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Bedřich Loewenstein in memoriam

News vom 26.06.2017

1979 nahm Herr Prof. Dr. Bedřich Loewenstein den Ruf auf eine Professur an der Freien Universität Berlin an. Bis zu seiner Pensionierung (1994) lehrte er am Friedrich-Meinecke-Institut.

 

Bedřich Loewenstein wurde 1929 in einer deutsch-jüdischen Familie in Prag geboren. Zu einem Studium von Philosophie und Geschichte ließ ihn das diktatoriale Regime erst nach der Absolvierung von einem Arbeits- und Militärdienst zu. In der Zeit des „Prager Frühlings“ verantwortete er, der sich bereits in jungen Jahren als „Deutschlandhistoriker“ einen Namen gemacht hatte, an der Karlsuniversität eine Konferenz zur Geschichte des Faschismus mit der Beteiligung von Fachwissenschaftlern aus mehreren europäischen Staaten. Nach der Niederschlagung der Reformbewegung wurde über ihn ein Berufsverbot verhängt. Im folgenden Jahrzehnt übernahm er u.a. für die deutsche Botschaft Übersetzungsarbeiten. Mit Hilfe des diplomatischen Kurierdiensts konnte er zu Themen der neueren und neuesten deutschen und europäischen Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland publizieren. Nachdem ihn 1978 die Freie Universität Berlin auf eine Professur zur neueren europäischen Geschichte berufen und er das Angebot angenommen hatte, wurde er von der Tschechoslowakei ausgebürgert.

 

In Lehre und Forschung standen für Bedřich Loewenstein die bürgerliche Gesellschaft und der Nationalismus in Europa, die Ideengeschichte im engen Kontext mit Staat und Gesellschaft im Mittelpunkt seines Interesses sowie Wirtschafts- und Soziallehren des 18. Jahrhunderts – erweitert durch Themen zur österreichischen und böhmischen Geschichte. An dem interdisziplinär konzipierten „Collegium Carolinum“, dem renommierten Forschungsinstitut für die Geschichte Tschechiens und der Slowakei in München, galt er bald als ein kompetenter Vermittler zwischen den verschiedenen Welten. Im Nationalismus sah er weniger eine integrierende, sondern eher eine gesellschaftlich und mental zerstörerische Kraft. Nach 1989 konnte er den Ruf eines geschickten Moderators auch in Prag erringen, weil er sogleich die Gelegenheit intensiv genutzt hatte, auch dort zu publizieren. Er fand große Beachtung. Es ehrten ihn u.a. die Akademie mit der Palacký-Medaille und die Karlsuniversität mit ihrer Silbermedaille. Studierende und Kollegen in Berlin, München und Prag schätzten seine besonnen-abwägende Argumentation, seine lebendige und anschauliche Vortragsweise sowie seine freundlich-humorvolle Art.

 

Zu den beeindruckendsten Publikationen Bedřich Loewensteins werden zu Recht seine beiden 1987/90 erschienenen Bände über den Entwurf der Moderne und die Problemfelder der Moderne gezählt. Als er 2009 sein umfassendstes Werk Der Fortschrittsglaube. Geschichte einer europäischen Idee vorlegte, faszinierte die breit angelegte und durchgängig multiperspektivisch ausgerichtete Interpretation. Sie reichte von der Antike bis zur Gegenwart, so dass die Öffentlichkeit hiermit und zusammen mit der Essaysammlung zur Zivilgesellschaft (2015) über „eine Art Summe aus der lebenslangen wissenschaftlichen Arbeit“ (Wolfgang Hardtwig) verfügt.

 

Am 11. Mai 2017 ist Herr Prof. Dr. Bedřich Loewenstein in Berlin verstorben.

Prof Dr. Bernd Sösemann

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