Rasse und Raum transnational
Die bevölkerungspolitische Zusammenarbeit zwischen Nationalsozialismus und italienischem Faschismus, 1933-1943.
- Bearbeiter: Dr. Patrick Bernhard
- Zeitraum: 01.01.2010 - 30.09.2010
- Förderung: Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institut im Ausland.
Wir wissen bislang sehr wenig über die bevölkerungspolitische Kooperation zwischen dem Drittem Reich und dem Italien Mussolinis. Das ist umso erstaunlicher, als „Rasse“ und „Raum“ die beiden zentralen Determinanten der nationalsozialistischen wie der faschistischen Politik waren. Das Projekt fragt deshalb nach Zielsetzung, Umfang und Ergebnissen der Zusammenarbeit und nimmt dabei sowohl die Förderung der vermeintlich biologisch wertvollen als auch die Unterdrückung der als rassisch minderwertig eingestuften Bevölkerungsteile in den Blick. Am Beispiel der Familien- und Siedlungspolitik soll zudem der Frage nach möglichen Lernprozessen zwischen den beiden Regimen nachgegangen werden. Wo kam es im Sinne eines Kulturtransfers zu Aneignungen, wo hingegen zu Abgrenzungen?
Bislang galt die „Achse Berlin-Rom“ als reine Interessenkoalition auf Zeit, die sich für den Mainstream der Forschung durch ein ganz geringes Maß an ideologischen Gemeinsamkeiten auszeichnete. Meine bisherigen Recherchen weisen jedoch in die entgegengesetzte Richtung: So hat sich gezeigt, dass sich die Zusammenarbeit sehr eng gestaltete und zentrale, in starkem Maße weltanschaulich aufgeladene Bereiche der beiden Herrschaftssysteme berührte. Das faschistische Regime adaptierte etwa nachweislich das Reichserbhofgesetz und damit den juristischen Kern der Blut-und-Boden-Ideologie. Umgekehrt beeinflusste der italienische Kolonialfaschismus augenscheinlich sogar den berüchtigten Generalplan Ost. Ein Konnex zwischen Kolonialismus und NS-Lebensraumpolitik in Osteuropa wurde ja seit Jahren in der Forschung vermutet, konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden. Derartige Konvergenzen werfen die grundlegende Frage auf, worin eigentlich noch die substanziellen Unterschiede zwischen den beiden Regimen bestehen und ob man nicht doch vom Faschismus als Systembegriff sprechen kann.