Form von Reiseberichten entstanden und eine sehr populäre Form der Informationsübertragung waren.

Parallel zum überseeischen Seeraub waren die maritimen Auseinandersetzungen mit Vertretern der islamischen Mächte, vor allem des Maghrebs, im Mittelmeer ein Thema, welches in den Medien des deutschen Sprachraums konstant präsent war. Auffällig war hier die Übereinstimmung bezüglich der Begrifflichkeiten. Es gab keine Kaperer, Commissionsfahrer oder Freibeuter. Die Verknüpfung der maghrebinischen Seefahrer mit den Begriffen Seeräuber, Meerräuber und Korsaren hätte deutlicher nicht sein können.

Im deutschen Sprachraum wurden diese Themen aufgegriffen und waren Teil der medialen Verarbeitung, obwohl die Rezipienten von anderen Inhalten weitaus unmittelbarer betroffen waren. Dies waren z.B. die Reformation, der Dreißigjährige Krieg und der Vormarsch der Osmanen. Im Rahmen dieser Diskurse sind auch einige der o.g. Phänomene zu analysieren. Ferner sind hier Einflüsse aus unterschiedlichen Lagern (z.B. unterschiedliche Konfessionen oder etablierte und aufstrebende Kolonialmächte) zu erwarten und können deshalb auch einen Einblick in die mediale Einflussnahme auf den deutschen Sprachraum bieten. Weiterhin ist die Frage der Popularität der Protagonisten von Belang, da dies auch ein Nacheifern sowie eine Ambivalenz zwischen juristischem Verständnis und öffentlicher Kommunikation bedingen kann.

Schlüsselereignisse wie die Fahrten des Francis Drake und der Überfall auf die Silberflotte durch Piet Heyn können als Fallbeispiele dienen, um die Darstellung, Rezeption und Manifestation des öffentlichen Bildes von Seebeutenahme zu analysieren.

In der frühen Neuzeit waren handschriftliche und gedruckte Medien neben gemalten Bildern die dominierenden Medien der Zeit. Eine historische Prüfung der verbalen Kommunikation wäre kaum möglich, da z.B. Lieder auch nur spärlich erhalten sind.

Drucke spielen folglich bei der Quellenauswahl eine vorrangige Rolle. Zum einen, weil sie die Regionalität kennzeichnen, da sie meist in der jeweiligen Landessprache entstanden. Dies geschah u.a., um ein größeres Publikum und somit höhere Absätze zu erreichen, um die hohen Kosten des Drucks leichter decken zu können. Zum anderen bedingten Druckerzeugnisse eine langfristige Verankerung im kollektiven Gedächtnis und wurden im Gegensatz zu handschriftlichen Avisen als Basis für die zukünftige Rezeption der Ereignisse genutzt. So ist es im o.g. Beispiel von Francis Drake deutlich gemacht worden, dass die von London dominierte Kommunikation über Druckerzeugnisse das spätere Geschichtsbild geprägt hat. Die eher am historischen Geschehen gelegenen handschriftlichen Avisen hingegen, welche sich auf das habsburgische Nachrichtensystem stützten und somit die spanische Sicht vertraten, spielten für die spätere Rezeption des Themas kaum mehr eine Rolle. (Pieper, Renate, Die Vermittlung einer neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des Habsburgischen Imperiums 1493-1598, Mainz 2000, S. 208f.)

Deutschsprachige Quellen stehen im Vordergrund der Betrachtung. Dies ist hauptsächlich dem regionalen Anspruch der Arbeit sowie dem größeren Rezipientenkreis bei Drucken in Landessprachen geschuldet. Wichtig sind hier innerhalb der Quellenanalysen von ursprünglich anderssprachigen Texten, die Prüfung der Übersetzungen und der damit verbundenen Veränderungen sowie deren weitere Tradierung.

Curriculum Vitae

  • Seit 04/2009, Internationale Wirtschaftskanzlei Salans LLP, Marketing / Communications Coordinator
  • 10/2008 - 04/2009, Internationale Wirtschaftskanzlei Salans LLP, Marketing / Communications Assistant
  • 12/2007 - 12/2008, Zeitschrift eiskraut & sauerbein, Projektleiter (Geschäftsführender Redakteur)
  • 07/2007 – 04/2009, Zeitschrift eiskraut & sauerbein, Redakteur in den Ressorts: Geschichte, Politik und Recht

Publikationen

  • Zwangsheimat. Haitis Befreiungskämpfe als Beispiel für die Konstruktion einer Heimat, in: eiskraut & sauerbein. Zeitschrift für Kunst und Leben zwischen den Kulturen (6/2009), S. 39-41.
  • Der Balkan aus der Sicht der SS. Rezeption und Konstruktion des Balkanraumes in der SS-Zeitschrift "Das Schwarzen Korps", München 2009.
  • Kaufleute, Studenten, Diplomaten. Türken in Deutschland vor der Arbeitsmigration der 60er, in: eiskraut & sauerbein. Zeitschrift für Kunst und Leben zwischen den Kulturen (5/2009), S. 50-53.
  • Die olympischen Spiele im antiken Griechenland. Politisch oder unpolitisch, friedenstiftend oder rivalitätsfördernd?, in: eiskraut & sauerbein. Zeitschrift für Kunst und Leben zwischen den Kulturen (4/2008), S. 53-56.
  • Die Thule-Gesellschaft. Mythenbildung und Konstruktion von Traditionen, in: eiskraut & sauerbein. Zeitschrift für Kunst und Leben zwischen den Kulturen (3/2008), S. 47-49.
  • Zuwanderungsgesetzespaket von 2005, in: eiskraut & sauerbein. Zeitschrift für Kunst und Leben zwischen den Kulturen (2/2007), zusammen mit Arslan, Semiha, u. Rahimi-Dogahi, Negar, S. 33-36.

Kontakt

philkovac[at]gmx.net