Bibelhandschrift mit aramäischem Targum Onqelos im Pentateuch sowie Masora parva und Masora magna: Ms. or. fol. 1212
Entstehungsort: Aschkenas, assyrische Quadratschrift, deutsche Hand
Entstehungszeit: 13. Jahrhundert
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 588 Blatt
Format: Einband: 57x39x18 cm; Blatt: 54x38 cm; Seitenspiegel: 35x23 cm ohne masoretischen Kommentar
Blattzählung: Foliierung mit arabischen Ziffern auf jeder Rectoseite in der oberen linken Ecke (Bleistift)
Lagenstruktur: 12 IV (96). 1 V (106). 10 IV (186). 1 III (192). 23 IV (376). 1 II (380). 9 IV (452). 1 III (458). 5 IV (498). 1 IV+1 (507). 1 IV (515). 1 III (521). 1 V (531). 1 IV (539). 1 IV+11 (548). 5 IV (588). Lagennummerierung auf der Rectoseite des jeweils letzten Blatts in der linken unteren Ecke mit hebräischen Buchstabenzahlen; durchgehend verzierte Kustoden auf der Rectoseite des letzten Lagenblatts.
Zustand: Die Handschrift ist vollständig und in einem guten Zustand mit Abnutzungsspuren an den Ecken. Bindung der ersten Lage ist etwas gelöst. Einige Blätter sind zerknittert (vgl. fol. 98) und weisen Löcher, Flecken und zum Teil vernähte oder verklebte Risse auf. Fol. 178v großflächig mit rostroten Blut?- oder Tintenflecken bedeckt, die auf fol. 178r und fol. 177v durchgedrungen sind; zahlreiche hebräische, lateinische und deutsche Korrekturen, Übersetzungs- und Lesehilfen sowie Glossen.
Seiteneinrichtung: 3 Kolumnen mit je 33 Zeilen; Masora parva auf der Versoseite rechts neben der Textkolumne, auf der Rectoseite links neben der Textkolumne; Masora magna über den Kolumnen zweizeilig, unter den Kolumnen dreizeilig
Einband: Lederbezogene Holzdeckel – helles Schweinsleder mit eingeprägtem Dekor – mit je vier ornamentalen Metallbeschlägen mit Buckel an den Ecken und einem in der Mitte; zwei Metallschließen mit Lederscharnieren. Der Einband stammt wahrscheinlich wie der Einband der großen Bibelhandschrift „Erfurt 1“ aus dem 16. Jahrhundert – wahrscheinlich ebenfalls aus dem Jahre 1590 (vgl. die Prägung der Ms. or. fol. 1210 und 1211). Die Prägungen in dem hellen Leder sind nur noch schwer zu erkennen; bei einer der Miniaturen handelt es sich jedoch zweifelsohne um ein Kreuzigungsmotiv mit der Bildunterschrift „Ecce Agnus Dei Qui Tollit Pecca Mundi“ – „Dies ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt“.
Inhalt: Fol. 1r Titelblatt mit Mikrographien (Detailansicht a, b, c); fol. 1v – 61r Genesis; 61v – 114v Exodus; 115r – 150r Leviticus; 150v – 198r Numeri; 198v – 241v Deuteronomium. Der Pentateuch enthält den versweise hinzugefügten aramäischen Targum Onqelos.
Fol. 242r – 257r Josua; 257v – 273r Richter; 273v – 308v Samuel; 309r – 347r Könige; 347v – 380r Jeremia; 381r – 410r Ezechiel; 410v – 436v Jesaja; 437r – 440r Hosea; 440v – 442r Joel; 442r – 445r Amos; 445r – 445v Obadja; 445v – 446v Jona; 446v – 449r Micha; 449r – 449v Nahum; 449v – 450v Habakuk; 450v – 452r Zefanja; 452r – 452v Haggai; 452v – 457r Sacharja; 457v – 458v Maleachi
Schmuckblatt 459r leer, 459v mit mikrographierter Masora zum Hohelied; 460r – 462r Hohelied; 462r – 464r Rut; 464r – 466v Klagelieder; 467r – 471r Prediger; 471v – 476r Esther; 476v – 508r Psalmen; 508r – 521r Hiob; 521r – 531r Sprüche; 531r – 539v Daniel; 540r – 553v Esra/Nehemia; 554r Schmuckblatt; 554v – 588r Chroniken
Entstehung und Provenienz der Handschrift: Auf fol. 1v ist in die Masora magna verwoben oben links am Schwanz des Vogels der Name שניאור ב'ר משה – Schneor Sohn des Rabbi Mosche geschrieben. Auf fol.157v ist unten links der Name שלמה בר שניאור אפרים – Schlomo Sohn des Schneor Efraim notiert. Es handelt sich wahrscheinlich um die Schreiber des masoretischen Kommentars, wobei ein Verwandtschaftsverhältnis nahe liegt. Der Vater kann die Arbeit begonnen und der Sohn ab fol. 157 fortgesetzt haben. Geringfügige Veränderungen im Schriftbild sprechen für einen solchen Schreiberwechsel.
