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Bibel mit aramäischem Targum Onqelos sowie Masora parva und Masora magna, zwei Bände: Ms or. fol. 1210 und 1211

Entstehungsort: Aschkenas, assyrische Quadratschrift, deutsche Hand

Entstehungszeit: 1343

Beschreibstoff: Pergament

Umfang: 2 Bände mit 585 und 546 Blatt

Zustand: Der erste Band ist durch Brand- und Löschspuren so stark beschädigt, dass er aus konservatorischen Gründen momentan nicht einsehbar ist. Die Restauration dieses Bandes ist von der Staatsbibliothek zu Berlin geplant und beginnt voraussichtlich noch 2018. Der von 1999–2007 restaurierte zweite Band lagert in 70 Lagen ungebunden in 7 Nomiboxen.

Der Bibelhandschrift fehlen Abschnitte aus dem Buch Jesaja (Jes 2,21–3,24) und den Chroniken (1Chr 2,3–2,30). Der Abschnitt Genesis 1,1–6,1 ist dagegen zweifach vorhanden. Diese ursprünglich wahrscheinlich als Probeseiten entworfenen sieben Blätter sind dem ersten Band als eine Lage hinzugefügt.

Aufgrund der starken Beschädigung des Manuskripts Ms or. fol. 1210 (Band 1) konnten ausschließlich die Maße von Blatt und Seitenspiegel des restaurierten zweiten Bandes nachgeprüft werden, die sicherlich etwa denen des ersten Bandes entsprechen. Der Einband des ersten Bandes konnte in der Staatsbibliothek zu Berlin in Augenschein genommen werden; der Einband des zweiten Bandes ist bis 2021 im Museum der Alten Synagoge Erfurts ausgestellt.

Format: Einband: 66x53x26 cm; Blatt: 62x47 cm; Seitenspiegel: 39x30 cm ohne masoretischen Kommentar

Lagenstruktur: Band 2: 23 IV (184). 1 III (190). 1 IV (198). 1 III (204). 3 IV (228). 1 V (238). 7 IV (294). 1 III (300). 4 IV (332). 1 III (338). 3 IV (362). 1 III (368). 13 IV (472). 1 III (478). 8 IV (542). 1 II (546)

Blattzählung: Foliierung mit arabischen Ziffern auf jeder Rectoseite in der oberen linken Ecke (Bleistift)

Seiteneinrichtung: 3 Kolumnen mit je 30 Zeilen; Masora parva auf der Versoseite rechts neben der Textkolumne, auf der Rectoseite links neben der Textkolumne; Masora magna über den Kolumnen zweizeilig, unter den Kolumnen dreizeilig

Einbände: Kasteneinband; mit Holzdeckel mit dunklem Leder mit floraler Prägung bezogen; Rücken und Teil des Vorderdeckels mit hellem Leder mit floraler Prägung bezogen; in das helle Leder beider Einbände die Zahl 1590 eingeprägt, was sehr wahrscheinlich dem Jahr der Restauration des alten Einbandes entspricht; Leder und Nähte der Seiten teilweise stark beschädigt; auf dem Vorderdeckel vier Metallbeschläge mit Buckel an den Ecken und einen in der Mitte; zwei zusätzliche Buckel und zwei Ösen für Riemenschließe aus Metall; die Kanten rundum mit einer Metallleiste beschlagen  

Inhalt: Band 1 nach den Aufzeichnungen Paul de Lagardes (S. 142): Fol. 3v Beginn Genesis; 71r Beginn Exodus; 129r Beginn Leviticus; 167v Beginn Numeri; 222v Beginn Deuteronomium; 274r Beginn Josua; 310r Beginn Richter; 345v Beginn Samuel; 430r Beginn Könige; 518r – Ende des Bandes Jesaja; es fehlt Jes 2,21 הסלעים– Jes 3,24 bis zum dritten ותחת

Band 2: 1r – 79v Jeremia; 80r – 147r Ezechiel; 147r – 206r Zwölfprophetenbuch; 206r – 211v Rut; 212r – 294r Psalmen; 294v – 329r Hiob; 329v – 357r Sprüche; 357v – 370r Hohelied; 370r – 390r Prediger; 390r – 396r Klagelieder; 396r – 431v Ester; 432r – 442v Daniel; 443r – 459v Esra; 460r – 546r Chroniken; es fehlt 1Chr 2,3 רע – 2,30 ואפים

Buchschmuck: Aufwendige Mikrographien durchziehen die gesamte Handschrift, treten jedoch insbesondere an den Anfängen der biblischen Bücher und auf den ersten und letzten Blättern einer Lage in Erscheinung. [Fol. 1r, 80r, 147r, 157v, 169r, 184v, 188v, 202v, 206r, 460r]

 

Entstehung und Provenienz der Handschrift: Fol. 546r Kolophon:

ברוך נותן ליעף כח וגבורה סיימתי את המקרא

מניקוד וממסורה הקטנה בראש חדש ששי לשנה

.ואשר לו כח וגדלה תפג יזכני לסיים מסורת הגדלה

זה הספר סימתי . נקדתי גם מסרתי . יום ה' פ'ר שמיני .

