Der Anfang: Die erste Exkursion des 5. Studienjahrgangs Public History
Der Anfang: Die erste Exkursion des 5. Studienjahrgangs Public History
Eine Exkursion nach Magdeburg
Besuch der Gedänkstätte am Moritzplatz / Gespräch mit dem Direkrtor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt / Geocaching-Tour der Geschichtsagentur „Zeitreise. Manufaktur für Geschichte und Kult(o)ur / Treffen mit Lehrenden und Doktorandinnen des Instituts für Geschichte der Otto von Guericke Universität Magdeburg
Was für eine Auftrag? Ich wurde gebeten etwas zur ersten Exkursion des frischen Public History-Jahrgangs an der Freien Universität zu schreiben. Puh, was soll ich dazu sagen … Ich fand sie aufregend, unsere erste gemeinsame Exkursion, die uns nach Magdeburg führte!
Dazu braucht es eine kleine Vorgeschichte: Ich gehöre jetzt zu einem „Wir“ – das ist der fünfte Jahrgang des Masters Public History – wir sind eine von der unermesslichen Weisheit einer Auswahlkommission zusammengewürfelte Gruppe Menschen in unseren besten Jugendjahren, ich finde, zu jung, um schon ganz erwachsen zu sein und doch schon zu erfahren, um zu den „Kleinen“ unseres Faches zu gehören. Sowohl aus fachlicher als auch aus biographischer Perspektive kommen wir aus ganz unterschiedlichen Ecken der Welt – was uns eint ist der Wunsch, einen kritischen Umgang mit differierenden Produkten der Geschichtskultur zu erlernen, diesbezügliche Theoriekenntnisse zu vertiefen und selbst (vielleicht eines Tages) anwendungsbezogen im Bereich Public History tätig zu werden. Was ich verdrängt habe bis zum Tag unseres Kennenlernens an der Freien Universität, war die feste und geschlossene Jahrgangsstruktur. Ein Klassenverband an der Universität!
Mit etwas gerümpfter Nase, kritischem Gesichtsausdruck und irgendwie doch auch neugierig auf die anderen, haben wir uns in den ersten Wochen zueinander hin und voneinander weg diskutiert, Positionen und Begriffe verhandelt, ausgelotet, wo wir fachlich in der Gruppe stehen. Uns tastend auf die neuen Menschen zubewegend, mit denen wir immer hin den Universitätsalltag der nächsten zwei Jahre teilen werden, schafften wir eine uns angemessene Diskussionsstruktur. Dies mündete schon das eine oder andere Mal in das eine oder andere Bier am Abend, denn selbst unser universitärer Rahmen ist für einen solchen Gruppenbildungsprozess zu eng. Neben allen Nachteilen, die so ein Prozess in sich birgt, sind zumindest einige mittlerweile d'accord, dass wir unser Zusammengewürfeltsein als Chance begreifen können, miteinander zu lernen und zu arbeiten, in langen Prozessen und über Monate hinweg an den wiederkehrenden Fragen zu diskutieren und vielleicht auch das eine oder andere Mal eine Antwort zu finden.

Natürlich kommt es darauf an, wie die Gruppe interagiert und ob man selbst Teil dessen sein möchte – jede/r nimmt sich ihren/seinen Raum, hoffe ich, nutzt die neue Vertrautheit oder bleibt in der Distanz. Keinesfalls führe ich jetzt mit so einem Studiengang „das richtige Leben im Falschen“, ich – und zum Glück mit anderen gemeinsam – versuche, unseren Studiengang elitenkritisch zu hinterfragen, ob universitätsintern oder als dieser unterwegs an Institutionen, und diese Kritik auch zu formulieren. Das ist gut so. Auch dahingehend, empfinde ich uns im Individuellen wie im Wir als frei und schätze diese Form des geistigen Nicht-Eingeengtseins und die Transparenz in unseren Diskussionen und Entscheidungsprozessen.
