Jacob Wimpheling
Jacob Wimpheling
1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen
Jacob Wimpheling [Jakob; Wimpfeling]
Priester; Prof. f. Poetik und Rhetorik, Rektor; Domprediger; humanist. Gelehrter und Schriftsteller; röm.-kath.
1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort
* 25. 07. 1450 Schlettstadt
† 17. 11. 1528 ebd.
1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession
Sohn eines Sattlermeisters; nach dem Tod seines Vaters 1463 lenkte dessen Bruder Ulrich, Pfr. in Sulz, die Ausbildung JWs zum Geistlichen, die Eltern und Onkel früh anvisiert hatten, nach seinem Tod 1478 rückte JW als sein Nachfolger in die Pfarrei Sulz ein; studierte Philosophie, Kirchenrecht und schließlich Theologie ab 1464 (nach dem Tod seines Vaters), 2 Jahre in Freiburg i. Br., ab 1468 in Erfurt und seit Ende 1470 in Heidelberg; aus seiner Freiburger Zeit lebenslange Freundschaft mit seinen dortigen Lehrern Konrad Stürzel und Joh. Geiler v. Kaysersberg; in Heidelberg gewann er Zugang zum kurpfälz.-wittelsbachischen Hof Hz. Friedrichs III.; Priesterweihe; 1471 Mag.; lehrte seit 1471 in Heidelberg an der Artistenfakultät, studierte dort Theologie; 1479 Bacc. theol., Dekan und Vizekanzler der Artistenfakultät; 1481/82 Rektor ebd.; 1484 gab er seinen Lehrstuhl auf und ging nach Speyer, wo er bis 1498 blieb und 1483 Domprediger (aber nicht hauptamtl.), danach Domvikar war; in Speyer bemühte er sich um die Verbesserung der liturgischen Texte des Bistums; seit Mitte der 1490er Jahre plante er zus. mit Christoph v. Utenheim, Geiler v. Kaysersberg und einem vierten Gelehrten den Rückzug aus Ämtern und Würden in eine als vita communis nach selbstgestalteten Regeln realisierte vita eremitica; 1496 Lic. theol.; 1498-1501 Prof. für Poetik und Rhetorik an der Heidelberger Artistenfakultät; 1501 gab er sowohl seine Heidelberger Professur als auch, gegen eine bescheidene Pension, seine Sulzer Pfarrei auf; 1501 Berufung an die Domschule in Straßburg; da die vita communis nicht zustandekam, war er den Rest seines Lebens in materiell dürftigen Verhältnissen und auf die Gastfreundschaft der Straßburger Wilhelmiten, der Patrizierfamilie Sturm und Christophs v. Utenheim in Basel angewiesen; mit dem Umzug nach Straßburg distanzierte er sich vom Pfälzer Hof und näherte sich dem habsb. an; 1501-15 hielt er sich meist in Straßburg bei den Wilhelmiten auf, reiste mehrmals nach Basel, Freiburg i. Br. und Heidelberg; in Straßburg widmete er sich ab 1501 der Erziehung seines Lieblingsschülers Jakob Sturm und gründete um 1510 die „Sodalitas litteraria“, der sich eine Reihe von Humanisten aus dem Oberrheingebiet anschloß und die 1514 feierlich Erasmus empfing; in Straßburg publizierte er pol. Schriften, in denen er seine innenpol. Sozialkritik mit außenpol. Reichsprogrammatik verband − gegen eine Orientierung Straßburgs auf die Schweiz und auf die pfälz.-wittelsb. Politik der Bündnisse mit Frankreich; wg. seiner 1505 in Straßburg gedr. Schrift „De integritate“, v. a. wg. ihrer Kritik an Ordensgeistlichen, handelte er sich die Gegnerschaft der Augustiner-Eremiten ein, die in Rom einen Prozess gegen ihn anstrengten, und der Benediktiner; 1510 ernannte Ks. Maximilian I. JW zum kgl. Familiaren, wohl auf Betreiben des ksl. Sekretärs Jakob Spiegel (Neffe JWs), und verlangte von ihm Vorschläge, wie der Einfluss der röm. Kurie auf die Kirche in Deutschland zurückgedrängt werden könne; 1512 schickte ihn Christoph v. Utenheim, Bf. v. Basel, in den Schwarzwald, um in einem von ihm reformierten Nonnenkloster eine Zeitlang die Leitung zu übernehmen, hier schrieb er die expurgatio; 1515 zog er sich nach Schlettstadt zurück und gründete dort ebenfalls eine „Sodalitas litteraria“; unterstützte zunächst Luther, blieb aber röm.-kath.; sah Bildung als wesentl. Mittel der Reform in Kirche und Reich, war ein scharfer Kritiker klerikaler Habsucht, vertrat pol. eine kaiserorientierte und nationale Position, war als Theologe ein eifriger Verfechter der Unbefleckten Empfängnis Mariens; verfasste etliche päd., hist. und theol. Werke, u. a. das erste humanist. Schuldrama „Stylpho“ (1497), JW protegierte Johann Eck