בעזר השם אדני . בכ'ד' ימים לחדש ואדר . בעזר נורא

ונאדר . בק'ג' לפרט . ספר זה נחרט . ליורשי הנ'ר' שלום

ברצון שר השלום . אלהינו חי וקים . שבידם יהיה

מקוים . ולבניהם אחריהם . לדורות דורותיהם יֻ'צַ'ג'

להם לעולם . עד שיעלה חמור בסלם . בארבע רגלים .

ולא בשתי ידים . אמן אמן אמן סלה .

אהלל לאל ישעי . צורו מ'ג'נ'י' ומושיעי.

ויום וליל אשבח . לנותן ליעף כח

ולי יהיה מגן . ובידי אויבי י'מ'ג'ן' .

בכל אשר אפנה . לתפלתי יענה .

וימלא משאל לבי . לטובה וישמע ניבי .

וייחוס על עמו . ויברכם בשלומו .

א'א'א'ס'

בעזר רחום וחנון . שמשון מצמינון . סיים זאת המקרא

בניקוד ובמסרה . אף כי אין בי תבונה . הצרכתי לאמר

.הנני נא . כי באפס חכם ונבר . ממנים איש בלא דבר

וכל איש אשר יקרא בספר . להגות אמרי שפר . דברי

אמת ישים לבו . ולא יחוש או ידקדק בו . והשגגות

ייטיב כי ברוך הטוב מטיב . והזדונות לא ימחול לי

אף על השגגות בפלולי . לנקותי מה'ש ואדם . כאמור

מיפי שר ואדום . שגי(א)ות מי יבין ומנסתרות נקני . כן יהי

.רצון פני ה'ש אדני 

 

 

Übersetzung:

Gesegnet sei, der Kraft und Stärke den Schwachen gibt! Ich vollendete die [Heilige] Schrift

mit Punktierung und kleiner Masora am Beginn des sechsten Monats des Jahres.

Und Er, dem Kraft und Größe eigen ist, gewährte mir, die große Masora zu vollenden.

Dieses Buch schloss ich ab, punktierte es und versah es auch mit einer Masora am fünften Tag [der Woche des Schabbats] Schmini mit der Hilfe Gottes, meines Herrn. [Ich beendete die Arbeit] am 24. Tag des Monats Weadar, mit der Hilfe des Erfuchtgebietenden und Glorreichen, [im Jahre] 103 der kleinen Rechnung [5103/1343]. Dieses Buch ist mit dem Willen des Friedensfürsten, unseres lebendigen und ewiglichen Gottes, den Erben des verdienten Rabbi Schalom eingeschrieben. Es soll in ihren Händen bestehen und [im Besitz] ihrer Kinder und Nachkommen, von Generation zu Generation [bleiben]. Es soll für sie ewigen Bestand haben (Zahlenwert des Wortes יצג – 103 – ist als Hinweis auf das Entstehungsjahr der Handschrift = [5]103 zu verstehen), bis ein Esel auf vier Beinen und nicht mit zwei Händen eine Leiter erklimmt. Amen, amen, amen, Sela

Ich werde loben den Herrn, der mich erlöst, meinen Schild (מ'ג'נ'י' = Zahlenwert 103) und meinen Erlöser. Tag und Nacht werde ich preisen, der den Schwachen Kraft gibt. Mir ist Gott ein Schild, durch meine Hände wird mein Feind abgewehrt (י'מ'ג'ן' = 103), indem ich alles auf mein Gebet richte, möge er antworten und mein Herz mit der Sehnsucht nach dem Guten füllen und meinen Äußerungen Gehör schenken und sich seinem Volk zuwenden. Er möge sie segnen mit Seinem Frieden.

Amen, amen, amen, Sela

 

Mit Hilfe der Gnade und Nachsicht [Gottes] vollendete Schimschon Mizminon [aus Zminon?] diese Schrift mit Punktation und Masora. Auch wenn in mir keinerlei Einsicht vorhanden ist, war es an mir zu sagen: Schau mich doch an! Denn durch das Fehlen von Weisheit ist der Mensch keinesfalls der Bildung abhold. Jeder Mensch, der in der Schrift liest, erfährt der Rede Schönheit, die Worte der Wahrheit setzen sich in sein Herz. Doch eile nicht und sei nicht spitzfindig dabei. Fehler bringt Er zum Guten, denn der Gesegnete ist das Gute und bringt das Gute (vgl. Ps 119,68). Sündhaftigkeit wird Er mir nicht vergeben, doch einen [Schreib]Fehler schon; in meinem Gebet [bitte ich Dich], mich und den Menschen von seinen Fehlern zu reinigen. Wie gesagt ist aus dem Mund des Fürsten und Rötlichen (David, vgl. 1Sam 16,12): Wer kennt all seine Fehler? Reinige mich von den verborgenen [Fehlern]. (Ps 19,13)

So geschehe der Wille [vor] dem Angesicht Gottes, des Herrn.

