Geschichte des Instituts
Im Jahr 1949 richtete die am 4. Dezember 1948 gegründete Freie Universität Berlin einen Lehrstuhl für Altorientalische Philologie ein.
Der neue Lehrstuhl für Altorientalische Philologie setzte die Tradition des Faches an der Friedrich-Wilhelms-Universität fort, wo 1875 in Deutschland der erste Lehrstuhl für dieses Fach geschaffen worden war, auf dem Eberhard Schrader (1875–1899), Friedrich Delitzsch (1899–1920) und Bruno Meissner (1921–1936) wirkten. Zum Wintersemester 1940/41 wurde Wolfram von Soden auf den vakanten Lehrstuhl berufen, kriegsbedingt nahm er seine Lehrtätigkeit jedoch nie auf. Nach dem 2. Weltkrieg bekleidete Erich Ebeling die verwaiste Professur an der inzwischen in Humboldt-Universität umbenannten Friedrich-Wilhelms-Universität. Zum Wintersemester 1951/52 wurde er zum Ordentlichen Professor ernannt, im Frühjahr 1953 emeritiert, ein Nachfolger wurde nie berufen.
Auf den neu eingerichteten Lehrstuhl am Orient-Institut berief die Freie Universität im Jahr 1950 den Altphilologen und Hethitologen Johannes Friedrich (27. 8. 1893 - 12. 8. 1972). Er hatte bis dahin an der Universität Leipzig gelehrt und dort im akademischen Jahr 1948/49 das Amt des Rektors innegehabt.
Den Grundstock der Bibliothek im neu eingerichteten Seminar der Freien Universität bildete die umfängliche 1952 erworbene Bibliothek von Bruno Meissner, der 1947 in Mittenwalde bei Berlin gestorben war. Er hatte seinen wissenschaftlichen Nachlass der Inneren Mission der Evangelischen Kirche vermacht, durch deren Vermittlung seine Bibliothek an die Seminare für Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde gelangten. Wolfram von Soden übernahm den lexikalischen Nachlaß von Bruno Meissner für das von ihm geplante Akkadische Handwörterbuch. Das Seminar für Altorientalische Philologie (kurz „Altorientalistik“) war - neben der Semitistik-Arabistik - eine Abteilung des Orient-Instituts und hatte seinen Sitz zunächst in der Boltzmannstr. 3 im 1. Stock, die Vorderasiatische Altertumskunde ebenda im 3. Stock. Seit dem Wintersemester 1954/55 befand sich die Altorientalistik in einer Villa in der Garystr. 45 und zog zum Sommersemester 1957 in das Parterre einer kleinen Villa im Faradayweg 15 (Villa von Erna Berger) in Berlin-Dahlem um; im ersten Stock befand sich dort das Seminar für Indogermanistik.
Friedrichs Schwerpunkte in Forschung und Lehre waren die Hethitologie, die Hurritologie unter Einbeziehung des Urartäischen sowie die nord-west-semitische Epigraphik. Seine bedeutendsten Publikationen sind eine hethitische Grammatik (1940 mit weiteren Auflagen), ein hethitisches Wörterbuch sowie die Edition der hethitischen Staatsverträge (1926 und 1930) und der hethitischen Gesetzessammlung (1959). 1960 erschien sein "Hethitisches Keilschrift-Lesebuch", bei dem ihn Rainer-Michael Boehmer - später Professor und Direktor der Abteilung Baghdad des Deutschen Archäologischen Instituts - damals studentische Hilfskraft bei Friedrich, auf Grund seiner zeichnerischen Fähigkeiten tatkräftig unterstützte. Zeugnis für Friedrichs bahnbrechende Studien zu den nord-west-semitischen Sprachen ist sein großes Werk die "Phönikisch-Punische Grammatik”, Rom 1951, das in der Folge in weiteren Auflagen, betreut von seinem Schüler Wolfgang Röllig, erschien. Im Zusammenhang damit steht auch Rölligs Dissertation "Studien zu ausgewählten phönizischen und punischen Inschriften", auf Grund derer er im Januar 1960 in Berlin promoviert wurde.