1.4. Literatur zur Person
Jöcher 4, 2001-2003; ADB 44 (1898) 524-537 (Ludwig Geiger); BBKL 13 (1998) 1358-1361 (Gerhard Kaller); PRE3 21 (1908) 350-357 (H. Hermelink); RGG3 6 (1962) 1728 (Bernd Moeller); RGG4 8 (2005) 1586 (Hellmut Zschoch); LexMA 9 (1998) 222f. (Dieter Mertens); LThK2 10 (1965) 1173f. (A. M. Burg); LThK3 10 (2001) 1219f. (Dieter Mertens); EncR 4 (1996) 275 (Lewis W. Spitz); EncRen 6 (1999) 311f. (James H. Overfield); Lexikon der Renaissance. Hg. v. Günter Gurst/Siegfried Hoyer/Ernst Ullmann/Christa Zimmermann. Leipzig 1989, 768f. (Wieland Held/Herbert Greiner-Mai); Ilan Rachum, Enzyklopädie der Renaissance. Zürich o. J. (zuerst engl.: The Renaissance: An Illustrated Encyclopaedia. Jerusalem) 560; Riegger ed. (s.u. 2.1.) 161-580; Joseph Knepper, Jakob Wimpfeling (1450-1528). Sein Leben und seine Werke, nach den Quellen dargestellt. Freiburg i. Br. 1902 (= ND Nieuwkoop 1965); Joseph Schlecht, Zu Wimphelings Fehden mit Jacob Locher und Paul Lang. In: Theodor Bitterauf (Hg.), Festgabe für Karl Theodor v. Heigel. München 1903, 236-265; Richard Newald, Probleme und Gestalten des deutschen Humanismus. Studien. (= Kleinere Schriften zur Literatur- und Geistesgeschichte). Berlin 1963, 346-368 (zuerst 1944); Lewis W. Spitz, The Religious Renaissance of the German Humanists. Cambridge, Mass. 1963, besonders 41-60. 301-306; Otto Herding, Jakob Wimpfeling und Beatus Rhenanus. Das Leben des Johannes Geiler von Kaysersberg. München 1970; Francis Rapp, Réformes et Réformation à Strasbourg. Strasbourg 1974; Rainer Donner, Jakob Wimpfelings Bemühungen um die Verbesserungen der liturgischen Texte. Mainz 1976; James H. Overfield, Humanism and Scholasticism in Late Medieval Germany. Princeton 1984, besonders 81-86, et passim; Bernard Vogler, Humanisme et élites urbaines à Strasbourg. In: Klaus Malettke/Jürgen Voss (Hgg.), Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 15. Jahrhundert/Humanisme et Elites des cours et des villes au XVIe siècle. 23. Deutsch-französisches Historikerkolloquium des Deutschen Historischen Instituts Paris in Verbindung mit dem Fachbereich Geschichtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg 6.-9. April 1987. (= Pariser Hist Studien 27). Bonn 1989, 309-317: 309f. 317; Dieter Mertens, Jakob Wimpfeling (1450-1528). Pädagogischer Humanismus. In: Paul Gerhard Schmidt (Hg.), Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile. Sigmaringen 1993, 35-54: 45 („Der lebenslang bedeutsame Ertrag seiner Freiburger Zeit bestand in den Beziehungen zu zwei Lehrern: zu Konrad Stürzel (ca. 1435-1509), der in der juristischen Fakultät weiterstudierte und als Kanzler erst Ehz. Sigismunds und dann König Maximilians Karriere machte, und zu Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510), der den Doktorgrad in der Theologie erwarb und drei Jahrzehnte lang als sprachmächtiger Straßburger Münsterprediger so etwas wie das Gewissen der Stadt Straßburg darstellte, er war für Wimpfeling je länger, desto mehr Vorbild, Freund und Stütze.“); Thomas Allan Brady, Protestant Politics: Jacob Sturm (1489-1553) and the German Reformation. Atlantic Highlands, NJ 1995 (dt.: Berlin 1996); ders., Zwischen Gott und Mammon. Protestantische Politik und deutsche Reformation. Aus dem Englischen von Matthias Vogel. Berlin 1996, 89 (JW protegierte Joh. Eck); Markus Müller, Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung. Überlieferung und Entwicklung (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 44). Köln/Weimar/Wien 1998, 387-396 (u. ö.)