Das erste Blatt unterscheidet sich in diesem Manuskript durch die Farbe der Tinte des masoretischen Kommentars deutlich vom Rest der Handschrift. Möglicherweise handelt es sich hier wie bei der Bibelhandschrift Ms. or. fol. 1210 („Erfurt 1“) um eine Probearbeit, die zu einem späteren Zeitpunkt mit einer anderen Tintenrezeptur fortgesetzt wurde.
Fol. 1r und 588v weisen Besitzstempel der Königlichen Bibliothek Berlins auf: Ex Biblioth[eca] Regia Berolinensi. Auf dem Spiegel ist zweimal – einmal mit Bleistift und einmal mit Tinte – die alte Nummerierung des Bandes, die Accessionsnummer und die Signatur der Berliner Staatsbibliothek notiert: III; Cod. Erf. III; Acc. 10974; Ms. or. fol. 1212. Rückentitel: Erfurter Handschr. III, Hebr. Ms. orient. fol. 1212.
Buchschmuck: Aufwendige Mikrographien durchziehen die gesamte Handschrift, treten jedoch insbesondere an den Anfängen der biblischen Bücher und auf den ersten und letzten Blättern einer Lage in Erscheinung. [vgl. fol. 1r, 1v (Beginn Genesis), 61v (Beginn Exodus), 115r (Beginn Leviticus), 150v (Beginn Numeri), 198v (Beginn Deuteronomium), 242r (Beginn Josua), 257v (Beginn Richter), 309r (Beginn Könige), 347v (Beginn Jeremia), 381r (Beginn Ezechiel), 410v (Beginn Jesaja), 437r (Beginn Jeremia), 460r (Beginn Hohelied), 462r (Beginn Rut), 464r (Beginn Klagelieder), 467r (Beginn Prediger), 471v (Beginn Esther), 476v (Beginn Psalmen), 508r (Beginn Hiob), 521r (Beginn Sprüche), 531r (Beginn Daniel), 540r (Beginn Esra/Nehemia), 554v (Beginn Chroniken)]
Bibliographie: Benjamin Kennicott, Dissertatio Generalis in Vetvs Testamentvm Hebraicvm cvm Variis Lectionibvs ex Codibvs Manuscriptis et Impressis, 1783, Cod. 601; Johann David Michaelis/Abraham Kall, Dissertationem Philologico-Criticam De Codicibus Mss. Biblico-Hebraicis, Maxime Erffurtensibus, Halle/Magdeburg 1706, § 5, S. 4–6; Johan J. Bellermann, De bibliothecis et museis Erfordensibus, praecipue de Rev[erendi] Ministerii Aug[ustanae] Conf[essionis] Bibliotheca. Pars 1-10, Erfurt 1800–1803, Teil 6, S. 2–5; Adolph Jaraczewsky, Die Geschichte der Juden in Erfurt, Erfurt 1868, S. 115–116; Paul de Lagarde, „Hebräische Handschriften in Erfurt“, in: Symmicta, Göttingen 1877, Nr. 2, S. 136–137; Moritz Steinschneider, Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Bd. 2: Verzeichnis der Hebräischen Handschriften, Berlin 1878, Nr. 126, S. 1; Jordan S. Penkower, „The Ashkenazi Pentateuch Tradition as Reflected in the Erfurt Hebrew Bible Codices and Torah Scrolls“, in: Zu Bild und Text im jüdisch-christlichen Kontext (= Erfurter Schriften zur jüdischen Geschichte), hrsg. von der Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung und Universität Erfurt, Bd. 3, Erfurt 2014, S. 118–141
Zitierempfehlung: Annett Martini, "Handschriftenbeschreibung", in: Die hebräischen Handschriften der Erfurter Sammlung (2018), URL: https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/erfurter_sammlung/dokumentation/handschriftenbeschreibung/1212/index.html