 

 

Bd. II, fol. 53v Name des Schreibers in Drachenfiguren an den biblischen Text Jeremia 36,26 gebunden: ברוך ב'ר זרח הספר – Baruch ben Rabbi Serach der Schreiber; der Name „Baruch“ ist ebenfalls auf fol. 46r (Jer 32,12) im Text markiert und mit einer Miniaturzeichnung am Rand der Textkolumne versehen, um auf den Schreiber aufmerksam zu machen. De Lagarde (S. 134) gibt für die Auszeichnung des Namens „Baruch“ im ersten Band die Bibelstellen Gen 24,31; Ex 18,10; Deut 7,14 an und liest „am bauche des Massoratieres“ bei Num 22,12, wo ebenfalls ein Baruch auftaucht: ב'ר זרח הלבלר – Sohn des Rabbi Serach der Schreiber – einen weiteren Hinweis des Schreibers auf seine Identität.

Fol. 182r Korrekturbemerkung zu dem Wort העלה in Vers Habakuk 1,15 mit dem Namen eines Punktators: ואני המנקד ברוטמרק מצא' חט' פת' הע' – Und ich, der Punktator Brotmark, fand ein chataf patach unter dem ain.

Fol. 459v und 460r über die gesamte Breite der beiden Blätter als Mikrographie verkleideter Name des Schreibers: ברוך ב'ר זרח הסופר – Baruch ben Rabbi Serach der Schreiber

Bibliographie: Benjamin Kennicott, Dissertatio Generalis in Vetvs Testamentvm Hebraicvm cvm Variis Lectionibvs ex Codibvs Manuscriptis et Impressis, 1783, Cod. 160; Johann David Michaelis/Abraham Kall, Dissertationem Philologico-Criticam De Codicibus Mss. Biblico-Hebraicis, Maxime Erffurtensibus, Halle/Magdeburg 1706, § 4, S. 4; Johan J. Bellermann, De bibliothecis et museis Erfordensibus, praecipue de Rev[erendi] Ministerii Aug[ustanae] Conf[essionis] Bibliotheca. Pars 1-7, Erfurt 1800–1803, Teil 4, S. 3–8, Teil 5, S. 2–8; Adolph Jaraczewsky, Die Geschichte der Juden in Erfurt, Erfurt 1868, S. 115; Paul de Lagarde, „Hebräische Handschriften in Erfurt“, in: Symmicta, Göttingen 1877, Nr. 1, S. 133–136; Moritz Steinschneider, Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Bd. 2: Verzeichnis der Hebräischen Handschriften, Berlin 1878, Nr. 125, S. 1; Jordan S. Penkower, „The Ashkenazi Pentateuch Tradition as Reflected in the Erfurt Hebrew Bible Codices and Torah Scrolls“, in: Zu Bild und Text im jüdisch-christlichen Kontext (= Erfurter Schriften zur jüdischen Geschichte), hrsg. von der Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung und Universität Erfurt, Bd. 3, Erfurt 2014, S. 118–141; Hahn, O. / Wolff, T. / Feistel, H.-O. / Rabin, I. / Beit Arié, M., „The Erfurt Hebrew Giant Bible. And the Experimental XRF Analysis of Ink and Plummet Composition“, in: Gazette Du Livre Médiéval 51 (2007), S. 16–29; Hahn, O., „Zerstörungsfreie naturwissenschaftliche Untersuchung von historischem Schriftgut“, in: M. Schubert (Hrsg.), Materialität in der Editionswissenschaft, Berlin/New York 2010, S. 15–26.

Zitierempfehlung: Annett Martini, "Handschriftenbeschreibung", in: Die hebräischen Handschriften der Erfurter Sammlung (2018), URL: https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/erfurter_sammlung/dokumentation/handschriftenbeschreibung/1210-1211/index.html

Ms. or. fol. 1211, fol. 1r

Ms. or. fol. 1211, fol. 1r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, 80r

Ms. or. fol. 1211, 80r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 147r

Ms. or. fol. 1211, fol. 147r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 157v

Ms. or. fol. 1211, fol. 157v
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 169r

Ms. or. fol. 1211, fol. 169r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 184v

Ms. or. fol. 1211, fol. 184v
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 188v

Ms. or. fol. 1211, fol. 188v
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Ms. or. fol. 1211, fol. 202v

Ms. or. fol. 1211, fol. 202v
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 206r

Ms. or. fol. 1211, fol. 206r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 460r

Ms. or. fol. 1211, fol. 460r
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Ms. or. fol. 1211, fol. 546r

Ms. or. fol. 1211, fol. 546r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 53v

Ms. or. fol. 1211, fol. 53v
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 46r

Ms. or. fol. 1211, fol. 46r
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Ms. or. fol. 1211, fol. 182r

Ms. or. fol. 1211, fol. 182r
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Ms. or. fol. 1211, fol. 459v

Ms. or. fol. 1211, fol. 459v
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1211, fol. 460r

Ms. or. fol. 1211, fol. 460r
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Ms. or. fol. 1210 und 1211