Autobiograph. Quelle: Pellikan, Chronikon ed. Riggenbach 9. 42. 44. 157
2.1. Quelle: benutzte Edition
Jacob Wimpheling: Expurgatio contra detractores. 1512 an Jakob Spiegel. In: Josef Anton Riegger: Amoenitates literariae Friburgenses Fasc. II+III. Ulm 1775, 411-426, Text: (a) Brief an seinen Neffen 416-419, (b) Expurgatio 419-426
2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen
keine Editionsprinzipien angegeben, keine Beschreibung und kein Ort der Hs. genannt
2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition
Knepper (s. o. 1.4) 280-282; Jakob Wimpfeling: Briefwechsel. 2 Teilbde. Eingel., komm. und hg. v. Otto Herding und Dieter Mertens. (= Jacobi Wimpfelingi Opera Selecta III/1 + 2). München 1990, Teilbd. 1, Einleitung, 11-100, darin zu Wimpheling über sich selbst 53-63; Teilbd. 2, Nr. 296, 718-721 (zur Isokrates-Schrift)
2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen
Jacob Wimpheling: Expurgatio contra detractores. In: ders.: Isocrates ... de regno gubernando. Wien 1514; dass. dann auch (mit z.T. erhebl. Verschärfungen durch Wimpheling, aber nur geringfügigen Änderungen in der Expurgatio) Straßburg 1514; Herding/Mertens eds. (s.o. 2.3.) 720f. (Anschreiben an Jakob Spiegel, mit textkrit. und inhaltl. Anmerkungen)
3.1. Abfassungszeit
(a) 01. 11. 1512, (b) kurz vorher, also Okt. 1512
3.2. AdressatInnen
(a) und (b) unmittelbarer Adressat: sein Neffe Jakob Spiegel; dieser soll (b) den Text der expurgatio weiteren Kreisen zugänglich machen („passim disseminare“), sicher all denen, die Kenntnis hatten von den Vorwürfen, denen der Onkel sich ausgesetzt sah, d. h. unter kirchl. Pfründeninhabern, Amts- und Würdenträgern; wie diese informiert werden sollten − im Druck, durch individuelle Briefe, Gespräche oder öfftl. Reden − geht aus beiden Texten nicht hervor; Spiegel widmete die expurgatio dem ksl. Rat Petrus de Motta
3.3. Funktion der Quelle
(a) Begleitschreiben der Expurgatio an seinen Neffen, der die Expurgatio verbreiten soll; (b) Widerlegung von Vorwürfen seiner Gegner, v. a. Ordensgeistlichen, dass JW nicht an einem Ort leben könne und deshalb unstet sei; der Hg. Spiegel wollte durch die Zusammenstellung zweier Schriften die kaiserliche Fürsprache für die Schlettstadter Unionsaffäre gewinnen; Titel der beiden (vom Adressaten Spiegel zusammengestellten) Schriften: „In hoc libello, Amice Lector, iam primum in lucem edita continentur: Isocratis de regno gubernando ... Iacobi Vuimphelingii Selestensis ad Iacobum Spiegel ex sorore nepotem expurgatio contra detractores“. Wien 1514 (zum Druck vorgesehen)
3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.
hsl.; Ort: UB Freiburg; ob (a) und (b) bereits von JW zum Druck vorgesehen waren, ist unklar, jedenfalls wünschte er eine Verbreitung des Textes bzw. der darin enthaltenen Informationen
4.1. Berichtszeitraum
(a) sein gesamtes Leben bis zur Abfassungszeit; (b) gesamtes Leben bis zur Abfassungszeit
4.2. Sprache
lat.
4.3. Form der Quelle
Ich-Form; 2 Dokumente: (a) privater Brief an seinen Neffen Jakob Spiegel, nicht literarisch stilisiert (416-419), (b) Verteidigungsschrift, in der JW sein Leben unter einem prinzipiellen Aspekt erzählt, um sich von einem Vorwurf zu säubern („expurgare“) (419-426)
4.4. Inhalt
(a) sehr summarische Kurzfassung des Lebens; (b) entsprechend seiner Absicht zu zeigen, dass seine diversen Reisen und Ortswechsel nicht als Zeichen von Unstabilität zu interpretieren sind, erzählt JW sein Leben unter vorrangig geographischen Aspekten: er präzisiert, an welchen Orten er sich aufgehalten hat, wie lange er dort geblieben ist und erklärt v.a., warum er dort war − der Text erlaubt also v.a., sein Itinerar präzise nachzuzeichnen; ferner wird der Vorwurf erwähnt und zurückgewiesen, dass sein Vater Priester gewesen sei; Dogmatisches oder kirchl. Themen allgemein kommen fast nicht vor, Ausnahmen: JW fand das Pontifikalrecht uninteressant, und er zweifelte an der Effizienz der apostolischen Gnade; nicht erwähnt wird ferner die Begegnung mit Erasmus