Unsere erste Exkursion bekam damit für mich eine andere Qualität, als ich das bisher vielleicht von der Universität gewohnt war. Letztlich begegnen wir uns sich nicht nur in einem einzigen Seminar oder speziell für diese eine Fahrt, sondern „wir begingen unseren ersten gemeinsamen Ausflug“. Wir verbrachten einen ganzen Tag zusammen, entfernt vom geschützten Berlin, austestend, wie man sich mit den Anderen neue Räume erschließt. Schon auf der Hinfahrt nach Magdeburg war unser Abteil vonheiteren Gesprächen, Tee und Plätzchen für alle erfüllt – eine Stimmung, wie an Wandertagen in der Schulzeit.
Angekommen in Magdeburg besuchten wir die Gedenkstätte am Moritzplatz – heute ein Erinnerungsort für aus politischen Gründen Inhaftierte in der Untersuchungshaftanstalt Magdeburg-Neustadt während der sowjetischen Besatzungszeit und in der DDR. Wir besuchten die neue Dauerausstellung, die erst kürzlich eröffnet wurde, und diskutierten unsere Eindrücke mit dem Gedenkstättenleiter Daniel Bohse. Dr. Kai Langer wiederum stellte uns die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt vor, deren Direktor er ist. Nach einer Mittagspause nahmen wir an einer modernen Schatzsuche bzw. „Schnipseljagd“ teil: Wir erkundeten zwei Stunden lang die Stadt mit einer Geocaching-Tour der Geschichtsagentur „Zeitreise. Manufaktur für Geschichte und Kult(o)ur“. Mit den jungen Unternehmern der Geschichtsagentur tauschten wir anschließend unsere Eindrücke und Erfahrungen aus. Im Anschluss sprachen wir mit einigen Lehrenden und Doktorandinnen des Instituts für Geschichte der Otto von Guericke Universität Magdeburg über deren Konzept des Masterstudiengangs „Europäische Kulturgeschichte“ sowie anwendungs- und forschungsbezogene Lehrveranstaltungen zu „Geschichte und Öffentlichkeit“ und präsentierten auch knapp unseren Studiengang. Den dichten Tag ließen wir auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt und mit weiteren anregenden Gesprächen auf der Rückfahrt ausklingen.
Neben den vielen geschichtskulturellen Eindrücken, war der Tag für mich vor allem durch gruppendynamische Prozesse geprägt, die vor allem eines waren: Heiter bis hin zu kindlich übermütig! Schön, dass ich so etwas noch einmal erleben darf ...
Danach empfand ich uns als mehr zusammengerückt, geöffneter, überzeugter, uns auf die neuen Leute um uns einzulassen. Mittlerweile haben einige von uns begonnen, gemeinsam zu träumen, die Sehnsucht nach intensiver Auseinandersetzung zu geschichtskulturellen Fragen speist diesen Wunsch: Im Sinne einer selbstorganisierten Universität planen wir selbstständig Exkursionen in und um Berlin, nach Krakau, Prag und Wien, um Produkte der Public History gemeinsam zu entdecken und zu analysieren, gern auch mit anderen interessierten Menschen, nicht nur werdenden Public Historians.
Es freut mich zubemerken, dass wir – trotz oder gerade aufgrund unserer unterschiedlichen Prägungen und Interessen –soviel Lust darauf haben unsere wissenschaftlichen Erkenntnisprozesse, unser historisches Lernen gemeinsam anzugehen. Das klingt idealistisch, das klingt jugendlich, das klingt hoffend auf zwei gute Jahre, die mit besonderem Enthusiasmus begonnen haben!
Thea Fleischhauer im Namen des 5. Jahrgangs des Masters Public History an der Freien Universität Berlin.31.12.2012
Bild 1 Irmgard Zündorf
Bild 2 Thea Fleischhauer
Bild 3 Courtney Neaveill