Aufmerksamkeit, Akkommodation und die Erfindung des individuellen Hörers
Hören und Aufmerksamkeit, beides in unterschiedlichem Maß musikalische und wissenschaftliche Begriffe, begannen sich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend zu überlappen und zu überschneiden. Psychophysische Studien über Aufmerksamkeit und Akkommodation (die Änderung der Klangerfahrung, die aus dem Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus folgt) in Tonempfindungen wurden mit den ästhetischen Erwartungen der Musikwelt verflochten. Eine genaue Untersuchung der Experimente von Hermann von Helmholtz, Ernst Mach und Carl Stumpf über Aufmerksamkeit und Akkommodation in Tonempfindungen offenbart mehrere Spannungen: zwischen der Subjektivität und der Objektivität des Hörers, hinsichtlich der Rolle der musikalischen Sachkenntnis in Experimenten über Tonempfindungen und hinsichtlich der scheinbaren Unvereinbarkeit von universellen Gesetzen der Tonempfindung und historisch oder kulturell bedingten Musikästhetiken und individuellem Geschmack. Diese Untersuchung der experimentellen Studien über Aufmerksamkeit und Akkommodation in Tonempfindungen liefert einerseits ein breiteres Verständnis der sich wandelnden Definitionen von Hören und Zuhören sowohl in den Naturwissenschaften als auch in der Musikwelt am Ende des neunzehnten Jahrhunderts und erklärt andererseits die Herausbildung eines neuen Geschöpfs: des individuellen Hörers.