Friedrichs erster Promovend in Berlin war Rolf Grobe, der 1953 mit einer Dissertation über "Hethitische Sonnenlieder und ihre akkadischen Parallelen" seinen Doktortitel erwarb. Ein Jahr später wurde Einar von Schuler, der seinem Lehrer Friedrich 1950 aus Leipzig gefolgt war, mit der Arbeit "Hethitische Dienstanweisungen für höhere Hof- und Staatsbeamte" promoviert. Nach seiner Assistentenzeit bei von Soden in Münster habilitierte sich von Schuler 1961 mit dem Werk "Die Kaškäer. Ein Beitrag zur Ethnographie des alten Kleinasiens" an der Philosophischen Fakultät der Freien Universität für das Fach Altorientalische Philologie.
Hier stand in einem großzügigen räumlichen und intellektuellen Ambiente ausreichend Platz für Forschung und Lehre sowie für Gastwissenschaftler zur Verfügung. Für die Studierenden boten sich mit dem Nebeneinander der akademischen Lehrer, der Gemeinsamkeit im studentischen Alltag und dem Vorhandensein einer hervorragend ausgestatteten Bibliothek ideale Studienbedingungen.
Das neue Institut erwies sich durch seine Bibliothek, die sicher zu den besten in Europa gehört, als attraktives Arbeitsfeld für Alexander-von-Humboldt und DAAD-Stipendiaten sowie viele in- und ausländische Gastwissenschaftler, die mit ihren eigenen Stipendien nach Berlin kamen und kommen.
Nach dem tragischen Tod von Hans-Jochen Thiel arbeitete ab Sommersemester 1982 bis zum Wintersemester 1986/87 Karlheinz Kessler als Assistent am Seminar. Er habilitierte sich im Mai 1986 mit der Arbeit "Uruk. Urkunden aus Privathäusern. Die Wohnhäuser westlich des Eanna-Tempelbereichs" (= Ausgrabungen in Uruk-Warka, Bd. 8, 1991) für das Fach Altorientalische Philologie und wurde unmittelbar darauf auf die C3-Professur für Altorientalistik an der Universität Erlangen als Nachfolger von Karl Hecker berufen. Ihm folgte zum Sommersemester 1987 Stefan Maul, der gerade in Göttingen bei Rykle Borger mit einer Arbeit über " 'Herzberuhigungsklagen'. Die sumerisch-akkadischen Eršahunga-Gebete" promoviert worden war.
Von 1982 bis 1987 war Kilian Butz (12. 3. 1943 - 22. 5. 1990) im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojektes tätig. Ziel des Projektes war die vollständige Umschrift aller ca. 10.000 altbabylonischen Rechts- und Verwaltungsurkunden aus dem 20. - 17. Jh. v. Chr. Diese Umschriften wurden 2009 digitalisiert und in die Datenbank ArchiBab (http://www.archibab.fr/) integriert.
1981 folgte Volkert Haas einem Ruf auf die neugeschaffene C2-Professur für Geschichte und Kultur des Alten Orients an die Universität Konstanz. Nach seinem Weggang war es im Verlauf einiger Jahre möglich, die vakante Assistenten-Stelle in eine C3-Professur umzuwandeln. Nach der Ausschreibung der Stelle im Jahre 1988 konnte Volkert Haas berufen werden und trat zum Wintersemester 1989 seinen Dienst in Berlin an. Er machte in den folgenden Jahren Berlin zu einem Zentrum der Keilschrift-Hethitologie. Insbesondere die zahlreichen ausländischen Studenten, die daraufhin nach Berlin kamen, sind ein beredtes Zeugnis für die Attraktivität der Berliner Hethitologie.
Doris Prechel war vom Januar 1990 bis Dezember 1993 wissenschaftliche Mitarbeiterin von V. Haas und unterstützte ihn bei seinen Arbeiten für seine Hethitische Religionsgeschichte. Sie wurde am 13. 12. 1992 mit einer Arbeit über die Göttin Išhara promoviert.
Zum 30. März 2002 wurde Volkert Haas in den Ruhestand versetzt. Die Nachfolge trat Jörg Klinger am 1. September 2003 an.
Nachdem Stefan Mauls fünfjährige Dienstzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter 1992 abgelaufen war, konnte die Stelle in eine C1-Stelle umgewandelt und er somit weiterbeschäftigt werden. Im Frühjahr 1993 folgte Maul einer Einladung zu einem Forschungsaufenthalt bei der Équipe de Mari am CNRS in Paris, im Frühjahr 1995 war er Gastprofessor an der École Pratique des Hautes Études in Paris. Nach seiner Habiltation mit der Arbeit "Zukunftsbewältigung. Eine Untersuchung altorientalischen Denkens anhand der babylonisch-assyrischen Lösungsrituale (namburbi)" im Jahr 1993 erhielt er im Jahr 1995 den Ruf auf den Lehrstuhl für Assyriologie in Heidelberg, der seit der Emeritierung von Karlheinz Deller vakant gewesen war. Im Jahre 1997 wurde S. Maul der Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft verliehen.
