Das Wissen in einem Ton. Eine Metaphysik des Klanges
Ich untersuche einen bestimmten Aspekt des hörbaren Ganzen – nämlich den Klang. Der Klang wird gemeinhin als der Aspekt des hörbaren Ganzen verstanden, der den Gesamteindruck von dem, was Hörbar ist, vermittelt. Der Klang ist nicht identisch mit den musikalischen oder physikalischen ‚objektiven’ Größen eines Sounds (z.B. der Lautstärke, der im Sound vorhandenen Obertöne oder Untertönen, der Klangfarbe oder dem Rhythmus einer Soundsequenz). Das, was wir als Klang verstehen, der Gesamteindruck, stellt sich zusammen mit all diesen Größen ein. In der analytischen Philosophie wird eine solche Art von Objekt oder Phänomen als secondary object bezeichnet.
Weitergehend verstehe ich ein bestimmtes Klangbild (z.B. das Klangbild, das durch das Sprechen einer Sprache entsteht) – gemäß dem Verständnis der Sozialanthropologie und mancher Wissenschaftshistoriker (Lorraine Daston) – als Ausdruck einer spezifischen kulturellen Formation und damit als Ausdruck eines bestimmten Wissens. Die Ausprägung nationaler Klangrichtungen (in der Musik) im 18. und 19. Jahrhundert und bestimmter, national unterschiedlicher Schulen des Musikinstrumentenbaus sind empirische Hinweise darauf, dass tatsächlich in verschiedenen Klangvorstellungen eine Art Weltanschauung Ausdruck findet. Aktuellen Trends in der Wissenschaftsgeschichte folgend, plädiere ich dafür, diese Unterschiede ernst zu nehmen, sie zu hören und sie als Ausdruck einer bestimmten Wissenskultur und Weltanschauung zu verstehen und zu explizieren. Dies soll in dem Projekt am Beispiel der als ‚deutsche Klangschule’ bekannten Klangkultur geschehen.
Ein weiterer Teil des Projekts ist der Ausarbeitung eines philosophischen Rahmens gewidmet, anhand dessen die Behauptung, Klang sei eine Form von Wissen, Bestand haben kann. Meine Argumentation fußt auf einer Konzeption des Handelns, die einer dem Handelnden innewohnenden Inklination genauso viel Raum lässt wie dem Sichbeziehen des Handelnden auf ‚externe’ Gründe. (Eine solche Art der Handlungstheorie vertreten auch John McDowell (Pittsburgh) und Jennifer Hornsby (London)). Da das Erzeugen von Klängen – sowohl in der Sprache, als auch in der (klassischen) Musik – eine Art von Handlung ist, lässt sich Klang, philosophisch betrachtet, als Konsequenz, das heißt, als ein durch Handlung erzeugtes (kulturelles) Produkt verstehen, das sowohl der innere Inklination entspringt als auch auf externe Gründe eingeht. Wenn es also dabei auch Tatsachen zu Gehör bringt, und das ist (philosophisch) zu beweisen, kann es als Wissen betrachtet werden.