Als Wissenschaftliche Mitarbeiter waren Helmut Freydank, Horst Klengel und Hans Neumann von 1994-1996 am Altorientalischen Seminar in Forschung und Lehre aktiv. Im Dezember 1998 wurde Hans Neumann am damaligen FB Altertumswissenschaften für das Fach "Altorientalische Philologie" habilitiert und blieb bis zu seiner Berufung nach Münster (1. Oktober 1999) als Privatdozent am Institut tätig, während er in Heidelberg beim dortigen Assur-Projekt angestellt war.
Von 1996 bis 2001 war Eva Cancik-Kirschbaum Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar. Sie war in Tübingen mit einer Arbeit über "Die mittelassyrischen Briefe aus Tall šeh Hamad/Dur-Katlimmu" promoviert worden und habilitierte sich am 19. Juli 2002 mit der Arbeit "Der König von Assur. Zur Organisation politischer Herrschaft in Assyrien vom 14. - 7. Jh. v. Chr." am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der FU für das Fach Altorientalische Philologie. Seit April 2001 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Heinrich-von-Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität tätig. Zum Frühjahrsemester 2002 folgte sie einer Einladung auf eine Gastprofessur an der École Pratique des Hautes Études der Universität La Sorbonne in Paris. Nach der Emeritierung von Johannes Renger zum 30. September 2002 erhielt Eva Cancik-Kirschbaum im Juli 2003 den Ruf auf die C4-Professur für Altorientalische Philologie und Geschichte am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der FU.
2001 wurde Ariel M. Bagg als Wissenschaftlicher Assistent eingestellt. Er war an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen mit der Arbeit "Assyrische Wasserbauten. Landwirtschaftliche Wasserbauten im Kernland Assyriens zwischen der 2. Hälfte des 2. und der 1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr." promoviert worden. 2007 wurde er mit einer Arbeit über „Die Assyrer und das Westland habilitiert. Diese Arbeit erfolgte in Kooperation mit dem Projekt 'State Archives of Assyria' an der Universität Helsinki. Im Anschluss an die Habilitation war er bis 2008 als Privatdozent an der Freien Universität tätig.
Im Anschluss übernahm Grégory Chambon die Stelle des Wissenschaftlichen Assistentenam Institut. Er war in Paris mit einer Arbeit über die altorientalische Metrologie promoviert worden.
Im Herbst 2009 folgte Ingo Schrakamp auf den Posten des Wissenschaftlichen Assistenten.
Barbara Böck habilitierte sich am 27. November 2002 mit einer Arbeit "Die Kranken-Massage nach keilschriftlichen Quellen. Beiträge zu Medizin und Magie im Alten Mesopotamien" für das Fach Altorientalische Philologie.
Die Arbeit im Sekretariat oblag bis 1977 Walter Zaumseil, der mit J. Friedrich nach Berlin gekommen war. Ihm folgten Margot Winde (1.4.1977–31.7.1984, Ursula Leideck (1.9.1984–30.6.1995), Patricia Löffler 1.1.1995–15.2.1998), Karen Kursave (1.10.1998–31.3.1999), Christina Heynen 1.4.1999–30.9.1999 und von 1999 bis zum 31.10.2012 Christiane Schierding. Seit dem 1.11.2012 leitet Ute Birk das Sekretariat.
Im März 2015 verließ das Institut für Altorientalistik die Villa im Hüttenweg 7 und zog in den Neubau in der Fabeckstr. 23-25, angrenzend an die Rost- und Silberlaube.
Literatur:
- J. Renger, Die Geschichte der Altorientalistik und der vorderasiatischen Archäologie in Berlin von 1875 bis 1945, in: W. Arenhövel - C. Schreiber (Hrsg.), Berlin in der Antike. Aufsätze, Berlin, 1979, 151 - 192.
- J. Renger, Stichwort "Altorientalische Philologie und Geschichte", DNP 13, 1999, 101 - 113.